Die EU stärkt die antiisraelische Boykottbewegung

Die EU kauft nicht beim Juden

Die Europäische Union will Waren aus bestimmten Gebieten Israels gesondert kennzeichnen. Dies stellt einen politischen Etappensieg für die antiisraelische Boykottbewegung dar, auch wenn die ökonomischen Folgen vor allem Palästinenser treffen dürften.

Mehr als drei Jahre lang ist die Verordnung vorbereitet worden, nun hat die EU-Kommission sie verabschiedet: Obst, Gemüse und Kosmetika von israelischen Firmen, die ihren Standort im Westjordanland, in Ostjerusalem oder auf den Golanhöhen haben, müssen künftig bei der Einfuhr in Mitgliedsländer der Europäischen Union (EU) gesondert gekennzeichnet werden und dürfen nicht mehr die Herkunftsangabe »Israel« tragen. Im April dieses Jahres hatten 16 EU-Staaten mit einer entsprechenden Forderung an die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini den Druck noch einmal erhöht. Die Maßnahme wird als »Schritt zu mehr Transparenz« verkauft, denn die Konsumentinnen und Konsumenten hätten das Recht zu erfahren, ob ein Produkt aus den »besetzten Gebieten« oder aus dem israelischen Kernland stamme. Dagegen unterliegen beispielsweise Erzeugnisse aus dem türkisch besetzten Teil Zyperns oder aus der von Marokko okkupierten Westsahara keiner Kennzeichnungspflicht. Sie betrifft ausschließlich Israel.

Die Verordnung hat also originär politische Gründe. EU-Diplomaten haben nie einen Hehl daraus gemacht, Israel mit der Etikettierungsrichtlinie unter Druck setzen zu wollen. Für die Europäische Union scheint ausschließlich Israel mit seiner Siedlungspolitik am Scheitern des Friedensprozesses schuld zu sein. Dass nicht wenige Palästinenser den ganzen jüdischen Staat als illegales Siedlungsprojekt betrachten und ihrem Ansinnen mit Raketen, Bomben und Attentaten Nachdruck verleihen, ist wie gehabt kein Thema. Da passt es ins Bild, dass der Beschluss just zu einer Zeit getroffen wurde, in der die sogenannte Messer-Intifada gegen jüdische Israelis tobt.

Bezeichnend ist zudem, dass selbst Erzeugnisse aus Siedlungen, die nach jedem bisher veröffentlichten Friedensplan israelisch bleiben würden, unter die Richtlinie fallen. Das stärkt die Position der Feinde Israels, die sich nach einem Palästina vom Jordan bis zum Mittelmeer sehnen. Dass auch Produkte vom Golan gekennzeichnet werden sollen – was in der Konsequenz bedeutet, dass die EU dieses Gebiet offenbar am liebsten an Syrien zurückgegeben sähe –, wird insbesondere dem unter Druck stehenden syrischen Diktator Bashar al-Assad sehr zupasskommen.
In Israel rief die Verordnung scharfe Kritik hervor. Die EU »sollte sich schämen«, sagte der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu, von einem »eindeutigen Prozess zur Delegitimierung Israels« sprach die stellvertretende Außenministerin Tzipi Hotovely. Aus den Reihen der Opposition kamen ebenfalls deutliche Worte. »Just in einer Zeit, in der Juden wahllos auf Israels Straßen niedergestochen werden, gibt Europa dem Druck der Boykottbewegung nach. Das ist eine antisemitische Entscheidung«, sagte Yair Lapid, der Vorsitzende der liberalen Partei Yesh Atid. Itzik Shmuli, Abgeordneter des Zionistischen Lagers, befürchtet, dass Konsumentinnen und Konsumenten in der EU künftig »sämtliche israelischen Produkte meiden«.
Den Palästinensern wird der EU-Beschluss dabei nicht einmal helfen, im Gegenteil: Dem palästinensischen Menschenrechtler Bassam Eid zufolge könnten rund 30 000 palästinensische Arbeitskräfte, die derzeit in israelischen Siedlungen beschäftigt sind, arbeitslos werden. Sie wären damit »die Ersten, die den Preis für die Etikettierung zahlen müssen«. Vor einem Jahr, nach der von antiisraelischen Boykotteuren vehement geforderten Schließung des Werkes der Firma Soda Stream in Ma’ale Adumin, der drittgrößten israelischen Siedlung im Westjordanland, verloren bereits 500 palästinensische Angestellte ihren Arbeitsplatz.
Der Zufriedenheit von Martina Michels, Europaabgeordnete der Linken, tat das keinen Abbruch. Schließlich ermögliche die Kennzeichnung den Konsumentinnen und Konsumenten eine »transparente Kaufentscheidung« und sei »keine Sonderbehandlung Israels«, sondern »eine Gleichstellung«, erklärte sie. Auf den offenkundigen Widerspruch, dass nur Israel an eine solche Richtlinie gebunden wird, ging sie nicht ein. Auch Omid Nouripour, der Sprecher für Außenpolitik der Grünen im Bundestag, begrüßte den EU-Beschluss. Mit ihm werde »ein gültiger Rahmen zur Umsetzung geltender EU-Standards und geltenden EU-Rechtes geschaffen«, außerdem sei die Kennzeichnungspflicht »ein konstruktives Gegenmodell zur antiisraelischen Bewegung ›Boycott, Divestment, Sanctions‹ (BDS)«, die von den Grünen abgelehnt werde.

Diese Distanzierung von der BDS-Bewegung dürfte in erster Linie der Versuch sein, dem Eindruck entgegenzutreten, dass die EU-Entscheidung zu einer Neuauflage der Naziparole »Kauft nicht beim Juden« beiträgt. Doch die Richtlinie stellt, anders als Nouripour behauptet, sehr wohl einen (Etappen-)Sieg für die Boykottbewegung dar, die immer betont hat, eine offizielle Kennzeichnung israelischer Produkte aus den »besetzten Gebieten« sei ein bedeutender Schritt auf dem Weg zu weitergehenden Maßnahmen. Hinzu kommt, dass die Verordnung schon durch ihren politischen Gehalt selbst ein indirekter Aufruf zum Boykott der gekennzeichneten Waren ist. Mit ihr wird die Dämonisierung, Delegitimierung und Isolierung Israels weiter verschärft. Die EU-Richtlinie werde unter den Palästinensern »die radikalen Elemente stärken, die einen Boykott Israels vorantreiben und uns unser Existenzrecht verweigern«, hieß es dann auch in einer Stellungnahme des israelischen Außenministeriums. Die EU unterstützt diese Entwicklung, und sie tut dies sehenden Auges.