Abschiebung eines jüdischen Rentnerpaars

Abschieben ohne Hindernisse

Ein jüdisches Rentnerpaar wurde von Mecklenburg-Vorpommern nach Ungarn abgeschoben. An der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen Zweifel.

Die Abschiebung eines jüdischen Rentnerpaares nach Ungarn sorgt für ei­nige Irritationen in Mecklenburg-Vorpommern. Vor zwei Wochen wurden die Eheleute Zinaida und Oleksandr Beiner mitten in der Nacht gemäß der Drittstaatenregelung in das EU-Land abgeschoben, das sie als erstes betreten hatten. Zuvor waren die Anträge des aus der Ukraine stammenden Paares auf eine Ausnahme für jüdische Auswanderer und die auf die Absage folgenden Widersprüche abgelehnt worden.
Marion Schlender, die Sprecherin des Schweriner Innenministeriums, be­stätigte der Ostsee-Zeitung, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Abschiebung veranlasst habe, da »die Reisefähigkeit gegeben« war. Ausgeführt wurde sie von der Ausländerbehörde des Landkreises.
Seit 25 Jahren haben Juden und Personen mit jüdischen Vorfahren aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion die Möglichkeit, als Kontingentflüchtlinge nach Deutschland einzureisen. Grundlage dafür ist ein Beschluss der Innenministerkonferenz vom 9. Januar 1991. Diese Regelung gilt bis heute, nur Personen aus den EU-Staaten Estland, Lettland und Litauen sind ausgenommen.
Zudem war der 69jährige Oleksandr Beiner einem Attest der Universitätsklinik Greifswald zufolge nicht reisefähig. Ende November hatten Ärzte ein Hüftgelenk des Mannes durch ein künstliches ersetzt. Der Rentner hätte frühestens im Juni transportiert werden dürfen, bestätigte Professor Harry Merk von der orthopädischen Abteilung der Greifswalder Universitätsklinik in dem fraglichen Attest. Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Rostock, Juri Rosov, zeigte sich in der Ostsee-Zeitung entsetzt über die Behandlung der beiden Mitglieder seiner Gemeinde. Über die Härtefallkommission Mecklenburg-Vorpommern habe man vergeblich versucht, die Abschiebung zu verhindern, berichtete Lutz Münchberg, ein Freund der Beiners, der Ostsee-Zeitung. Der mecklenburgische Landesvorsitzende der Grünen, Andreas Katz, ist ebenfalls mit dem Fall vertraut. »Das Ehepaar hatte sich darauf verlassen, dass seine konkrete Bedrohung in der Ukraine als Verfolgung oder zumindest als Abschiebungshindernis anerkannt würde«, sagte der Politiker der Jungle World. Seinen Informationen zufolge ist es sogar fraglich, ob die Abschiebung überhaupt legal war. Sei sie wider geltendes Recht erfolgt, müsse eine Rückkehr ermöglicht werden, fordert Katz.
Die Geschichte des Ehepaars Beiner scheint kein Einzelfall zu sein. So berichtet Katz weiter, dass »der erhöhte Abschiebungsdruck vielfach Roma und Juden aus Russland und Osteuropa betrifft, die dort noch immer ras­sistischer Diskriminierung bis an die Grenze der Verfolgung ausgesetzt« seien. In der Öffentlichkeit werde das aus »lauter Erleichterung, dass die Flüchtlingszahlen aus Osteuropa zurückgehen«, überhaupt nicht mehr zur Sprache gebracht. Die Landtagsfraktion der Grünen will die Abschiebung des Ehepaars im Landtag thematisieren. Derzeit sind Zinaida und ­Oleksandr Beiner in Ungarn interniert.
In einem gemeinsamen Appell des Verbands der Jüdischen Glaubensgemeinschaften sowie der Vereinigung der Roma in Polen wird derzeit darauf aufmerksam gemacht, dass noch immer Menschen, die in den nationalsozialistischen Ghettos arbeiteten, ihre Rente vorenthalten wird. Dabei handelt es sich vor allem um Juden und Roma, die als Kinder in Ghettos arbeiten mussten.
Die Bundesregierung verweist darauf, dass »unter gewöhnlichen Bedingungen« nicht davon auszugehen sei, dass für ihre Lohnarbeit Rentenbeiträge gezahlt wurden. Der Gesetzeslage zufolge gibt es in Deutschland erst nach 60 Monaten Lohnarbeit und entsprechenden Einzahlungen eine Rente. Keines der Ghettos existierte jedoch so lange. Deshalb werden auch sogenannte Ersatzzeiten eingerechnet, zum Beispiel wenn ein ehemaliger Insasse nach seiner Zeit im Ghetto in einem Versteck lebte. Um jedoch diese Zeiten angerechnet zu bekommen, muss damals das 14. Lebensjahr vollendet gewesen sein. Wer vor diesem Zeitpunkt fliehen konnte oder bei der Auflösung des Ghettos noch nicht so alt war, geht weiterhin leer aus.