Gelöschte Präsidentin

<none>

Am besten tut man einfach so, als sei das alles nicht passiert. Vielleicht ist dies das Motiv der chinesischen Regierung, die Suchanfragen nach Tsai Ing-wen, der frisch gewählten Präsidentin Taiwans, im sozialen Netzwerk Weibo einfach zu blockieren. Wäre es nach der chinesischen Regierung gegangen, so wäre die Wahl wohl nicht auf Tsai Ing-wen, die Kandidatin der Fortschrittspartei (DPP), gefallen. Die aus der Unabhängigkeitsbewegung zu China entstandene Partei steht der Volksrepublik kritischer gegenüber als die bisher in Taiwan regierende Nationale Volkspartei Chinas (KMT). 56 Prozent der Stimmen und 68 von 113 Sitzen gewann die DPP in der Wahl am 16. Januar. Erstmals in der Geschichte Taiwans verfügt die KMT nun nicht mehr über eine Mehrheit im Parlament. Auch in Peking sah man deshalb ein, dass es nicht damit getan sein wird, sich Tsai Ing-wen einfach wegzuwünschen. Stattdessen polterte die Regierung, man werde keinerlei »spalterische Aktivitäten für eine Unabhängigkeit Taiwans« tolerieren. Besser wäre es, wenn sich die neue Präsidentin zur Einheit mit China bekennen würde.
Das hat Tsai Ing-wen bisher nicht getan. Gegen die Einheit hat sie sich aber auch nicht ausgesprochen. Die Juraprofessorin gilt als vorsichtige Politikerin, die selten vorschnell reagiert. Das hat ihr schon den einen oder anderen Vergleich mit Angela Merkel eingebracht, deren heimlicher Fan sie angeblich ist. »Das demokratische System und die nationale Identität Taiwans müssen respektiert werden«, sagte sie nach der Wahl. Die gebürtige Taiwanesin beschäftigte sich schon früh mit der Frage der Unabhängigkeit Taiwans von China. Nachdem sie in den USA studiert und in London promoviert hatte, wirkte sie ab 1993 an der Ausarbeitung der Zwei-Staaten-Theorie unter Präsident Lee Teng-hui mit. Die Theorie stellt sich gegen den sogenannten Konsens von 1992, nach dem China ein Staat mit zwei unterschiedlichen Systemen ist. Eindeutig bekannt hat sich Tsai Ing-wen zu der Einheitslösung bislang nicht, wahrscheinlicher als der Aufstand gegen China ist dennoch, dass alles beim Alten bleibt. »Wir wollen beständige und berechenbare Beziehungen mit China pflegen«, ließ ihr Generalsekretär Joseph Wu verlauten. Neuigkeiten könnte es stattdessen für Taiwans LGBT-Community geben. Auf ihrer Facebook-Seite hat die Politikerin Videos gepostet, die sich für die gleichgeschlechtliche Ehe aussprechen.