Eine Umweltkatastrophe löst in Brasilien Proteste aus

Dreckige Geschäfte

Nach einem Staudammunglück werden in Brasilien fehlende Sicherheitsauflagen für Bergbaukonzerne bemängelt. Auch die Unternehmen werden kritisiert.

Es ist eine der schlimmsten Umweltkatastrophen in der Geschichte Brasiliens. Am 5. November waren an Auffangbecken einer Eisenerzmine in Mariana im Bundesstaat Minas Gerais Dämme gebrochen. 60 Millionen Kubikmeter mit Industrieabfällen belastetes Wasser traten aus und verseuchten den Flusslauf des Rio Doce über Hunderte Kilometer. Das Ausmaß der Katastrophe ist noch nicht absehbar, der giftige Schlamm hat mittlerweile den Atlantik erreicht. Die darin enthaltenen Chemikalien zerstören unter anderem im Wasser lebende Organismen und schädigen die Bodenfruchtbarkeit. Insgesamt leben 3,2 Millionen Menschen in den betroffenen Regionen. Bislang sind über 500 Menschen geflohen, mindestens neun wurden von der Schlammlawine getötet, viele werden noch vermisst.
Am 12. November kündigte die Präsidentin Dilma Rousseff schließlich an, dass die Umweltbehörde Ibama eine vorläufige Geldbuße in Höhe von 250 Millionen Reais (67 Millionen Euro) gegen den Bergbaukonzern Samarco verhängt hat, der für den Bruch des Damms »Fundão« und das Überlaufen des Damms »Santarém« verantwortlich gemacht wird. Des Weiteren wurden 300 Millionen Reais auf den Konten des Konzerns durch das Justizministerium von Minas Gerais eingefroren, die für Entschädigungen verwendet werden sollen. Am 16. November verpflichtete sich Samarco in einer mit der Staatsanwaltschaft geschlossenen Absichtserklärung zur Zahlung von mindestens einer Milliarde Reais für entstandene Umweltschäden. Am 18. November setzte das Umweltministerium von Minas Gerais eine Geldbuße in Höhe von 112 Millionen Reais fest.

Der Hergang des Unglücks wurde offiziell noch nicht bekanntgegeben. Samarco Mineração SA ist ein Joint Venture des australisch-britischen Rohstoffkonzerns BHP Billiton und des brasilianischen Bergbauunternehmens Vale. In den vergangenen vier Jahren wurde Samarco bereits sieben Mal an verschiedenen Bergbaustandorten zu Strafen von insgesamt 160 Millionen Reais verurteilt. Allein in Minas Gerais habe es in den vergangenen zwölf Jahren fünf Unglücke gegeben, was eine Änderung der Sicherheitsauflagen dringend nötig mache, so die Präsidentin des Ibama, Marilene Ramos. Die stellvertretende Generalstaatsanwältin Sandra Cureau forderte eine exemplarische Bestrafung der Unternehmen, Vale und BHP hätten vollkommen nachlässig gehandelt und keinen Notfallplan gehabt. Auch Carlos Eduardo Pinto, Staatsanwalt für Umweltvergehen von Minas Gerais, sprach von Fahrlässigkeit und berief sich auf einen Bericht eines geotechnischen Instituts von 2013, in dem vor Konstruktionsfehlern der Dämme gewarnt wurde.

Die Katastrophe löste Proteste in ganz Brasilien aus. »Es war kein Unfall: Vale muss zahlen!« ­riefen schlammbedeckte Demonstrierende am 16. November vor der Konzernzentrale in Rio de Janeiro und hielten Schilder mit dem Schlagwort »HiroshiMariana« hoch. Indigene der am Rio Doce ansässigen Gruppe Krenak blockierten tagelang die Bahnstrecke Vitória-Minas, die Vale zum Transport von Bodenschätzen nutzt. Auf Twitter wurde unter dem Hashtag #Privataria gepostet, einem Wortspiel aus »Privatisierung« und »Piraterie«, womit der Prozess der Privatisierung von Staatsbetrieben kritisiert werden soll. Vale wurde 1997 privatisiert. »Es war kein Unfall, es war Gewalt«, hieß es in der linken Wochenzeitung Carta Capital, die sich mit der tödlichen Allianz zwischen dem brasilianischen Staat und dem Kapital beschäftigte. Protestiert wurde in Brasilien auch gegen die spärliche Berichterstattung über die Katastrophe und dagegen, dass der Konzern Rede Globo, ein Partner Vales, die brasilianischen Medien dominiere.
Auch die regierende Arbeiterpartei (PT), die derzeit wegen des Korruptionsskandals um den halbstaatlichen Ölkonzern Petrobras unter Druck steht (Jungle World 46/2015), hatte Wahlkampfspenden von Vale erhalten. Der Umgang der Regierung mit der Katastrophe zeigt, wie tief die ökologischen, politischen und ökonomischen Krisen miteinander verbunden sind.