Gedenken statt feiern

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In der Levetzowstraße in Berlin-Moabit stand früher eine der größten Synagogen der Stadt. Während der Pogromnacht am 9. November 1938 wurde ein Teil ihrer Einrichtung zerstört. 1941 zwang die Gestapo die Jüdische Gemeinde, in der Synagoge ein Sammellager einzurichten, von dem aus zwischen 22 000 und 25 000 Juden in Ghettos und Vernichtungslager verschleppt wurden. Heutzutage steht dort ein Mahnmal für die aus Berlin deportierten Juden. Seit über 20 Jahren veranstalten Antifaschisten dort am 9. November eine Gedenkkundgebung, auf der Shoah-Überlebende als Hauptredner auftreten. So auch in diesem Jahr: Andrée Leusink und Peter Neuhof berichten von Entrechtung, Deportation, Internierung und der Vernichtung ihrer Familien im Nationalsozialismus. Zugleich kritisieren sie die mangelhafte Aufarbeitung der Shoah und die deutschen Zustände. Ein Sprecher des Antifa-Bündnisses macht deutlich: »Wir sind hier, weil es in Deutschland am 9. November nichts zu feiern gibt!« Nach der ruhigen Gedenkveranstaltung beginnt eine antifaschistische Demonstration »gegen Antisemitismus, Rassismus und Nationalismus« durch Moabit. Am Landesamt für Gesundheit und Soziales applaudieren viele Asylsuchende, als Demonstranten »Stop deportation!« und »Refugees are welcome here« rufen. Doch der Demonstrationszug, über dem Israel-Fahnen wehen und der von Bannern gegen Antisemitismus und Antizionismus flankiert ist, wird auch mehrfach attackiert. Passanten rufen »Scheißjuden«, Anwohner brüllen: »Viva, viva Palästina – Faschisten raus!« In der Lübecker Straße wirft jemand eine Glasflasche aus einer Wohnung auf die Demonstration. Diese endet mit der Niederlegung von Blumen am Mahnmal beim ehemaligen Deportationsbahnhof Putlitzstraße. Beide Mahnmale – in der Levetzowstraße und in der Putlitzstraße – wurden in der Nacht vor der Gedenkveranstaltung mit Parolen beschmiert.