Kommentar - Die repressive Natur des neuen Prostitutionsgesetzes

Verbote ohne Schutz

Das »Prostituiertenschutzgesetz« verlangt von Sexarbeiterinnen die Einhaltung strenger Auflagen,
bringt ihnen jedoch wenig.

»Großrazzia im Großbordell« – es war ein gefundenes Fressen für die Boulevardpresse. Im »Artemis«, dem größten Bordell Berlins, herrschte der Staatsanwaltschaft zufolge »organisierte Kriminalität«, die Frauen würden dort »in Abhängigkeit gehalten und ausgebeutet«. Mit »Sklaven auf Baumwollfeldern« verglich sie ein Staatsanwalt am Morgen nach dem Großeinsatz mit 900 Beamten von Polizei, Zoll, und Steuerfahndung am 13. April. Die beiden Betreiber und vier im Bordell arbeitende »Hausdamen« wurden festgenommen. Die Vorwürfe lauteten auf Steuerhinterziehung, Schwarzarbeit, Sozialversicherungsbetrug – und Menschenhandel. Drei Monate später ist von den Anklagen nicht mehr viel übrig. Es bleibt der Verdacht der Scheinselbständigkeit: Die Prostituierten seien dort mutmaßlich in einem abhängigen Arbeitsverhältnis beschäftigt gewesen, die Betreiber hätten Sozialversicherungsbeiträge abführen müssen.
Der Einsatz war nicht nur Vorspiel des Berliner Wahlkampfs, in dem sich Innensenator Frank Henkel (CDU) als Law-and-order-Mann profilieren will, sondern auch Begleitmusik zur Einführung des »Prostituiertenschutzgesetzes«, das der Bundestag vor zwei Wochen verabschiedet hat. Die Razzia sollte demonstrieren, wie notwendig ein besserer »Schutz« der Prostituierten vor Ausbeutung und Menschenhandel sei. Doch die Maßnahmen des nun beschlossenen Gesetz sind sämtlich repressiver Natur: Prostituierte müssen sich registrieren lassen, regelmäßige verpflichtende Gesundheitsberatungen über sich ergehen lassen und einen »Hurenausweis« bei der Arbeit mit sich führen. Der größte Hohn ist die Mutterschutzklausel: Sie beinhaltet ein Arbeitsverbot für Prostituierte in den letzten sechs Wochen einer Schwangerschaft, sieht aber keine finanzielle Unterstützung vor. Von dieser Gestalt ist der ganze Schutz des Gesetzes: Auflagen und Verbote, aber keine Maßnahmen, die die soziale Situation von Prostituierten verbessern.
Besonders deutlich wird die Situation am Vorwurf der Scheinselbständigkeit, der gerne gegen Betreiber erhoben wird, wenn andere Vorwürfe, etwa der des Menschenhandels, sich nicht erhärten lassen. Natürlich wollen Bordellbetreiber, wie alle Unternehmer, wo möglich Sozialversicherungsbeiträge sparen. Doch ein normales Angestelltenverhältnis ist in der Prostitution kaum möglich, da die Ausübung des üblichen Weisungsrechtes gegenüber Angestellten in der Prostitution »dirigistische Zuhälterei« wäre. Das neue Gesetz verschärft die Situation noch: Prostituierte müssen ihre Beschäftigung jederzeit von einem Tag auf den anderen beenden können. Ein Bordellbetrieb kann aber ohne eine gewisse Eingliederung der Prostituierten nicht funktionieren. Es wäre dringend nötig, ein Modell der sozialversicherten Tätigkeit für Prostituierte jenseits des Angestelltenverhältnisses zu entwickeln. Vorschläge dazu gibt es, etwa den des Vereins Doña Carmen für die Ausgestaltung einer »arbeitnehmerähnlichen Selbständigkeit« in der Prostitution oder die Forderung nach der Anerkennung als freiem Beruf in Verbindung mit der Einführung einer Art Künstlersozialkasse für Prostituierte, die der Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen erhebt. Doch solche Forderungen lassen sich nicht so gut populistisch ausschlachten wie die Behauptung einer grassierenden »organisierten Kriminalität«.