Der Musiker Pantha Du Prince

Es wird unbehaglich

Pantha Du Prince sucht auf »The Triad« nach einer gerechteren Welt und verliert sich dabei im Blick zurück.

1925 verfasste der Kunstkritiker Franz Roh mit »Nach-Expressionismus« eine Abhandlung über die Entwicklung der neuen deutschen Malerei in der Weimarer Republik. Das Buch trägt den Untertitel »Magischer Realismus. Probleme der neuesten europäischen Malerei«. Anfangs noch synonym zur »Neuen Sachlichkeit« verwendet, bezog sich der Begriff des »Magischen Realismus« bald auf eine spezifische Ausprägung der Malerei, die jene wiederentdeckte Sachlichkeit eine unterschwellige Drehung zurück ins Mythische gab. Zwar blieb das Phänomen vorrangig auf Malerei und Literatur beschränkt, doch ließe es sich bis hinein in die gegenwärtige Popmusik und schließlich auch bei Pantha Du Prince aufzeigen.
Als Hendrik Weber unter diesem Künstlernamen 2004 sein Debütalbum »Diamond Daze« veröffentlichte, zehrten einige Bereiche der elektronischen Musik noch von der in den neunziger Jahren im Umfeld des Frankfurter Labels Mille Plateaux entstandenen Clicks-and-Cuts–Ästhetik. Die Gedanken der franzö­sischen Poststrukturalisten lieferten damals den theoretischen Hintergrund für allerlei musikalische Experimente. Neben der Musik von Künstlern wie Alec Empire und Terre Thaemlitz machte vor allem Oval von sich reden: Er manipulierte CDs etwa mit Filzstiften, brachte sie so beim Abspielen zum Stottern und Haken und verarbeitete die Sounds im Anschluss weiter.
Sechs Jahre später, 2010, erschien mit »Black Noise« Webers drittes Album, für das er vom in Berlin und Hamburg ansässigen Elektronika-Label Dial Records zum prestige- und geschichtsträchtigen Londoner Plattenlabel Rough Trade wechselte. Gleichzeitig verabschiedete er sich von minimalistischer House-Musik und beschäftigte sich vermehrt mit dem Verhältnis zwischen Natur und Technik. Auf »Black Noise« verwendete er Field Recordings, die in der Gegend um das Schweizer Bergdorf Atzmännig entstanden. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts hatte sich hier ein Unglück ereignet: Ein Erdrutsch begrub damals ein ganzes Dorf unter sich, es gab Tote, noch heute zeugt ein Schuttberg von der Katastrophe. Aufgrund dieser Vergangenheit hätten die von ihm aufgezeichneten Klänge von vornherein eine historische Dimension, sagte Weber damals der Taz und erklärte, er habe der Erhabenheit der Naturkräfte einen Ausdruck verleihen wollen.
Klanglich bewegte sich das Album in Richtung Ambient, die zentralen Elemente elektronischer Musik blieben jedoch erhalten. Das Ergebnis war ein Kunstgriff: träge wabernde Klangschwaden und schwere Bässe grollten über scheinbar leichtfüßig tänzelnden Beats. Tonangebend war bereits damals Webers Vorliebe für Glockenklänge, die 2012 in »Elements of Light«, einer Zusammenarbeit mit dem norwegischen Glockenensemble The Bell Laboratory, mündete. Zum Erhabenen gesellte sich so unausweichlich eine sakrale und mythische Note. Nicht ohne Grund also überschrieb die Spex damals ihre Rezension mit »Fortsetzung der Romantik mit den Mitteln von Techno« und charakterisierte die Musik als »gespenstisch alpinen Eiskristalltechno«. Das Etikett des Romantikers haftet Weber seither an und lässt sich auch mit »The Triad«, dem inzwischen fünften Album von ­Pantha Du Prince, nicht abstreifen.
Inspiration für seinen jüngsten Streich fand Weber unter anderem im Film. Der Titel »Frau im Mond, Sterne laufen« huldigt Fritz Langs 1929 erschienenem Science-Fiction-Stummfilm »Frau im Mond«, der den Erdtrabanten – zumindest in Webers Auslegung – als Ort der konkreten Utopie stilisiert. Weber bezieht sich immer wieder auf die Philosophie Ernst Blochs. Die Musik von Pantha Du Prince soll tagtraumähnliche Bewusstseinszustände hervorrufen, in denen Vorstellungen einer würdevoll eingerichteten Gesellschaft möglich werden. Ein Ansatz, der den Kern seines Klangkosmos auszumachen scheint: Hier driftet der Realismus ins Magische, bröckelt die Sachlichkeit zugunsten des Mythos. In Bezug auf »Frau im Mond« kommt die Frage nach einer besseren Welt als retrofuturistische Nostalgie daher: Als sehnsüchtiges Schwelgen in Erinnerungen an die Verheißungen einer Zukunft, die ­unsere Gegenwart kategorisch versperrt.
Nach all der digitalen Kälte menschelt es auf »The Triad« nun wieder – Webers Soloprojekt hat sich in Zusammenarbeit mit seinem ehemaligen Labelkollegen von Dial Records, Scott Mou (alias Queens), und Bendik Kjeldsberg von Bell Laboratory zum Trio ausgewachsen. Während »Black Noise« (und umso mehr dessen Vorgänger) noch ein digitaler Flickenteppich war, wurde für »The Triad« ein buntes Sammelsurium aus analogen Synthesizern verwendet. Gleichwohl ist die Referenz an die eigenen Wurzeln in der elektronischen Musik noch immer präsent – ohnehin in der Form des Tracks, vor allem jedoch im Fokus auf den Beat. In dieser Hinsicht erscheint die musikalische Entwicklung seit »Diamond Daze« auch als sukzessive Verklärung der technologischen ­Rationalität zugunsten einer Art von Magischem Realismus im Akustischen, wie ihn Franz Roh seinerzeit der Malerei attestierte.
Was aber hat diese Bewegung hin zur deformierten Idee des Natürlichen mit utopischen Gedanken zu tun? Bleibt bei der Vorstellung eines romantischen Utopia nicht das Schaudern der Vernunft? Im Kern der Künstlichkeit von Techno zumindest sind utopische Ideen fest verankert. Man denke nur an Jeff Mills’ Weltentwürfe der »Sleeper Wakes«-Serie, dessen Zusammenarbeit mit dem japanischen Astronauten Mamoru Mori auf »Where Light Ends« oder seinen alternativen Soundtrack »Woman In The Moon« zu eben jenem Fritz Lang-Film, der auch Weber inspirierte. Der mag unterkühlt technologisch klingen und doch steckt gerade darin noch immer mehr spekulatives Potential, als »The Triad« freisetzen könnte.
Pantha Du Prince: The Triad (Rough Trade/Indigo)