Die alltäglichen Probleme ganz normaler Jihadisten

Der Stress mit dem Kartoffelschäler

Probleme im Alltag machen nichtarabischen Jihadisten, die sich dem IS angeschlossen haben, immer mehr zu schaffen.

Mangelnde Tischmanieren, kein Respekt vor der Privatspäre – auch beim sogenannten Islamischen Staat (IS) sind, so geht es aus einem Blog­eintrag des britischen Jihadisten Omar Hussain hervor, die Hölle die anderen.
Der ehemalige Security-Mitarbeiter eines Supermarkts, der unter dem Kampfnamen Abu Saeed al-Britani firmiert, hatte sich die Sache mit dem heiligen Krieg wohl anders vorgestellt: Statt fashionably vermummt auf Pickups durch Syrien zu brettern und Ungläubige zu terrorisieren, hatte der 27jährige Anfang des Jahres vor allem Küchendienst. Dass ihm dabei zugemutet wurde, Essen ohne dafür vorgesehenes Werkzeug – im vorliegenden Fall Kartoffelsparschäler – zuzubereiten, hatte Hussain derart verstimmt, dass er das tat, was Menschen auf der ganzen Welt tun, wenn sie übelnehmen, nämlich einen länglichen, sehr missgelaunten Blogbeitrag verfassen. In dem ging es nicht nur um die Zumutung, Kartoffeln mit einem Messer schälen zu müssen, sondern auch darum, dass er immer noch keine Jihad-Braut (also im Klartext: Sex) bekommen hatte.
Ein gutes halbes Jahr später ist Hussain immer noch verstimmt, denn »die Araber« haben, findet er, einfach kein Benehmen. Er verteile nunmehr das Essen erst, wenn alle säßen, schreibt er in seinem jüngsten Blogtext, denn er habe das unordentliche Durcheinander sehr satt gehabt. »Unglücklicherweise musste ich sie wie Grundschüler behandeln«, erklärt er dazu und schreibt weiter, der Unterschied bei den Manieren zwischen »Arabern und Nichtarabern« sei »ungefähr so groß wie der Unterschied zwischen Himmel und Erde«.

Dass das Leben in Syrien und im Irak nicht ganz so geordnet verläuft wie daheim in Großbritannien, hatte der mittlerweile zurückgekehrte und inhaftierte Jihadist Imran Khawaja während seiner IS-Zeit ebenfalls moniert und sich über das Internet bei Freunden darüber beschwert, dass es weder vernünftige Feuchtigskeitscreme noch weiches Toilettenpapier zu kaufen gebe. Insgesamt, so betonte Khawaja schließlich, sei es für Europäer sehr ratsam, sich nichtarabischen Bataillonen anzuschließen, falls man das Gefühl habe, mit anderen Mentalitäten nicht so sehr gut zurechtzukommen.
Hussain treiben dagegen ganz andere Probleme um, die er immer noch nicht gelöst zu haben scheint. Immer wieder leihen sich Mitkämpfer sein Handy-Ladekabel aus, und das nicht nur, ohne vorher um Erlaubnis zu fragen, sondern auch, ohne abzuwarten, bis Hussains Akku wieder voll ist. Oder sie borgen einfach seine Schuhe aus, ohne um Erlaubnis zu bitten, weswegen er oft lange untätig herumsitzen muss, denn ohne passende Fußbekleidung möchte er nicht gern herumlaufen. Ein weiteres Ärgernis, das Hussain sehr beschäftigt, ist, dass beim IS ums Verrecken keine ordentlichen Warteschlangen gebildet werden – da warte man geduldig eine halbe Stunde in einem Büro »und dann kommt plötzlich ein Araber und drängt sich vor«.
Das Warteschlangenproblem haben allerdings auch schon andere Kämpfer für den IS ausgemacht. Bereits im Mai hatte sich der dagestanische Jihadist Kamil Abu Sultan al-Daghestani, der Sprecher einer IS-nahen nordkaukasischen Gruppe, bitterlich über Suizid-Korruption beschwert. Die Wartelisten für Selbstmordattentäter würden, so Sultan, nicht ordnungsgemäß geführt. Immer wieder würden Saudis einfach Familienangehörige und Freunde ganz vorne auf die Liste setzen, so dass viele Anwärter während der monatelangen Wartezeit einfach bloß im Kampf sterben würden, statt jemals eine Chance zu bekommen, sich in die Luft zu sprengen. Sultan berichtete von einem jungen Mann, der ursprünglich in Syrien auf der mehrere tausend Personen umfassenden Selbstmordattentäter-Liste gestanden habe, aber dann in den Irak gefahren sei, weil er nicht so lange habe warten wollen. Nach drei Monaten sei er dann jedoch wieder zurückgekehrt, weil er auch dort nicht drangekommen sei – ohne Beziehungen sei es mittlerweile einfach nicht mehr möglich, sich ordnungsgemäß in die Luft zu sprengen.