Die CSU legt einen Gesetzentwurf zur Integration vor

Integration auf bayerisch

Die CSU hat einen Entwurf für ein bayerisches Integrationsgesetz vorgelegt. Statt auf Hilfe und Unterstützung setzt die Landesregierung auf die Drangsalierung von Einwanderern.

Im Frühjahr 2015 sah alles noch ganz anders aus: Damals wies die bayerische Landesregierung den Vorschlag der Opposition brüsk zurück, ein landeseigenes Integrationsgesetz auf den Weg zu bringen. Nun, ein Jahr später, hat der bayerische Ministerrat doch einen eigenen Gesetzentwurf vorgelegt. Statt der grundsätzlichen Änderung der Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik, die damals die Opposition und zahlreiche antirassistische Verbände und Initiativen forderten, plant das Kabinett eine Verschärfung gesetzlicher Vorgaben.
Im Mittelpunkt des Gesetzentwurfs der CSU steht die Verpflichtung zur Integration und zur »unabdingbaren Achtung der Leitkultur«, die vor allem über die »Werte und Traditionen des gemeinsamen christlichen Abendlandes« definiert wird. Zudem soll durch diese »Leitkultur« jeder Einzelne »zur Wahrung des Rechts und zur Loyalität gegenüber Volk und Verfassung, Staat und Gesetz verpflichtet« werden.
Auch das Leistungsprinzip gehört für die CSU zur bayerischen »Leitkultur«. So heißt es in der Präambel des Gesetzentwurfs, dass »in erster Linie jeder zunächst selbst verpflichtet ist, Verantwortung für sich und die Seinen zu übernehmen und sein Möglichstes dazu beizutragen«. Eine Begründung bleibt die CSU nicht schuldig: »Die Gemeinschaft kann nur leisten, was gemeinsam von allen erwirtschaftet wird, und darf daher von jedem seinen Beitrag erwarten.« Auf diese »Leitkultur« sollen Kindergärten, Schulen und andere Bildungseinrichtungen ebenso verpflichtet werden wie die öffentlich-rechtlichen Medien. Auch Unternehmen werden in die Pflicht genommen. Sie sollen künftig mit Hilfe staatlicher Förderung ihren Mitarbeitern die »Leitkultur« nahebringen und Integrationsprogramme anbieten.
Die zahlreichen Pflichten der Inte­gra­tion, wie das Erlernen der deutschen Sprache und die Anerkennung des Grundgesetzes und der bayerischen Verfassung, nehmen im Gesetzentwurf ebenso großen Raum ein wie die Strafandrohungen bei Nichterfüllung dieser Pflichten. Sämtliche aufgeführten Fördermaßnahmen werden hingegen unter einen Finanzierungsvorbehalt gestellt. Ein einklagbarer Rechtsanspruch auf Förderung wird sogar explizit ausgeschlossen.
Statt auf Unterstützung setzt die CSU auf Drangsalierung. Nehmen Einwanderer beispielsweise einen Sprachkurs in Anspruch und können diesen nicht mit einem zufriedenstellenden Ergebnis beenden, sollen sie nachträglich zur Erstattung der Kosten verpflichtet werden. Ebenso soll, wer für Behördengänge künftig einen Dolmetscher benötigt, gegebenenfalls selbst für die Kosten aufkommen. Selbst anerkannten Flüchtlingen möchte die Landesregierung in Zukunft den Wohnort vorschreiben, obwohl der Ministerrat in seinen Ausführungen zum Gesetzentwurf selbstkritisch anmerkt, dass der Freistaat Bayern dafür auf Grundlage des Bundesrechts gar keine Berechtigung besitze.
Noch weiter geht der Entwurf, wenn es um die Befugnisse der Polizei geht. Diese soll künftig auch Einwanderer verfolgen, denen keine Straftat oder Ordnungswidrigkeit zur Last gelegt werden kann, die aber durch »demonstrative Regelverstöße« aufgefallen sind oder »durch offenkundig rechtswidriges Verhalten« erkennen lassen, dass ihnen »die Rechts- und Werteordnung in ihren Grundsätzen unbekannt oder gleichgültig ist«.
Die Konsequenz eines solchen Fehlverhaltens soll ein »Grundkurs über die Werte der freiheitlich-demokratischen Grundordnung« oder bei Nichtteilnahme eine Geldbuße sein. Außerdem kann, wer die »geltende verfassungsmäßige Ordnung« missachtet und »einer damit nicht zu vereinbarenden Rechtsordnung folgt«, mit einer Geldbuße von bis zu 50 000 Euro belegt werden – ohne dass der Person eine Straftat nachgewiesen worden wäre. Unter das geplante Integrationsgesetz fallen nicht nur neu ankommende Einwanderer. Auch alle Einwohner Bayerns, die mindestens einen Eltern- oder Großelternteil haben, der in der Vergangenheit nach Deutschland eingewandert ist, wären betroffen, selbst wenn sie längst einen deutschen Pass besitzen.
Der Gesetzesentwurf beinhaltet auch zahlreiche Änderungen anderer Gesetze und Verordnungen mit erheblichen Auswirkungen sowohl auf Migrantinnen und Migranten als auch auf alle anderen Bewohner Bayerns. So sollen durch eine Änderung im Polizeiaufgabengesetz polizeiliche Maßnahmen wie Personenkontrollen, die Abnahme von Fingerabdrücken, die Erstellung von Lichtbildern oder die Feststellung äußerlicher körperlicher Merkmale und Vermessungen ohne richterlichen Beschluss oder ohne dass Gefahr im Verzug wäre, an Bewohnern von Flüchtlingsunterkünften vorgenommen werden können. Des weiteren können dem Entwurf zufolge die Wohnungen in den Unterkünften jederzeit ohne richterlichen Beschluss durchsucht werden. Mit einer Änderung des Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen sollen zudem Flüchtlingskinder, die in einer Unterkunft untergebracht sind, von der Schulpflicht ausgenommen und damit faktisch aus dem Schulbetrieb ausgeschlossen werden.
Die bayerische Landesregierung will auch die Gemeinde-, Landkreis- und Bezirksordnungen ändern. Im Bezug auf Bibliotheken, Schwimmbäder und andere öffentliche Einrichtungen heißt es im Entwurf: »Die Zulassung nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer kann von einer vorherigen Belehrung und der ausdrücklichen Anerkenntnis der bestehenden Vorschriften abhängig gemacht werden.« Darüber hinaus ist auch eine Änderung des Wohnungsbindungsgesetzes vorgesehen. Das Innenministerium soll demnach künftig die Möglichkeit haben, über die Vergabe jeder öffentlich geförderten Wohnung zu bestimmen, um »dafür Sorge zu tragen, dass möglichst nur Wohnungssuchende benannt werden, deren Zuzug einseitige Bewohnerstrukturen weder schafft noch verfestigt«. Hier zeigt sich am deutlichsten, dass sich der Gesetzentwurf nicht nur gegen in Bayern lebende Migrantinnen und Migranten richtet. Ausdrücklich bezieht sich der neue Passus nämlich neben Einwanderern auch auf »unterschiedliche Bildungs-, Einkommensschichten und Milieus«.
Die Kritik am Gesetzesvorhaben der CSU nimmt zu. So bezeichnet die Vorsitzende der Landtagsfraktion der Grünen, Margarete Bause, den Vorschlag als »untauglichen Versuch, den ideologischen Begriff der Leitkultur in Gesetzesform zu pressen«. Dieses »Raushaltegesetz«, so Bause weiter, schließe »bestimmte Gruppen von Zugewanderten nicht ein, sondern aus«. Kritik kommt auch aus der SPD. Der Fraktionsvorsitzende Markus Rindersbacher hält den Vorschlag der CSU für verfassungswidrig. »Schwammige Formulierungen wie ›demonstrative Regelverstöße‹ oder ›Verunglimpfungen‹ widersprechen den Verfassungsgeboten der Normenklarheit und Bestimmtheit«, so Rindersbacher.
Auch außerhalb des Parlaments regt sich Widerstand. Auf Einladung verschiedener Gewerkschaftsgliederungen kamen Anfang April Vertreterinnen und Vertreter antifaschistischer Initiativen und Gruppen, zivilgesellschaftlicher Organisationen und Parteien zusammen, um über gemeinsame Proteste gegen die Pläne der CSU zu beraten. Die Zeit ist knapp. Die Landesregierung möchte das Gesetz noch vor der Sommerpause verabschieden.