Anarchisten kämpften nach dem Ende der Republik weiter gegen Hitler und Franco

Bewaffnet gegen Franco und Hitler

Anarchosyndikalisten kollektivierten im Sommer 1936 in Katalonien und weiteren Regionen Spaniens unzählige Industrie- und Landwirtschaftsbetriebe. Knapp drei Jahre später verloren sie den Bürgerkrieg gegen die spanische Rechte, die von Mussolini und Hitler entscheidende Militärhilfe erhalten hatte. Die libertäre Revolution war verloren. Doch die spanischen Anarchisten setzten ihren antifaschistischen Kampf in Frankreich und auf der Iberischen Halbinsel fort.

Im Winter 1938/1939 flohen Hunderttausende spanische Linke und Liberale vor den herannahenden Truppen des Generals Francisco Franco ins nordöstliche Nachbarland. Die französische Republik empfing die Flüchtlinge keineswegs mit offenen Armen, sondern internierte sie unter erbärmlichen Bedingungen in Lagern. Nachdem die Wehrmacht im Sommer 1940 Frankreich überfallen und besetzt hatte, mussten die Exilanten Zwangsarbeit leisten. Etwa zehntausend sogenannte Rotspanier verschleppten die Nationalsozialisten außerdem in deutsche Konzentrations­lager, vor allem nach Mauthausen.
Zahlreiche spanische Libertäre schlossen sich in dieser dramatischen Situation der Résistance an. Für sie war der Guerillakrieg gegen die Wehrmacht die Fortsetzung ihres Kampfes gegen den Faschismus, den sie bereits im Spanischen Bürgerkrieg geführt hatten. Viele integrierten sich in den südfranzösischen Maquis, wie man die Untergrundbewegung nach der undurchdringlichen Buschlandschaft des Mittelmeerraumes nannte, wo sich die Guerilleros versteckten.

Ramon Vila Capdevila beispielsweise hatte während des Bürgerkrieges in einer anarchistischen Kolonne gekämpft. »Kommandeur Raymond« genannt, befehligte er ab 1944 200 Maquisards. Als Sprengstoffexperte war er maßgeblich an Anschlägen der Résistance auf Eisenbahnzüge im besetzten Frankreich beteiligt. Vilas Einheit gehörte der Division des Generals Philippe Leclerc an, dessen Soldaten Ende August 1944 als erste der alliierten Truppen in Paris einmarschierten. Tatsächlich waren viele unter Leclercs Leuten spanische Anarchisten. Auf ihren Panzern stand »Ebro« nach einer wichtigen Schlacht des Bürgerkrieges oder »Durruti« nach dem libertären Kriegshelden Buenaventura Durruti.
In Spanien hatten Franco und seine Anhänger nach dem Sieg im Bürgerkrieg 1939 eine Diktatur errichtet und sämtliche Arbeiterorganisationen zerschlagen. Die Franquisten ermordeten bis zu 200 000 ihrer Widersacher. Unzählige weitere von ihnen verbrachten Jahre in Konzentrationslagern und Gefängnissen oder mussten Zwangsarbeit leisten.
Während des Weltkrieges operierten dennoch einige wenige Guerillagruppen in unzugänglichen Bergregionen: der spanische Maquis. So spionierte die libertäre Gruppe um Francisco Ponzán für den britischen und französischen Geheimdienst und erhielt im Gegenzug Waffen. Aufgrund dieser Zusammenarbeit mit den kapitalistischen Mächten verweigerte die Exilorganisation der anarchosyndikalistischen Gewerkschaft Confederación Nacional del Trabajo (CNT, Nationaler Bund der Arbeit) Ponzán jedoch jegliche Unterstützung. Daraufhin machte die Gruppe auf eigene Faust weiter. Während des Weltkrieges war sie ein zentrales Glied des Fluchthilfenetzwerks, das zahlreiche Juden und über Frankreich abgestürzte alliierte Piloten via Spanien und Portugal in Sicherheit brachte.
Die CNT war in den dreißiger Jahren eine Massenorganisation mit weit über einer Million Mitgliedern gewesen. In den Jahren nach 1939 unternahmen die Anarchosyndikalisten beständig neue Anstrengungen, eine klandestine Organisa­tion in Spanien aufzubauen. Unter den repressiven Bedingungen war das äußerst schwierig. Lange Jahre ging es vornehmlich darum, Gefangenen oder von Verhaftung Bedrohten zu helfen, etwa indem man sie außer Landes schaffte. Die cenetistas, die CNT-Mitglieder, versuchten außerdem, im Untergrund Nationalkomitees zu bilden, um die Arbeit der Inlandsorganisation zu koordinieren. Mit steter Regelmäßigkeit wurden die Aktivisten dabei verhaftet. Im günstigen Fall wartete eine jahrzehntelange Haftstrafen auf sie, im schlimmeren die Hinrichtung.

Mit dem Sieg der alliierten Mächte über das nationalsozialistische Deutschland im Jahr 1945 entstand jedoch eine neue Situation. In Frankreich konnte die CNT sich nun öffentlich reorganisieren. Zu diesem Zeitpunkt hofften alle spanischen Antifranquisten darauf, dass die Alliierten nun auch die Franco-Diktatur hinwegfegen würden. Diese Hoffnung führte zu einem neuen Zulauf zur Untergrundorganisation der CNT in Spanien, zu regen illegalen Propagandaaktivitäten und zu kleineren Streiks. Nun stellte sich den Anarchosyndikalisten die Frage, welche Strategie zum Sturz des Franquismus sie wählen sollten. Darüber kam es schnell zum Streit. Das hatte einerseits mit den Erfahrungen während des Bürgerkrieges zu tun. Andererseits war man sich uneins, ob der bewaffnete Kampf das richtige Mittel sei.
Im Juli 1936 hatte eine revolutionäre Massenbewegung in Barcelona Armeeeinheiten unter der Führung eines rechtsradikalen Generals besiegt, die sich gegen die spanische Republik erhoben hatten. Der Staat war entmachtet und die CNT die entscheidende Kraft. Das stellte die Anarchosyndikalisten allerdings vor ein Dilemma: Sollten sie die ihnen zugefallene Macht ergreifen? Dies wäre einer Diktatur gleichgekommen, was die anarchistische Bewegung scharf ablehnte. Also entschied sich die CNT für eine Zusammenarbeit mit den übrigen Volksfrontkräften, den Sozialisten, Kommunisten und Republikanern. Immerhin galt es ja auch, einen Bürgerkrieg gegen einen militärisch starken Gegner zu gewinnen. Diese Zusammenarbeit hatte im Herbst 1936 schließlich zum Eintritt von führenden cenetistas in die katalanische und die spanische Regierung geführt – Anarchisten als Teil des Staates, den sie doch eigentlich abschaffen wollten.
Nach Kriegsende sahen viele Anarchisten in dieser Volksfrontpolitik einen Fehler. Besonders tief saß dabei der Ärger über die Kommunistische Partei, die die CNT mit Diffamierungskampagnen, Verfolgungen durch die sowjetische Geheimpolizei und Angriffe auf Kollektivbetriebe bekämpft hatte.
Eine Mehrheitsfraktion im Exil wollte nun zurück zu den klassischen Prinzipien des Anarchismus, revolutionärer Syndikalismus und Basisdemokratie, und dessen Mitteln, Streik und Sabotage. Weil sie jegliche Realpolitik ablehnten, können die Anhänger dieses Kurswechsels »Apolitische« genannt werden. Für die gegensätzliche »politische« Richtung, die im Inland vorherrschte, hatte sich die Lage dagegen nicht entscheidend geändert. Um das Regime zu beseitigen, müsste demnach weiter mit den übrigen Volksfrontkräften zusammengearbeitet werden.
Mit einer Allianz antifranquistischer Kräfte wollten die »Politischen« den Alliierten eine konkrete Option für die Zeit nach dem Franquismus anbieten und diese so dazu bewegen, die Diktatur zu beseitigen. So wurde im Herbst 1945 eine republikanische Exilregierung gebildet. Als zwei Vertreter der »politischen« Strömung in diese Regierung eintraten, spaltete sich die CNT. Spaltungen und Fehden wurden charakteristisch für die Geschichte der CNT nach 1939, was diese erheblich schwächte.
Zugleich stellte sich für manche cenetistas die Frage, ob nicht der bewaffnete Kampf gegen den Franquismus wieder aufgenommen werden müsse. Anarchisten kämpften bereits vereinzelt in Guerillagruppen auf dem Land, aber es war die Kommunistische Partei, die den Maquis dominierte. Unter kommunistischer Führung kam es 1944 sogar zu einer größer angelegten »Invasion« von Tausenden Guerilleros, die von Frankreich aus ins Pyrenäental Arán einfielen. Das franquistische Heer und die Guardia Civil zerschlugen die Guerillaarmee jedoch schnell.

Durch den bewaffneten Kampf sahen viele Inlandsmitglieder der CNT die zerbrechlichen Strukturen der Untergrundgewerkschaft gefährdet. Sie befürchteten eine Zunahme des ohnehin schon hohen Verfolgungsdrucks. Für die radikalen »Apolitischen«, die sich um die Exilführung in Toulouse scharten, war der bewaffnete Kampf hingegen das Mittel der Wahl. Sie schickten ab 1945 »Aktionsgruppen« nach Katalonien, die sich vornehmlich aus jungen Libertären rekrutierten. Diese Stadtguerilla sollte mittels einer Propaganda der Tat in Form von Sabotageakten und Attentaten das franquistische Regime destabilisieren und einen neuen Volksaufstand auslösen.
Gruppen wie Los Maños oder die um Josep Lluís Facerías und Francesc Sabaté hielten in der zweiten Hälfte der vierziger Jahre die franquistischen Repressionsorgane in der Region Barcelona in Atem. Sie verübten Attentate gegen politische Polizisten und Bombenanschläge, zum Beispiel anlässlich des Besuchs von Franco in Barcelona 1949. Sie unterstützten aber auch libertäre Untergrundzeitungen mit Geld aus Banküberfällen und verteilten antifranquistische Flugblätter.
Doch letztlich blieben alle Anstrengungen erfolglos. Die Alliierten dankten den spanischen Antifaschisten ihren Einsatz in der Anti-Hitler-Koalition nicht. Sie ächteten das Franco-Regime zwar, stürzten es jedoch nicht. Im Zuge des aufkommenden Kalten Krieges lockerte sich die internationale Isolation Spaniens und die Diktatur konnte ihre Macht festigen. Im Inneren ging sie überaus hart gegen ihre Gegner vor. Die Guardia Civil und die Polizei rieben Ende der vierziger Jahre die meisten Maquis- und Stadtguerilla­gruppen auf.
Die »apolitische« CNT im Exil wandte sich daraufhin vom bewaffneten Kampf ab. Auch die Kommunistische Partei stellte um 1950 den Guerillakampf ein. Facerías, Sabaté und der ehe­malige Résistancekommandeur Ramon Vila Capdevila mochten sich damit nicht abfinden und machten auf eigene Faust weiter. Alle drei fanden dabei in den darauffolgenden Jahren den Tod.
1951 bäumte sich die alte Gewerkschaftsbewegung mit einem großen Streik in Barcelona noch einmal auf. Doch der franquistische Staat schlug erneut erbarmungslos zurück und zerstörte die Inlandsorganisation der CNT restlos. Von dieser zweiten Niederlage erholte sich die anarchosyndikalistische Gewerkschaft nicht mehr. Sie fand nie wieder zu ihrer alten Stärke zurück. Ihr Erbe bleibt der historische Versuch, die klassenlose Gesellschaft zu erringen, und der unter enormen Opfern geführte Kampf gegen den Faschismus.