Der BND will selbst hacken

Hacking für Deutschland

Der Bundesnachrichtendienst will die digitale Überwachung gegen Cyberattacken ausbauen und nutzt dabei selbst Datenschutzlücken.

Als »Sensation« (Süddeutsche Zeitung) wurde in der vergangenen Woche das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zum Datenschutzabkommen Safe Harbor zwischen der EU und den USA gefeiert. Doch in der Euphorie darüber, dass der EuGH die Weiterverarbeitung von europäischen Nutzerdaten durch Unternehmen in den USA als Grundrechtsverletzung wertete, wird übersehen, dass deutsche Geheimdienste beständig darum bemüht sind, vergleichbare Ressourcen zur Datenerfassung zu entwickeln und Lücken in Schutzbestimmungen auszunutzen. Dies bestätigt ein Blick auf das Modernisierungsprogramm Strategische Initiative Technik (SIT) des Bundesnachrichtendienstes (BND), über das Netzpolitik.org Ende September als geheim eingestufte Dokumente im Volltext veröffentlichte. Nachdem der Rechercheverbund aus NDR, WDR und SZ bereits im Sommer 2014 über die Bereitstellung erster Gelder für die SIT durch den Haushaltsausschuss des Bundestages berichtete, lässt sich anhand dieser Materialien nun detailliert nachvollziehen, welche Vorhaben geplant sind.

SIT ist der Oberbegriff für ein Maßnahmenpaket, das »die Leistungsfähigkeit des deutschen Auslandsnachrichtendienstes erhalten« soll. Im Zentrum stehen der Ausbau der Fähigkeiten des Dienstes zur Informationserfassung sowie die Entwicklung geeigneter Analyseinstrumente zur zielgerichteten Durchdringung erhobener Datenmengen. Der BND strebt damit in der Tendenz eine »Echtzeitanalyse von Massendaten« und die verfeinerte Überwachung von sozialen Plattformen an. Der Fokus liegt dabei nicht auf einzelnen Nachrichteninhalten, sondern auf der Abbildung von Kommunikationsnetzwerken und Informationsströmen. Zusätzlich will der Dienst seine Hacking-Fähigkeiten verbessern, um so effektiver in vorhandene IT-Schwachstellen im Ausland einzudringen oder diese zu schaffen. Für die Umsetzung der Vorhaben stehen bis 2020 insgesamt 300 Millionen Euro bereit.
Der BND rechtfertigt diesen Zuwachs an Ressourcen und Kompetenzen mit der Notwendigkeit, angesichts des rasanten technischen Fortschritts im Kommunikations- und Informationssektor handlungsfähig bleiben zu müssen, und verweist weiterhin auf den Entwicklungsvorsprung der »Five Eyes«. So werden die Geheimdienste der USA, Kanadas, Großbritanniens, Australiens und Neuseelands bezeichnet, die in den vergangenen Jahren erheblich aufgerüstet haben. Sollte die Bundesregierung nicht ebenfalls ihre Zuwendungen an den BND erhöhen, sei perspektivisch dessen »Isolation« sowie eine erhöhte Anfälligkeit des Wirtschaftsstandorts Deutschland für Cyberattacken zu befürchten, heißt es im Dokument. Mit solchen Prognosen gelang es dem Dienst, die durch den NSA-Skandal entstandene Krise der Institution geschickt zum eigenen Vorteil zu nutzen. Statt einer verstärkten parlamentarischen Kontrolle des Geheimdienstes stand nun die Frage im Zentrum der Debatte, wie dessen internationale Position gestärkt werden könne. Martina Renner, Obfrau der Bundestagsfraktion der Linkspartei im NSA-Untersuchungsausschuss, erklärte gegenüber Netzpolitik.org, dass in der Beschreibung des nationalen Wettrennens um die geheimdienstliche Spitzenposition die »intensive internationale Kooperation der Dienste gekonnt verschwiegen wird, welche doch eines der politischen Hauptprobleme ist«.

So ist der BND nicht der einzige deutsche Geheimdienst, dessen Zusammenarbeit mit Einrichtungen wie der NSA in der Kritik steht. Ende August diesen Jahres veröffentlichte Zeit Online das Originaldokument einer Übereinkunft zwischen dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und der NSA, das die Bedingungen für den Einsatz der US-Spionagesoftware XKeyscore durch den Verfassungsschutz regelt. Im Gegenzug für die Nutzung des Analyseprogramms verpflichtete sich das BfV, die dabei gewonnenen Informationen mit der NSA zu teilen. Datenschützer warnen davor, dass diese Weitergabe von Daten gegen das im Grundgesetz garantierte Fernmeldegeheimnis verstoße.