»Falschmeldungen sind ein bewusst eingesetztes politisches Instrument«

Propaganda gegen Geflüchtete boomt. Vielerorts verbreiten sich abenteuerliche Gerüchte über sie. Im bayerischen Prien etwa soll das Landratsamt einer »Schwarzafrikanerin« eine Haarverlängerung samt Flechtung für 720 Euro bezahlt haben – aus religiösen Gründen. Andernorts erzählt man sich von Vergewaltigungen, von Diebstahl und Raub. Allerdings: Viele der Geschichten entbehren jeder Grundlage. Häufig gibt es Gegendarstellungen in Medien oder von staatlichen Stellen, wie etwa der Polizei. Die neue Webseite www.hoaxmap.org soll den Gerüchten und Falschmeldungen Fakten entgegensetzen. Auf einer Karte werden die Fälle mitsamt Gegendarstellung gesammelt. Karolin Schwarz, die Macherin der »Hoaxmap«, sprach mit der Jungle World über Schwäne in Kochtöpfen und Lügenmärchen über Geflüchtete.

Warum ist die Hoaxmap eine Karte und kein Blog oder Ähnliches?
Die Hoaxmap sammelt den unglaublich großen Wust von Gerüchten über Geflüchtete. Gerüchte, die vor allem seit Mitte letzten Jahres verbreitet werden. Sie werden auf einer Karte dargestellt, um zu visualisieren, dass sie oft sehr spezifisch regionale Bezüge haben. Es wird spannend zu beobachten sein, ob es auch regionale Schwerpunkte gibt, die sich selbstverständlich über die Karte besser darstellen lassen würden. Außerdem gibt es eine sortierbare Listenansicht, mit der man arbeiten kann.
Ist bereits so ein regionaler Schwerpunkt festzustellen?
Die meisten Geschichten kommen zurzeit aus Bayern. Aber es gibt noch keine tiefergehenden Auswertungen der Daten. Das steht noch auf der To-do-Liste.
Wie läuft das technisch ab? Wie kommen die Daten in die Karte?
Die Fälle werden via Twitter, Suchmaschinen und Mail­alerts von Google gesucht. Seit dem Start der Seite kommen auch oft Hinweise von Leuten, die mich über E-Mail und Twitter erreichen. Sie werden in einer Tabelle gesammelt und eine Javascript-Lösung sorgt am Ende für die Darstellung.
Was soll das alles bringen?
Ich wollte für mich Ordnung in die ganzen Geschichten bringen, weil ich das Gefühl hatte, dass es immer mehr und unübersicht­licher wird. Man ist ständig mit diesen Meldungen oder deren Widerlegungen konfrontiert. Es war einfach nicht greifbar. Außerdem habe ich die Hoffnung, dass es auch eine Argumentationshilfe ist. Also: Person XY hört das Gerücht, dass da Schwäne irgendwo von Geflüchteten gegessen wurden, kann dann in die Map schauen und findet eine Widerlegung der Geschichte.
Welche Relevanz haben Falschmeldungen und deren Aufdeckung?
Die Falschmeldungen sind ein bewusst eingesetztes politisches ­Instrument. Seine Nutzung verbreitet sich extrem. Die Gerüchte werden absichtlich gestreut, um Stimmung gegen Geflüchtete insgesamt zu machen. Die Gegendarstellungen haben nicht annähernd so viel Reichweite.
Geht es nur um Gerüchte, die die Geflüchteten schlecht dastehen lassen sollen? Was ist mit angrenzenden Fällen, wie etwa der ­Geschichte über einen angeblich gestorbenen Flüchtling am Berliner Landesamt für Gesundheit (Lageso)?
Das Lageso ist mit drin. Ich glaube allerdings, dass die Gegenseite nicht ganz so häufig mit Gerüchten arbeitet. Wenn es jedoch vorkommt, ist es uns wichtig, das auch aufzunehmen. Es gibt nicht nur Gerüchte über Geflüchtete, sondern über »Nordafrikaner«, »Dunkelhäutige« und »Südländer«. All das ist auch drin, weil es eben synonym genutzt wird.
Wie sind die Reaktionen, die Sie bekommen haben?
Überwältigend positiv. Ich glaube, wir haben da einen Nerv getroffen. Es wird enorm viel genutzt. Offenbar gab es da eine Lücke, bei der wir jetzt gucken, dass wir sie füllen.