Wer braucht, was jeder kennt?

Els Molenaar: Gezagt of geslaagd (1967)

Wie viel ist eine Schallplatte wert? Im Internet gibt es zwei Seiten, die das beantworten: Discogs und Pop­sike. Discogs listet mitunter auch den zuletzt erzielten Höchstpreis einer Platte, Popsike führt nur vergangene Auktionspreise auf. Im Mai beispielsweise brachte die komplette Serie der 1984 erschienenen »Uns geht’s prima«-12-inch-EP von Die Ärzte – acht Platten mit verschiedenfarbigem Kreuz auf dem Cover – 2 000 Euro. Aber was ist eine Platte von den Beatles wert? Oder von Elvis? Da Hit-Platten meist in schlechtem Zustand sind, weil sie häufig abgespielt wurden, oft nur wenig. Ungespielte Exemplare von Beatles-Platten hingegen – Geschenke an eine Oma etwa, die nur Klassik hörte, oder Fehlkäufe von Klassik-Platten für den Teenager – sind selten und teuer. Leonid Kogans »Tchaikovsky Violin Concerto in D major Op. 35« erzielte, ebenfalls im Mai, 4 000 US-Dollar.
Dennoch verzerren Online-Auktionen die Preise. Im Laden sind Platten in der Regel billiger. Vor zwei Jahren kam ich in Wien mal durch Zufall genau in dem Moment in einen Plattenladen, als dort eine riesige Jazz-Sammlung angekauft wurde. Darunter auch ein Exemplar von Pink Floyds »Dark Side of the Moon« von 1973, das der Jazz-Sammler nie ausgepackt hatte. Gleich fragte ein Kunde nach dem Preis: 400 Euro. Der Idiot überlegte sogar noch. Wer braucht schon eine Platte, die jeder kennt? Ich kaufe lieber Platten, die ich weder je gesehen noch gehört habe.
Neulich entdeckte ich auf dem Flohmarkt in Istanbul eine niederländische Single, auf deren Backcover gleich eine ganze Reihe von Gruppen verzeichnet war: Mokum Beat Five, The Honest Men und Ronnie en de Ronnies. Ist es guter Beat? Wer weiß? Für einen Euro will ich es herausfinden. Zu Hause auf dem Plattenteller die Überraschung: ein toller Beat-Song! Ich finde die Platte bei Popsike. Endpreis einer Auktion im Jahr 2011: 115 Euro! Els Molenaars einzige Platte erschien 1967 auf dem kleinen niederländischen Label Negram. Bekannt wurde der heitere Antischul-Song »Gezagt of geslaagd« (Durchgefallen oder bestanden) durch Wiederveröffentlichungen. 1994 war er auf dem dritten Teil von Biet-Het enthalten, der niederländischen Garage-Beat-Compilation-Reihe, 2002 dann auf dem Sampler ­Beatmeisjes, der nur weibliche Interpreten präsentierte. Keeper! Die Platte behalte ich.