Ash Kooshas Album »I aka I«

Hochfrequentes Gewusel

Die Musik Ash Kooshas strahlt trotz ihrer Kleinteiligkeit Ruhe aus.

Wer heute nach fortschrittlicher elektronischer Musik fragt, der könnte Namen wie Jlin, Brood Ma oder Rabit zur Antwort bekommen. Auch der iranisch-britische Musiker Ash Koosha wäre zu nennen. Alben wie Jlins »Dark Energy«, das in vielen Jahresbestenlisten 2015 ganz oben zu finden war, oder »Daze« von Brood Ma, das vor kurzem beim New Yorker Label Tri Angle erschien (Jungle World 14/16), servieren klanglich die volle Härte aus der digitalen Kältekammer. Hier scheint noch der letzte Spielraum für analoge Ungenauigkeiten der klinischen Programmierkunst gewichen. Jeder Sound schneidet gläsern durchs Hirn und die Beats sind wie mit dem Skalpell ausgeschnitten und konstruiert. Was dabei herauskommt, ist ebenso beeindruckend, wie es oft nicht wirklich ein Vergnügen ist, dieser erbarmungslosen Musik zuzuhören. Nicht zuletzt kommt sie bei aller Filigranität der Konstruktion doch ziemlich aufgeblasen daher.
Obwohl es in vielerlei Hinsicht verwandt klingt, setzt sich das jüngste Album von Ash Koosha von solch kompromissloser Härte ab. Die Stücke auf »I Aka I« sind ebenso akribisch und kleinteilig angelegt, jedoch ohne eine sterile Laboratmosphäre zu erzeugen, wie einige Machwerke von Jlin. Der Sound ist mächtig und von Lo-Fi-Ästhetik kann keine Rede sein, aber auf so prollige Beat-Attacken, wie sie bei Brood Ma zu hören sind, verzichtet Ash Koosha.
Dem iranisch-britischen Musiker gelingt das Kunststück, seine Musik klingen zu lassen, als arbeiteten hier fortlaufend Elemente gegeneinander, ohne dass dadurch ihre Kohärenz beeinträchtigt würde, – ganz im Gegenteil erzeugt gerade diese permanente innere Spannung die Stimmigkeit der Stücke. In fast jedem Song auf »I Aka I« gibt es eine gedämpft klingende melodische Abteilung, die harmonisch eingängig komponiert ist und in eher gemächlichem Tempo daherkommt. Der Wohlklang der Melodien oder Flächen könnte weniger kantige Songs ganz gehörig scheitern lassen. Dass gerade diese Melodien so gut funktionieren, liegt daran, dass an ihnen stets ein hyperaktives Gewusel aus hochfrequenten Mickey-Mouse-Patterns zerrt, das die Nerven der Hörer ordentlich strapaziert. Die ruhigen Flächen bilden das nötige Gegengewicht und verleihen den Songs die finstere Blade-Runner-Atmosphäre. Wirken die Stücke beim ersten Hören aufgeregt und voller Details, so gibt ihnen die Schlüssigkeit, durch die jedes Motiv mit anderen verbunden ist, zugleich die Ausstrahlung innerer Ruhe.
Wie souverän »I Aka I« komponiert ist, erstaunt angesichts des Arbeitstempos, das sein Urheber an den Tag legt. Das vorangegangene Album »Guud« ist erst im vergangenen Sommer erschienen. Ash Koosha hat eben seinen ersten Film abgedreht und außerdem »das erste Virtual-Reality-Album der Welt« angekündigt. Beeindruckend ist dieses Pensum auch angesichts der Situation des Künstlers. Gemeinsam mit Freunden hat Ashkan Kooshanejad, wie er mit vollem Namen heißt, in Teheran im Film »No One Knows About Persian Cats« mitgespielt. Der Film beruht unter anderem auf der Geschichte Ashkans und seiner Mitmusiker und den Repressalien, denen sie als Indierockband im Iran ausgesetzt waren. Er feierte 2010 Premiere, während Koosha mit seiner Freundin Negar Shaghaghi in England war, um dort Konzerte zu spielen. Die wütenden Reaktionen auf den Film im Herkunftsland – die Koautorin des Films wurde der Spionage beschuldigt und zu einer achtjährigen Gefängnisstrafe verurteilt – machten den beiden klar, dass sie nicht zurückreisen konnten. Sie leben seitdem in London.
Ash Koosha: »I Aka I« (Ninja Tunes/Rough Trade)