»Es gab bis heute keine Gegenüberstellung«

Vor vier Jahren erschoss ein Unbekannter in Berlin-Neukölln den 22jährigen Burak Bektaş auf offener Straße und verletzte zwei weitere Männer schwer. Der Mord ist ebenso wenig aufgeklärt wie die Frage, ob er aus rassistischen Gründen geschah. Die »Initiative zur Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş« macht weiterhin auf den Fall aufmerksam. Sie verfolgt auch den Prozess gegen Rolf Z. Der Mann soll 2015 in Berlin-Neukölln den Briten Luke Holland erschossen haben und taucht auch in den Akten zum Fall Burak Bektaş als Verdächtiger auf. Jens Reiche von der Neuköllner Initiative hat mit der Jungle World gesprochen.

Wie begeht Ihre Initiative den vierten Jahrestag des Mordes an Burak Bektaş?
Am Todestag, dem 5. April, haben wir bisher immer eine Demonstration veranstaltet. Dieses Jahr wird sie erst am Samstag, den 9. April, stattfinden. Die Demonstration wird um 14 Uhr an der Stelle losgehen, wo Burak erschossen wurde, und bis zur S-Bahnstation Neukölln führen. Dort befindet sich die Ringbahnstraße, wo Luke Holland ermordet wurde. So stellen wir mit der Demonstrationsroute symbolisch eine Verbindung zwischen den beiden Ermordeten her. Am Jahrestag des Mordes haben wir dieses Mal eine Kundgebung an der S-Bahnstation Herrmannstraße abgehalten. Zudem halten wir auch jährlich an Buraks Geburtstag, dem 14. Februar, eine Kundgebung am Tatort ab. Dieses Jahr kamen ungefähr 200 Teilnehmer zusammen.
Bleibt die öffentliche Aufmerksamkeit für den Fall Burak Bektaş über die Jahre gleich?
Wir waren am Sonntag in Südneukölln unterwegs, haben Flyer verteilt, Plakate aufgehängt und dabei mit Anwohnerinnen und Anwohnern gesprochen. In der Bevölkerung ist das Erschrecken groß, wenn klar wird, dass der Mord an Burak auch nach vier Jahren nicht aufgeklärt ist. In den Medien hat sich die Aufmerksamkeit wieder erhöht nach dem Mord an Luke Holland. Er wurde am 20. September 2015 erschossen. Es hat sich herausgestellt, dass der mutmaßliche Mörder Rolf Z. bereits in der Akte zu Buraks Fall auftauchte. Dadurch wurde deutlich, dass die Ermittlungsbehörden manchen Spuren nicht nachgehen. Und es stellt sich die Frage: Wenn im Fall Burak ordentlich ermittelt worden wäre, wäre dann der Mord an Luke Holland verhindert worden? Die gemeinsame Pressekonferenz von Angehörigen von Burak und Luke Holland im Januar hat ebenfalls bundesweit für Resonanz gesorgt.
Für das Bundesinnenministerium hat der Mord an Burak Bektaş keinen »Staatsschutzcharakter«, weshalb die Bundesanwaltschaft nicht zuständig ist. Was bedeutet das für weitere Ermittlungen?
Wir haben den Eindruck, dass die Polizei nicht mehr ermittelt. Es findet zwar der Prozess gegen den mutmaßlichen Mörder von Luke Holland statt. Aber es wird versucht, den Mord an Burak vollständig herauszuhalten. Es gab im Prozess Anträge der Nebenklage, die Akten zu Burak hinzuzuziehen. Dies wurde vehement von Staatsanwaltschaft und Gericht abgelehnt. Der Staatsanwalt hat offenbar keine Lust, in diese Richtung zu ermitteln.
Könnten die überlebenden Freunde von Burak Bektaş Rolf Z. nicht identifizieren, sollte er der Mörder sein?
Nach Luke Hollands Ermordung haben sich die beiden überlebenden Freunde Buraks, die bei dem Mordanschlag schwer verletzt wurden, an die Polizei gewandt und zu einer Gegenüberstellung mit dem mutmaßlichen Mörder in dem neuen Fall bereiterklärt. Die Polizei hat das abgelehnt mit der Begründung, im Fall der Ermordung Buraks sei nicht von einem Täter mit Bart die Rede gewesen.
Zwischen den Morden liegen dreieinhalb Jahre. Zeit genug, sich einen Bart wachsen zu lassen.
Ja. Es gab dennoch bis heute keine Gegenüberstellung. Dabei ließe sich so ausschließen, dass der mutmaßliche Mörder von Luke Holland vorher noch weitere Morde begangen haben könnte. Das ist ein Hinweis darauf, dass die Polizei nicht in diese Richtung ermitteln will.