Berlin bekommt wahrscheinlich eine rot-rot-grüne Koalition, aber sicher nicht den Sozialismus

Kein Schritt in den Sozialismus

Nach der Wahl läuft es in Berlin auf eine Koalition aus SPD, Linkspartei und Grünen hinaus. Mehr als eine Fortsetzung sozialdemokratischer Elendsverwaltung ist von ihr nicht zu erwarten.

Nach der Berliner Abgeordnetenhauswahl ist klar: Michael Müller bleibt Regierender Bürgermeister. Der SPD-Kandidat ist damit sowohl Wahlsieger als auch Verantwortlicher für das historisch schlechteste Ergebnis seiner Partei in der Hauptstadt. Nicht einmal 22 Prozent der Wähler entschieden sich für die Sozialdemokraten. Noch nie war eine stärkste Partei so schwach. Müller kann sich seine Koalitionspartner – er braucht mindestens zwei – frei aussuchen. Obwohl er vor der Wahl eine Präferenz für Grüne und Linkspartei artikulierte, gäbe es auch mit CDU und FDP eine Mehrheit, allerdings eine extrem knappe. Diese Option gibt der SPD eine bessere Verhandlungsposition gegenüber Linkspartei (15,6 Prozent) und Grünen (15,2). Auch SPD, CDU und Grüne hätten gemeinsam eine Mehrheit, doch diese Option wird von den Grünen abgelehnt. Schließlich wollte man die bisher regierende Große Koalition ablösen, nicht ergänzen.
Es sieht also ganz gut für Rot-Rot-Grün aus. Nach Thüringen wäre es die zweite Koalition dieser Art. Während dort jedoch die Linkspartei mit Bodo Ramelow den Ministerpräsidenten stellt, wird die Koalition in Berlin mit Müller einen SPD-Regierungschef bekommen. Müllers Partei regiert im Land Berlin seit 1989 ununterbrochen, davon 17 Jahre als größerer Koalitionspartner. In dieser Zeit hat sich die SPD nicht nur in der Stadtgesellschaft überall festgesetzt, so dass es kaum einen Verein gibt, in dem nicht Sozialdemokraten sitzen, sondern auch in allen öffentlichen Behörden. Allen voran den Senatsverwaltungen, in denen es vor SPD-Mitgliedern nur so wimmelt. In Summe heißt das: Berlin bleibt rot. Obwohl das Ergebnis der SPD so schwach ist, ist ihre Macht ungebrochen. Was Müller will, wird gemacht – Grüne und Linke müssen fürchten, dass man ihre Handschrift in der Regierungsarbeit nicht erkennen wird. Die Müller-SPD hat klargemacht: Einen politischen Wechsel will man nicht. »Berlin bleibt sozial« plakatierte man in der von Armut geplagten Stadt ebenso wie »Berlin bleibt schlau«, obwohl die Schulen marode und die Klassen zu groß sind. Die Zugeständnisse an die beiden Koalitionspartner in spe dürften klein ausfallen und es bleibt fraglich, ob die unterbesetzte Verwaltung diese Zugeständnisse auch umsetzen kann oder will. Viel verändern wird sich also nicht. Rot-Rot-Grün wird keine Revolution, kein Schritt in den Sozialismus – sondern sozialdemokratische Elendsverwaltung.
In der Opposition sitzen dem Mitte-links-Bündnis dann gleich drei Parteien gegenüber: CDU (17,6 Prozent), AfD (14,2) und die wiederauferstandene FDP (6,7). Für die CDU war es ebenfalls das schlechteste Ergebnis, das sie jemals in der Hauptstadt erzielte. Die Strategie, die Themen der AfD zu übernehmen (Jungle World 33/16), ist offensichtlich gescheitert. Zwar bieten sich die Christdemokraten der SPD für Sondierungen an, doch der erfolglose Spitzenkandidat blieb am Wahlabend realistisch: Im Zweifel müsse man dem »Linksaußenbündnis«, wie er die mögliche rot-rot-grüne Regierung nennt, schnell von der Oppositionsbank aus Dampf machen. Dort ist die AfD dabei: Sie hat in Berlin bewiesen, dass sie nicht nur in Flächenländern eine Basis hat, sondern auch in Metropolen. Neben dem hohen Ergebnis an Zweitstimmen gibt es für die Rechtsaußenpartei mehrere Direktmandate. Im Landesparlament sitzen nun Männer mit rechtsextremem Hintergrund wie Kay Nerstheimer, der frühere »Division Leader« der Berliner »German Defence League«, die er zu einer »Miliz« ausbauen wollte. Es wird rauer im sich so gern als weltoffen inszenierenden Berlin.