Die Polizei in NRW kennzeichnet Menschen mit HIV als »ansteckend«

Stigma HIV

In Nordrhein-Westfalen werden Menschen wegen einer HIV- oder Hepatitis-Infektion in der Polizeidatenbank als »ansteckend« gekennzeichnet. Linkspartei, Grüne und die Aids-Hilfe kritisieren
das als nutzlos und diskriminierend.

Zurzeit sind 870 Menschen im polizeilichen Auskunftssystem (POLAS) des Landes Nordrhein-Westfalen mit dem personengebundenen Hinweis »ANST« gekennzeichnet – »ANST« für »Ansteckungsgefahr«. Das geht aus der Antwort des Landesinnenministeriums auf eine kleine Anfrage des fraktionslosen Landtagsabgeordneten Daniel Schwerd (Linkspartei) hervor. Mit diesem Hinweis werden Personen im Computerfahndungssystem der Polizei versehen, die mit HIV oder Hepatitis B oder C infiziert sind.
Diese Kennzeichnung ist auch weiterhin zulässig, entschied die Innenministerkonferenz im Juni vergangenen Jahres. Doch bereits damals gab es Kritik, unter anderem von der Deutschen Aids-Hilfe. So heißt es in der »Münchner Erklärung« der Organisation vom Oktober: »Das Kürzel stigmatisiert Menschen mit den genannten Krankheiten und trägt damit auch zur Ausgrenzung von Menschen mit HIV oder Hepatitis allgemein bei.« Das könne Menschen von einem HIV-Test und damit von einer Therapie abhalten. Deshalb schade die Kennzeichnung den HIV-Infizierten und sei auch schlecht für die HIV-Prävention.
Das Innenministerium begründete die Kennzeichnung unter anderem damit, dass solche personengebundenen Hinweise »primär dem größtmöglichen Schutz des oder der Betroffenen sowie der Eigensicherung der eingesetzten Polizeikräfte im konkreten Einzelfall« dienten. Aber ob der personengebundene Hinweis auf »Ansteckungsgefahr« hilfreich ist, um Polizisten vor Infektionen zu schützen, ist zweifelhaft. »Nicht das Wissen um mögliche Infektionsträger schützt, sondern das Wissen um das richtige Verhalten, sich vor einer Infektion zu schützen – und das bei jedem Menschen. Die Kennzeichnung von Menschen ist dabei eine absolute unwirksame und dazu noch stigmatisierende Strategie«, so Guido Schlimbach, Sprecher der Aids-Hilfe Nordrhein-Westfalen.
Auch der Landesverband der Linkspartei zweifelt an der Notwendigkeit der Kennzeichnung. »Beamtinnen und Beamte müssen sich immer vor einer Übertragung, die allerdings im Polizeialltag eher unwahrscheinlich ist, schützen«, so Jasper Prigge, der innenpolitische Sprecher der Partei. Schließlich könne bei jeder verdächtigen Person die Gefahr bestehen, dass sie eine übertragbare Krankheit hat und nicht im polizeilichen Auskunftssystem vermerkt ist. Ein weiterer Kritikpunkt der Linkspartei ist, dass auch Menschen mit HIV, die sich in Therapie befinden und somit nicht infektiös sind, in der Datenbank mit dem Hinweis auf Ansteckungsgefahr gespeichert bleiben. An Hepatitis B und C Erkrankte können sogar vollständig geheilt werden.
Die Kennzeichnung von Infizierten hält Prigge für »Zwangsouting«. Den Betroffenen werde ihr Recht genommen, die Krankheit für sich zu behalten. »Die Folge kann sein, dass Beamtinnen und Beamte wegen des Hinweises in der Akte anders mit den Betroffenen umgehen und sich mehr von Vorurteilen oder unbegründeten Ängsten leiten lassen.« Das gelte es zu vermeiden, so Prigge.
Inzwischen kritisieren auch die Grünen, die der kleinere Partner in der Regierungskoalition mit der SPD sind, die Speicherung von HIV- und Hepatitis-Infizierten im polizeilichen Auskunftssystem. »Es ist aus Sicherheitsgründen unverständlich und völlig überflüssig, solch persönliche Daten zu speichern«, sagte Landesparteivorsitzender Sven Lehmann dem Portal Queer.de.
Für Daniel Schwerd ist die Sache klar. Das Merkmal »ANST« sowie andere diskriminierende Kennzeichnungen »müssen umgehend aus den Datenbanken gelöscht werden«, so der Landtagsabgeordnete. Außerdem müsse »die Datensammelwut nordrhein-westfälischer Behörden offenbar noch viel stärker kontrolliert und Datenspeicherung noch stärker begrenzt werden«.