Moral und Geschichte

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Eigentlich hatte er gut angefangen. Jahrzehntelang kämpfte der Geschichtslehrer und spätere Professor Laurent Gbagbo in der Côte d’Ivoire gegen die autoritäre Herrschaft von Präsident Félix Houp­houët-Boigny, der seit der Unabhängigkeit das Land von bis zu seinem Tod 1993 regierte, und organisierte als Gewerkschafter Streiks. Wegen seines politischen Engagements wurde Gbagbo mehrmals inhaftiert, in den Achtzigern lebte er einige Jahre im Exil in Frankreich. Bei den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2000, die auf einen Militärputsch folgten, konnte er als Oppositionskandidat seiner Partei FPI schließlich den Sieg erringen – nachdem andere Bewerber, darunter der derzeit amtierende ivorische Präsident Alassane Ouattara, ausgeschlossen worden waren. An der Macht hielt Gbagbo auch nach dem Ende seiner regulären Amtszeit fest, die Wahlen ließ er immer wieder verschieben. 2002 war nämlich ein Bürgerkrieg ausgebrochen: Rebellen im Norden, die mit Ouattara verbunden waren, kämpften gegen die Regierung Gbagbos und den Süden. Auch nach dem Friedensabkommen 2007 wurde der ethnisch aufgeladene Konflikt nie wirklich gelöst, wie die Ereignisse ab 2010 zeigten. Da stellte sich Gbagbo endlich einer Präsidentschaftswahl, erkannte aber den Sieg Ouattaras nicht an. Es folgten Monate bürgerkriegsähnlicher Gewalt durch Anhänger beider Lager, mehr als 3 000 Menschen wurden ermordet, bis Gbagbo am 11. April 2011 von französischen und UN-Truppen und den Rebellen festgenommen wurde.
Am Donnerstag vergangener Woche hat nun der Prozess gegen den 70jährigen Gbagbo und seinen ehemaligen Jugendminister und Milizenführer Charles Blé Goudé vor dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGh) begonnen. Ihnen werden Verbrechen gegen die Menschheit vorgeworfen, sie streiten die Verantwortung für die Verfolgung, Ermordung und Vergewaltigung vermeintlicher politischer Gegner ab. Bislang kam es selten zu Verurteilungen durch den IStGh, da er auf die Kooperation der betroffenen Staaten angewiesen ist – Ouattara hatte seinen Widersacher ausliefern lassen. Obwohl der IStGh auch gegen Ouattaras Lager ermittelt, werfen einige Beobachter dem Gericht nun »Siegerjustiz« vor. Doch gegen einen amtierenden Präsidenten kann kaum vorgegangen werden, Ouattara wurde erst im Oktober wiedergewählt. Mit Gbagbo trifft es sicher nicht den Falschen, aber es trifft eben auch längst nicht alle Richtigen.