Der Front National verteidigt die Repression gegen die Sozialproteste in Frankreich

Opfer in Uniform

Der Front National stellt sich demonstrativ an die Seite der Polizei und verurteilt die teilweise militanten Proteste gegen das geplante Arbeitsgesetz in Frankreich. Wenn es um das Gesetzesvorhaben geht, verwickelt sich die rechtsextreme Partei in Widersprüche.

Zeiten sozialer Auseinandersetzungen sind schwierig für den Front National (FN). Als Partei, die seit der Gründung 1972 auf nationaler Ebene stets Oppositionskraft war, kann der FN kaum die Regierung unterstützen, da es seiner Agitation gegen die »Altparteien« den Boden entziehen würde. Aber auch Gewerkschaften und sozialen Bewegungen, zumal wenn Linke in ihnen eine Rolle spielen, kann die rechtsextreme Partei kaum ihre Unterstützung anbieten, zumal sie ohnehin zurückgewiesen würde.
Doch zurzeit gibt es eine Bewegung, die der FN rückhaltlos unterstützt. Am Mittwoch vergangener Woche demonstrierten unterschiedlichen Angaben zufolge zwischen 1 000 und 7 000 Polizisten in Paris, in 60 weiteren französischen Städten fanden Kundgebungen statt. Mehrere Polizeigewerkschaften hatten dazu aufgerufen. Ihr Protest stand unter dem Motto »Gegen den Hass auf die Bullen« und verurteilte die militanten Auseinandersetzungen am Rande der Demonstrationen gegen das geplante Arbeitsgesetz. Die Zusammenstöße häufen sich seit Mitte März.
In Paris hatten die Polizisten die Place de la République symbolbewusst als Ausgangsort für ihre Demonstration am Mittwochmittag vergangener Woche gewählt, also den Ort, den die Gegner des Arbeitsgesetzes seit dem 31. März allabendlich einnehmen. Den Platz durfte zu dem Zeitpunkt nur betreten, wer einen Polizei- oder einen Presseausweis vorweisen konnte. Die beiden Abgeordneten des FN in der französischen Nationalversammlung, Marion Maréchal-Le Pen und Gilbert Collard, gelangten dennoch auf die Place de la République. Mit ihren Parlamentsausweisen können Abgeordnete in Frankreich an vielen Orten Zutritt einfordern, beispielsweise in Haftanstalten. Auf dem Platz wurden die beiden heftig umworben, auffällig viele Polizisten schossen ein Selfie mit Maréchal-Le Pen, der Enkelin des FN-Gründers Jean-Marie Le Pen. Allzu verwunderlich ist das nicht: Bei den Regionalwahlen im Dezember sollen 51 Prozent der Polizeibeamten für den FN gestimmt haben.
Der FN hatte auch Nichtpolizisten zur Teilnahme an der Demonstration aufgerufen, ebenso wie die rechtsextreme Jüdische Verteidigungsliga und die nationalkatholische, rechtsextreme »Allgemeine Allianz gegen Rassismus und für den Respekt der französischen Identität«. Es gelangten jedoch keine Normalbürger auf den Platz der Auftaktkundgebung. Die diensthabenden Kollegen der protestierenden Polizisten verlangten unerbittlich nach Polizei- und Presseausweisen.
Die Unterstützung für die Polizei als angebliches Hauptopfer der vor allem in Paris und in Städten wie Rennes, Nantes und Toulouse auch militant ausgetragenen Proteste gehört seit Wochen zum Repertoire des Front National. Ende April postete etwa Wallerand de Saint-Just, der frühere Rechtsanwalt des ehemaligen Parteivorsitzenden Jean-Marie Le Pen und Spitzenkandidat der Partei bei den Regionalparlamentswahlen im Dezember, auf Twitter eine Nachricht unter dem Titel: »Solidarisch bin ich mit ihm!« Ein Bild zeigte einen blutend am Boden liegenden Polizisten in Uniform. Die Presse deckte kurze Zeit später auf, dass die Aufnahme nicht von den Demonstrationen desselben Tags oder aus den Wochen zuvor stammte. Das Foto zeigte einen Polizisten, der vor zwei Jahren in Thailand verletzt worden war.
Ansonsten fällt de Saint-Just und seinen Parteifreunden zur Bewegung der Platzbesetzer der »Nuit debout« vor allem die Forderung nach einer möglichst sofortigen polizeilichen Räumung ein. Zum Arbeitsgesetz selbst, das seit Februar im Zentrum der Konflikte steht, am 12. Mai in erster Lesung durch die Nationalversammlung kam und im Juni im Senat debattiert werden soll, gibt die Partei jedoch keine eindeutigen Antworten. Denn zu ihrer Wählerschaft zählen sowohl viele Arbeiter und Angestellte als auch zahlreiche Kleinunternehmer. In seinen ersten Stellungnahmen Anfang März versuchte der FN deshalb angesichts seiner Wählerschaft, die unterschiedliche soziale Interessen verfolgt, vor allem, dem Kernthema auszuweichen.
Dabei konzentrierte er sich auf zwei Aspekte, die mit den zentralen Punkten des Gesetzes und den Protesten nicht unmittelbar zu tun hatten. Zum einen fokussierte sich die Partei auf die Frage der religiösen Toleranz in Unternehmen. Ein damals geplanter, eher drittrangiger Paragraph in dem Gesetzentwurf sah vor, dass »die Religionsfreiheit an Arbeitsplätzen gewährleistet ist, aber Einschränkungen unterworfen werden kann, wenn diese dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gehorchen und durch die beruflichen Anforderungen gerechtfertigt sind«. Die Absicht des Gesetzgebers wäre es dabei gewesen, die Anforderungen für gesetzliche Einschränkungen der Religionsfreiheit in Unternehmen zu präzisieren. Doch der FN präsentierte die Dinge genau andersherum: Die Regierung plane eine Islamisierung des Arbeitslebens, und daran erkenne man einmal mehr, welch großes Problem Frankreich doch mit Muslimen und Einwanderern habe. Inzwischen wurde der fraglich Artikel jedoch aus dem Gesetzentwurf entfernt.
Ebenfalls fernab vom Thema behauptete der FN, die Ursache allen Übels der Reform sei die Europäische Union. »Wer gegen das Arbeitsgesetz, aber nicht gegen die EU Stellung bezieht, beweist nur seine Inkohärenz«, warf die Parteivorsitzende Marine Le Pen den Gewerkschaften vor, von denen keine für einen EU-Austritt wirbt.
Ansonsten befürwortet der FN die Rücknahme des Gesetzentwurfs, begründet dies aber mal damit, dass das Vorhaben die Situation der Lohnabhängigen »prekarisiere«, so der stellvertretende Vorsitzende Florian Philippot, und mal damit, dass nicht genügend Freiheiten für »die kleinen Unternehmer« gewährt würden. Bisweilen stehen die widersprüchlichen Argumente sogar nebeneinander. Eine verbal scharf klingende Stellungnahme gegen das Gesetzesvorhaben wurde jedoch innerparteilich kritisiert. Vor allem in Südfrankreich, wo die Wählerschaft des FN wohlhabender ist als im Norden und Osten des Landes, protestierten Mandatsträger. Robert Ménard, der Bürgermeister von Béziers, griff im Figaro die »linkslastige Position« seiner Parteiführung an, auch Marion Maréchal-Le Pen äußerte sich ähnlich. Dank der Konzentration auf das Anliegen der Polizei und deren angebliche Opferrolle konnte die rechtsextreme Partei es jedoch in den vergangenen Wochen vermeiden, sich öffentlich tiefer in Widersprüche zum Thema Arbeitsgesetz zu verstricken.