Erinnerungen an Klaus Behnken

Jetzt vor allem

Eine kurze Begegnung

Ich lernte ihn im Januar 1999 kennen, bei einem Praktikum in der ­Redaktion, die damals noch in einer Fabriketage in einem Hinterhof in der Lausitzer Straße lag. Kurz zuvor war ich nach Berlin gezogen. Eine Freundin hatte mir von der Jungle World vorgeschwärmt, dass die gerade erst gegründet worden sei, kluge Texte, tolles Layout, eine neue linke Wochenzeitung, eine echte Alternative zur Taz. Ich wollte an etwas Neuem mitarbeiten, wollte mich ausprobieren, an den Journalismus, den ich bis dahin nur in der Ostfriesen-Zeitung erprobt hatte, noch einmal ganz anders herangehen. Klaus Behnken hat mich schreiben lassen, was ich wollte, hat es dann methodisch, inhaltlich und sprachlich total auseinandergenommen, aber immer sehr konstruktiv, und sich die zweite und dritte Version mit der gleichen Neugier angeschaut wie die erste. Oft saßen wir gegen Mitternacht, kurz nach Redaktionsschluss, noch in der Morena-Bar zusammen. Und da erfuhr ich erst, mit wem ich da tagtäglich eigentlich zusammenarbeitete: Da erzählte er von seiner Zeit in der Studentenbewegung, vom SDS und vom März-Verlag, von Bernward Vespers Drogenrauschnazideutschlandnachkriegsroman »Die Reise« zum Beispiel. Aber er sprach nicht darüber wie ein Veteran, der den Nachgeborenen Heldengeschichten erzählen will, sondern sehr zurückgenommen, nur auf mein Drängen hin; viel zu sehr war er der Gegenwart verhaftet, den aktuellen Themen. Das verbinde ich mit ihm: ­unendlich viel Zeit und Geduld. Intensive Gespräche. Starke Argumente. Entschiedene Haltung. Klarer Blick. Schonungslos bis in die Details. Zwei prägende Monate. Zum Abschied schenkte er mir Rolf Dieter Brinkmanns im März-Verlag erschienene Anthologie »ACID – Neue Amerikanische Szene« und Franz Jungs bei Nautilus erschienene Autobiographie »Der Weg nach unten«. Mit Klaus im Kopf fing ich wieder an zu schreiben. Und obwohl ich ihn nach meiner aktiven Zeit bei der Jungle World nie wieder gesehen habe, bin ich ihn bis heute nicht losgeworden. Bei jedem Satz denke ich daran, was er dazu gesagt hätte, ob der vor seinem Urteil Bestand hätte. Auch jetzt. Gerade jetzt. Jetzt vor allem.