Spieler von Babelsberg 03 wurden rassistisch beleidigt

Am Ende ist es nur Fußball

Mit einer regelrechten Wutrede reagierte der Trainer von Babelsberg 03, Cem Efe, vor einigen Wochen auf rassistische Beleidigungen gegen seine Spieler.

Die Pressekonferenz nach dem Spiel Babelsberg 03 gegen den FSV Zwickau am 1. November ist bereits jetzt legendär – allein wegen der emotionalen Reaktion von Cem Efe, dem Babelsberger Trainer.
Auslöser für den Eklat war, dass ein Journalist Torsten Ziegner, dem Trainer des FSV Zwickau, die Frage stellte, wieso ein »Spieler Ihrer Mannschaft in die Katakomben geht mit den Worten ›Alles Ausländer hier‹«. Ein weiterer Journalist ergänzte, dass der Begriff »Kanaken« gefallen sei. Ziegner reagierte auf die Vorwürfe mit durchschaubarer Ablenkungstaktik und versuchte, seine Spieler als Opfer darzustellen. Man müsse immer beide Seiten betrachten, sagte er, und: »Das ist nun mal so. Die eine Seite erzählt es so, die andere erzählt es so.« Außerdem könnte er »auch erzählen, was meine Spieler zu hören kriegen«. Daraufhin platzte Cem Efe der Kragen: »Wenn du sagst ›Scheiß Türke‹, dann ist das doch kein normaler Fall mehr. Du kannst alles sagen, aber doch nicht diskriminieren. Sag dem: ›Du Flasche, du kannst nicht Fußball spielen‹ – oder was auch immer. Das akzeptiere ich. Alles andere nicht.« Zum Schluss seiner Rede resümierte Efe: »Ich wünsche mir für die Zukunft, dass wir versuchen, respektvoll miteinander umzugehen. Und dazu gehören immer zwei Seiten. Wir müssen doch irgendwann mal sagen: ›Jetzt ist alles gut.‹ Am Ende ist es nur Fußball.«
Viel Fußball gab es bei dem Spiel allerdings nicht. Ein Unentschieden ohne Tore, mit sechs gelben und einer roten Karte. Selbst für Regionalligaverhältnisse war die Begegnung unter­irdisch. Einzig die Pressekonferenz wird in Erinnerung bleiben. Es habe sehr viele Fälle gegeben, »in denen wir 90 Minuten bepöbelt werden, weil wir auch so ein multikulturelles Team sind«, sagte Efe dem RBB. Wer nun genau seinen Spieler Enes Uzun als »Scheiß-Türken« betitelt hat, konnte Efe allerdings nicht genau sagen. »Uzun hat den Ball zum Einwurf geholt, der genau zwischen den Trainerbänken ins Aus gelaufen war«, erinnerte er sich im Gespräch mit der Welt. Genau in diesem Augenblick soll der Ausdruck gefallen sein: »Angeblich von Ziegner. Es ist allerdings nicht völlig auszuschließen, dass es ein anderer auf der Bank war. Letztlich ist das aber zweitrangig.«
Zwickaus Trainer Torsten Ziegner war als Spieler bereits einmal wegen einer rassistischen Beleidigung für fünf Spiele gesperrt. In der Drittliga-Partie zwischen FC Carl Zeiss Jena und Eintracht Braunschweig vor sieben Jahren hatte er seinen Gegenspieler Kingsley Onuegbu in der 87. Minute nach einer Unsportlichkeit der Braunschweiger als »schwarze Sau« beleidigt und war deswegen vom Schiedsrichter vom Platz gestellt worden. Allerdings hatte er sich sofort nach Spielende bei Onuegbu entschuldigt. Der Spiegel zitierte ihn damals mit den Worten: »Es tut mir leid, dass mir diese Unbeherrschtheit passiert ist. Ich möchte nochmals versichern, dass es überhaupt nicht meiner Natur entspricht, fremdenfeindlich oder gar rassistisch zu sein.«
Der Sportverein Babelsberg 03 gehört zu den Lieblingsfeindbildern vieler ostdeutscher Fanszenen. Beim letzten Aufeinandertreffen in der Saison 2014/15 hängten die Zwickauer Fans vom A-Block eine Zaunfahne auf mit der Aufschrift: »Babelsberg not welcome – love football, hate antifa«. Illustriert war diese Fahne mit der Silhouette einer schießenden Person, vor der zwei weitere Personen weglaufen. Ein kurzer Blick auf die Facebook-Seite des A-Blocks aus Zwickau zeigt deutlich, dass solche Aktionen keine Seltenheit darstellen. Allerdings richten sie sich nicht immer nur gegen die gegnerischen Vereine bzw. Fans, sondern auch gegen die eigenen Supporter. Die Ultras von Red Kaos (RK) zum Beispiel stehen nicht nur politisch auf der anderen Seite: Banner, wie sie im Zwickauer A-Block hängen, wie jenes mit der Parole »Gott mit uns«, die Wehrmachtssoldaten auf ihren Koppelschlössern trugen, sind in ihrem Block verboten.
Die zum Teil gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Gruppen der örtlichen Fanszene reichen bis in die sächsische Landeshauptstadt. Red Kaos ist seit Jahren mit den Ultras von Dynamo Dresden eng befreundet. Diese Freundschaft steht jedoch im krassen Gegensatz zur Verbindung der rechtsmilitanten Anhänger der Gruppierung Faust des Ostens (FdO) aus der Landeshauptstadt mit dem A-Block aus Zwickau. »Da FdO stark mit dem A-Block Zwickau sympathisierte und Ultras Dynamo zu Red Kaos stehen, forderte man, dass sich Dresden komplett aus den Belangen in Zwickau raus hält. Als im weiteren Verlauf der Konflikt zwischen RK und dem A-Block immer mehr eskalierte, erteilte man FdO ein Verbot, die ›A-Block‹-Fahne im K-Block aufzuhängen«, resümierten die Dresdner Ultras in ihrem Beitrag für das Magazin Blickfang Ultra 2012. Nach einigen weiteren Querelen flogen die meisten FdO-Anhänger aus dem Dresdner Stadion und die Polizei ermittelte gegen die Gruppe als kriminelle Vereinigung.
Die Verbindungen zwischen den rechten Anhängern beider Vereine sind aber geblieben. Wenn sie sich nicht im Stadion treffen, dann beim sogenannten Gewalt-Trinker-Sport-Turnier, das alljährlich stattfindet. In diesem Jahr fand das Turnier im sächsischen Radebeul statt. Gewinner war die Fangruppierung Dresden-Ost. Deren Anhänger fallen immer wieder durch ihre Teilnahme an den Montagsdemonstrationen in Dresden auf. Pikantes Detail: Bei dem Turnier hing eine Zaunfahne mit der Aufschrift: »In Erinnerung Khaled I. Bahray«. Der 20jährige Eritreer war am 12. Januar 2015 in Dresden erstochen worden, Täter war ein 26jähriger eritreischer Mitbewohner von Bahray.
Dass seine Wutrede derart große Verbreitung fand, derart viel Zuspruch in den sozialen Netzwerken erhielt, erstaunte Cem Efe sehr. »Ich kenne die Leute alle gar nicht, aber finde es toll, dass sie uns dabei unterstützen«, sagte er. »Gott und die Welt« hätten sich bei ihm gemeldet, »90 Prozent fanden das, was ich gesagt habe, überragend«, erzählte der Babelsberger Coach der Welt. Aber es störe ihn, dass es auch Leute gebe, »die das jetzt politisch benutzen wollen«. Seiner Meinung nach sei Nationalismus »kein deutsches Phänomen«, und außerdem gebe es »überall schlimme Leute«. Seine Kritik richtete sich explizit an den Zwickauer Trainer, »ein Lehrer, der so tut, als wisse er von nichts«, dabei müsse ein Trainer als Vorbild fungieren. Efe zufolge war es schon das dritte Mal in Spielen gegen den FSV Zwickau, »dass ein gesamtes Team inklusive Trainerstab diese Faxen macht«.
Gegen diese Darstellung wehrte sich der sächsische Verein jedoch bis zuletzt. In einem Statement räumte die Vereinsführung zwar ein, dass ihr Spieler Marc-Philipp Zimmermann bestätigte, »dass er die Äußerung ›nur Ausländer hier‹ nach dem Spiel getätigt hat, unmittelbar nachdem er beim Gang Richtung Kabine von Babelsberger Zuschauern auf der Haupttribüne mit Bechern beworfen und beleidigt wurde«.
Als haltlos wurden dagegen die Vorwürfe zurückgewiesen, dass »Cheftrainer Torsten Ziegner im Verlauf des Regionalligaspieles beim SV Babelsberg 03 einen gegnerischen Spieler mit den Worten ›Scheiß Türke‹ beleidigt« habe. »Wir lassen uns nicht in eine Ecke drängen, wo wir nicht hingehören«, betonte Sportvorstand David Wagner immer wieder. Ziegner hatte zudem nach dem Spiel gegen Babelsberg geäußert: »Mit Aykut Öztürk haben wir einen türkischen Spieler, der sich bei uns sehr wohl fühlt.«
Ende November stellte das Sportgericht des Nordostdeutschen Fußballverbandes (NOFV) die Verfahren gegen Ziegner und Zimmermann unter Auflagen ein. Der Zwickauer Coach muss 1 000 Euro, der Spieler 500 Euro an das von den Babelsbergern initiierte Projekt »Welcome United 03« zahlen. Das Sportgericht betonte, dass der Entscheid »auch im Hinblick auf die zukünftigen Begegnungen der beiden Vereine und seiner Anhänger in den Meisterschaftsspielen der NOFV-Regionalliga Nordost und die bereits im Vorfeld von beiden Vereinen geäußerte Bereitschaft, sich weiterhin sportlich fair zu begegnen«, gefallen sei.