Die niederländische »Migrantenpartei« Denk unterstützt die AKP

Zwischen Erdogan und Zwarte Piet

Die seit 2015 bestehende niederländische Partei "Denk" gibt sich als Migrantenpartei und Multikulti-Bewegung. Nahe stehen ihre Gründer auch der türkischen Regierungspartei AKP.

In der Nacht zum 16. Juli erschien auf der Facebook-Seite der »Bewegung Denk« ein euphorischer Bericht. »Die Demokratie hat gewonnen. Seit sie existiert, hat die Türkei viel unter Militärcoups zu leiden gehabt. Aber heute Nacht ist das türkische Volk aufgestanden und hat gezeigt, dass es für die Demokratie einsteht.« Wenig später verabschiedete sich die Parteileitung in den Urlaub. Ein Statement zur weiteren Entwicklung in der Türkei gebe es folglich nicht, so Tatjana Maul, die Pressesprecherin der niederländischen Partei Denk. Das Letzte, das man vor der Funkpause vernahm, kam von Tunahan Kuzu, einem der Mitbegründer von Denk: Während einer Demonstration in Rotterdam am Tag nach dem Putschversuch in der Türkei rief er zu Einheit und Ruhe unter den Nederturken auf. Dennoch wurden seit dem Putschversuch in den Niederlanden mehrere Kritiker des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan von dessen Partei AKP nahestehenden Personen bedroht oder misshandelt.
Wenn in den Niederlanden über die Türkei diskutiert wird, ist Denk immer auch ein Thema, immerhin spielte die Debatte über den Einfluss niederländisch-türkischer Organisationen eine wichtige Rolle für die Partei­gründung. 2014 wurden die Abgeordneten Tunahan Kuzu und Selcuk Öztürk aus der Fraktion der Sozialdemokraten ausgeschlossen. Sie wandten sich gegen ein neues integrationspolitisches Konzept, das konservative türkische Organisationen wie Millî Görüş und die Süley­mancı-Bewegung ebenso wie die staatliche Religionsbehörde Diyanet und die Gülen-Bewegung unter die Lupe nehmen wollte. Im Parlament blieben sie als »Gruppe Kuzu/Öztürk«, woraus 2015 Denk entstand. Seither präsentiert man sich als Vertretung »aller Niederländer« ungeachtet der Herkunft. »Gruppendenken und Rechtsruck« will man ein Bekenntnis zu Diversität und Gleichheit entgegensetzen und so die gesellschaftlichen Gegensätze überwinden: die »Wir-gegen-die-Stimmung«, die Kluft zwischen Bürgern und Politik und die zwischen Alteingesessenen und Immigranten.
Natürlich löst das Diskussionen aus in einem Land, in dem Integration seit 15 Jahren heftig umstritten ist und in dem man noch immer verbissen über den rassistischen Gehalt der traditionellen Figur Zwarte Piet debattiert, des schwarzen Helfers vom Sinterklaas (Nikolaus). Wie aufgeladen die Stimmung ist, zeigte der Fall Sylvana Simons. Die aus Surinam stammende Fernsehmoderatorin gab im Mai bekannt, für Denk zu kandidieren. Es folgten reihenweise rassistische Ausbrüche in sozialen Medien. Ob Befürworter oder Gegner – Denk hat einen Nerv getroffen. Kürzlich bat Tunahan Kuzu im Parlament um eine Diskussion über Rassismus.
Daneben sind Kuzu und Öztürk bekannt für ihre Weigerung, den Genozid an den Armeniern anzuerkennen. Kritker monieren, dass die Gründer von Denk als Sprachrohr der türkischen Regierung fungieren und türkisch-nationalistischen Organisationen nahestehen. Videoaufnahmen zeigen Kuzu, wie er 2015 auf einer Demonstration in Rotterdam spricht, bei der Symbole der faschistischen Organisation »Graue Wölfe« präsentiert wurden. Als die niederländische Kolumnistin Ebru Umar, die Erdoğan den »megalomanischsten Diktator seit Gründung der Republik« genannt hatte, im Frühjahr während eines Urlaubs in der Türkei festgenommen wurde, kommentierte Kuzu in einem Interview: »Wenn du nach Singapur gehst, kiffst du dort auch, obwohl du weißt, dass darauf die Todesstrafe steht?«
Vor allem rechte Blogs wie »Geen ­Stijl« und »De Dagelijkse Standaard« misstrauen Kuzu und Öztürk. Aber auch der linke Publizist Mehmet Kirmacı warf den beiden jüngst in einem offenen Brief vor, »bei jeder Kritik an Ankara die höchstmöglichen Verteidigungsmauern hochzuziehen«. Als Beispiel nennt er den Brief des damaligen türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoğlu an die Privatadressen vieler Nederturken Ende 2015, in dem sie aufgefordert wurden, die AKP zu wählen. Alle Parlamentsmitglieder verlangten daraufhin von der Regierung, beim türkischen Botschafter zu protestieren – bis auf Öztürk und Kuzu.