Bei »Der Bachelor« geht es gar nicht um Liebe

Ganz viel Bachelor-Arbeit

Auf RTL wird nun wieder um Rosen, Dreamdates und den Einzug ins Finale gekämpft. Kein Verständnis für die Kandidatinnen der Show hat Jacinta Nandi.

Die Leser dieser Zeitung werden lachen, wenn ich sage, wie viel ich recherchiert habe, um diesen Artikel zu schreiben: sehr viel. Ich musste das machen, denn ich hatte den »Bachelor« nie zuvor gesehen, nur vage davon gehört. Zuerst versuchte ich, das »Bachelor«-Finale 2015 anzuschauen, aber ich verstand nur Bahnhof. Dann bemerkte ich, dass ich aus Versehen den Schweizer »Bachelor« geguckt habe. Erleichtert, dass mein Deutsch nicht so schlecht ist, wie ich befürchtet hatte, guckte ich zehn Minuten des deutschen »Bachelor« an. Was passiert da?, fragte ich mich verwirrt. Was ist da passiert? Warum machen die Frauen das? Dann guckte ich ganze acht Minuten des australischen, 20 Minuten des britischen und zwei ganze Folgen von den Amis.
Ich guckte die Sendungen an, aber ich verstand sie nicht, selbst dann nicht, wenn ich all die Worte, die die Teilnehmerinnen gesagt hatten, verstand. Ich verstand nicht, warum es die Sendung gibt und warum die Frauen da mitmachen. Mir ist schon klar, dass es inszeniert ist, aber ich verstand überhaupt nicht, warum die Frauen nicht begriffen, dass es inszeniert war. Versteht jemand das?
»Ich gucke Bachelor«, schrieb ich über Facebook an einen Kumpel.
»Sag mir nicht, dass du das gut findest!« warnte er. Er ist ein bisschen traumatisiert, weil er weiß, dass ich »Gute Zeiten, schlechte Zeiten« ganz anguckbar finde.
»Ich verstehe nicht, was da passiert«, schrieb ich zurück.
»Ich sage dir, was da passiert«, antwortete er. »Diese Frauen kriegen niemals die totale Gleichberechtigung, solange sie bei so was mitmachen.«
Das stimmt natürlich. Obwohl: Wird es je die völlige Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen geben? Ich glaube nicht, ehrlich gesagt. Männer sind stärker als Frauen – okay, okay: Viele Männer sind stärker als viele Frauen – viele Männer sind viel stärker als viele Frauen, aber ein paar Frauen sind doch stärker als der durchschnittliche Mann. Gebe ich zu. Doch nicht genügend, um jemals eine völlige Gleichberechtigung zu ermöglichen. Die Männer werden immer stärker sein und schneller laufen.
Und dann gibt es die Kinder und die Geburt und die Schwangerschaft und so. Es werden immer überwiegend die Frauen sein, die gebären und stillen müssen, abgesehen von den Transmännern, natürlich, Kinderkriegen wird überwiegend Frauenarbeit sein – und es ist eine Arbeit, deswegen heißt Gebären auf Englisch labour. In der Zeit nach der Geburt ist man nicht mehr unabhängig – von irgendjemandem ist man in dieser Zeit ein bisschen abhängig – entweder vom Staat oder Partner. Sogar Beyoncé ist keine unabhängige Frau in diesen Monaten nach der Geburt. In einem kapitalistischen System, egal wie feministisch gestaltet, wird es niemals die totale Gleichberechtigung geben, und ich denke, dass es deswegen überhaupt nicht erstrebenswert ist. Und deswegen ist es nämlich eigentlich total okay, wenn (sogar deutsche) Männer Frauen mit Koffern an der Treppe helfen, oder dass Frauenquoten (oder eine noch bessere Idee: Alleinerziehendenquoten!) eingeführt werden.
Trotzdem: So schwach sind Frauen nicht, wie sie gemacht worden sind. Das ist euch klar, oder? Wenn wir Frauen soooo schwach gewesen wären, dann hätten die Männer uns nicht so sehr unterdrücken müssen. Neulich ist sogar rausgekommen, dass die Welt bei den Höhlenmenschen gar nicht so sexistisch war, wie wir immer gedacht haben! Jetzt wissen wir, dass das Patriarchat eigentlich nichts mit der Natur zu tun hat. Die Unterdrückung der Frauen, die stattgefunden hat, war pervers. Es war pervers, es war abartig. Frauen sind schwächer als Männer – aber wir sind trotzdem Menschen. Dass Männer Frauen mit den Koffern helfen, ist normal, aber dass Frauen kein Land besitzen dürfen, ist krank.
Die Frauen haben so viele Fortschritte gemacht in den vergangenen Jahren. Man muss nur die eigene Familie angucken, und ein bisschen dankbar sein: Meine Mama musste die Schule mit 16 verlassen, weil »Mädchen sowieso heiraten«. Aber schau dich in der Pop-Kultur um, wenn du wissen willst, wie weit wir gekommen sind. Vergleiche zum Beispiel die Sextipps, die in der Dr.-Sommer-Kolumne in den siebziger Jahren gegeben wurden, mit der Aufklärung von heute. Es ist nicht alles perfekt, aber es ist besser geworden. Vergleiche mal James Bond aus den Siebzigern mit dem letzten James Bond. Vergleiche mal Doctor Who! Vergleiche mal Star Wars. Die Frauen werden nie ganz gleichberechtigt sein, aber wir könnten befreit werden und langsam, langsam, allmählich werden wir befreit.
Aber jetzt deprimiere ich euch. Vergleicht man »Der Bachelor« mit »Herzblatt«, wird man depressiv. Man verliert fast seinen Lebensmut, denn der »Bachelor« ist so viel frauenfeindlicher, als »Herzblatt« es jemals gewesen ist. Bei »Herzblatt« wussten alle, dass es nur Spaß war, nur eine Show – und deswegen war die Erniedrigung nicht so krass wie beim »Bachelor«. Nein, frauenfeindlich ist das falsche Wort. Es ist menschenverachtend. Und die Menschen, die verachtet werden, sind zufälligerweise Frauen. Es geht überhaupt nicht um Liebe. Es geht darum, erniedrigt zu werden.
Aber die Frage ist: Warum machen die Frauen da freiwillig mit? Warum tun sie das? Manchmal denke ich, dass es was mit ihrer Unterdrückung zu tun hat. Jetzt wollen sie es sich zumindest ausgesucht haben, dass sie erniedrigt und verachtet werden.
»Die Frauen, die bei ›Bachelor‹ mitmachen, sind so dumm«, sagt mir eine deutsche Freundin. »Ich finde das so unfair, den Akademiker-Frauen gegenüber. Wenn man sagt als Akademiker-Frau, ich habe einen Bachelor, denken alle, dass du so eine dumme Tussi bist, die bei dieser Kacksendung mitgemacht hat.«
Ich mag’s nicht, wenn Menschen andere Menschen als dumm einstufen, aber ich glaube ehrlich gesagt auch, dass diese Frauen dumm sind. Ich meine das nicht abwertend! Denk’ an das Wort innocent. Als ich meinen Roman auf deutsch schrieb, gebrauchte ich oft die Formulierung »unschuldig«, also »sagte er unschuldig« oder »meinte sie unschuldig«. Ich meinte das im Sinne von innocently. Meine Lektorin hat’s geändert in »ahnungslos«. Die Frauen, die sich freiwillig beim »Bachelor« bewerben, sind beides: Sie sind ahnungslos und unschuldig. Aber diese Typen, die mit der Erniedrigung ahnungloser, unschuldiger Menschen Geld machen, sind schon Verbrecher für mich und ich verachte sie richtig.