Die Familienpolitik der Bundesregierung beseitigt nicht die Ungleichheit zwischen Frauen und Männern auf dem Arbeitsmarkt

Auslaufmodell mit Zukunft

Familienpolitische Maßnahmen wie der Kitaausbau und das Elterngeld zementieren die Ungleichheit, die sie angeblich lindern wollten. Die Rückkehr in eine Lohnarbeit, die Frauen vor der finanziellen Abhängigkeit vom »Familienernährer« bewahrt, bleibt für viele von ihnen nach der Geburt eines Kindes schwierig.

Während in der DDR viele Kinder schon mit vier Monaten, spätestens aber mit einem Jahr ganztags eine Kinderkrippe besuchten, tat man sich in Westdeutschland lange Zeit schwer mit der außerhäuslichen Betreuung. Kinder kamen frühestens mit drei oder vier Jahren in den Kindergarten und blieben dann meist nur bis zum Mittag. Die Mutter, so die gängige Meinung, sei durch nichts zu ersetzen. Noch 2006 gingen in Westdeutschland nur zwölf Prozent der unter Dreijährigen in einen Kindergarten. So war es auch nicht verwunderlich, dass man sich nach der Wende dort mit wohligem Schauer den Schrecken der frühkindlichen autoritären Indoktrination ausmalte, um dagegen das heimelige Familienglück der BRD noch strahlender erscheinen zu lassen. Dieses allerdings wurde damit bezahlt, dass sich Mütter mit Kind zu Hause oft langweilten und finanziell von ihren Männern abhängig waren. Seit Mitte der nuller Jahre hat im alten Westen ein Umdenken begonnen: Die frühkindliche Betreuung nähert sich auch hier immer mehr den Gepflogenheiten der DDR an. 2007 wurde der Ausbau der Kitaplätze für die unter Dreijährigen mit dem Ziel beschlossen, dass ab August 2013 alle Kinder ab dem ersten Geburtstag einen Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz haben sollten. Die Mütter sollten so früh wie möglich dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen und die Kinder in den Genuss einer Frühförderung kommen. Herumtrödeln sollte jetzt niemand mehr. Weder die Kinder, die zum Beispiel schon mit einem Jahr mit dem Berliner Bildungsprogramm konfrontiert werden, noch die Mütter, deren »Humankapital« nicht an Wert verlieren soll, wie bei der Bundeszentrale für politische Bildung im Eintrag zur »nachhaltigen Familienpolitik« nachzulesen ist. Unter dem Begriff »Nachhaltige Familienpolitik« wurde hier 2005 offengelegt, was die Ziele dieser Maßnahmen sind und wie sie verwirklicht werden können: Die Geburtenrate sollte gesteigert sowie die Erwerbstätigkeit von Müttern kleiner Kinder gefördert werden. Neben dem Ausbau des Angebots von Kitaplätzen galt hier als wichtigstes Instrument die Einführung des Elterngeldes. Als Problem wurde angesehen, dass viele gut ausgebildete Frauen keine Kinder bekämen. Um Motivation zu schaffen, sollten zumindest die finanziellen Härten des Kinderkriegens gemindert und eine Kompensation für den Lohnausfall und die ausfallenden Rentenansprüche geschaffen werden. Letztlich wurde die Höhe des Elterngeldes von 67 Prozent des vorherigen Einkommens hier als ein Kompromiss dargestellt, der sowohl fiskalischen Zwängen, als auch, kurioserweise, den ideellen Nutzen des Kindes für seine Eltern anerkennen wollte. So sollte forciert werden, dass Männer wenigstens zwei Monate der Elternzeit nehmen müssen, wenn der volle Anspruch auf Elterngeld erhalten bleiben soll. Durch diese Maßnahme erhoffte man sich, Männer dazu zu animieren, sich etwas mehr Zeit für ihre Kinder zu nehmen, ohne dass der Arbeitsgeber zu sehr belastet werden würde. Mit dieser Regel wurde jedoch die Ungleichheit weiter zementiert, die man eigentlich hatte aufbrechen wollen: Während der Vater weiterhin als der wesentliche Familienernährer festgeschrieben wurde, der nur für kurze Zeit pausiert und dann oftmals die Kita- Eingewöhnung übernimmt, also für die Loslösung des Kindes aus der Familie zuständig ist, bleibt die Hauptverantwortung bei der Mutter, die so die größere Bindung zum Kind aufbaut. Dies wird noch dadurch verstärkt, dass Frauen geraten wird, das Kind sechs Monate voll zu stillen, was in der Realität jedoch bedeutet, dass es acht Monate bis zwei Jahre dauern kann, bis das Kind komplett abgestillt ist. So aufs Muttersein eingestimmt, liegt es geradezu auf der Hand, dass Mütter nach der Elternzeit einer Teilzeitbeschäftigung nachgehen, während Väter statistisch gesehen nach der Geburt sogar mehr arbeiten. Genau hier liegt einer der wesentlichen Gründe für den Gender Pay Gap, der derzeit 23 Prozent beträgt: Alle Studien sagen, dass sich die Einkommensschere mit der Geburt des ersten Kindes weiter öffnet. Der Gesetzgeber hat jedoch ansonsten an alles gedacht. Auch, dass der Kita-Ausbau – zumindest in Westdeutschland – nicht so schnell vorankommen wird, wurde mit eingeplant, der Bedarf wurde ohnehin nur auf 37 Prozent veranschlagt. Auch ist die Frist, während der man weiterhin das Anrecht auf den eigenen Arbeitsplatz nicht verliert, bei drei Jahren belassen worden. So wurde aus dem bundesrepublikanischen Modell der Kleinfamilie mit klassischer Rollenverteilung ein Auslaufmodell, das noch eine Weile Bestandschutz haben soll. Anders als geplant haben sich die neuen Ideen jedoch rasch durchgesetzt: Immer mehr Frauen müssen gleich nach dem zwölfmonatigen Elterngeldbezug wieder zur Arbeit, wenn auch nicht unbedingt freiwillig, sondern weil es sich die Familien nicht leisten könnten, auch nur einen einzigen Monat den Verdienstausfall der Frau zu kompensieren und als Kleinfamilie ausschließlich von dem Einkommen des Mannes zu leben, wie die Leipziger Kita-Initiative in aller Drastik darstellt: »Die Eltern haben – das müssen wir hier ganz klar festhalten –, nicht unbedingt vorrangig Angst um die fehlende Förderung ihrer einjährigen (!) Kinder, wenn sie sich bei uns melden. Sie haben Angst um ihre Jobs und damit um ihre Existenz! Die Eltern haben Angst, den Lebensunterhalt ihrer Familien nicht bestreiten zu können und Hartz IV beantragen zu müssen. Wenn nun geurteilt wird, dass es beim Rechtsanspruch nicht um die Vereinbarkeit geht, dann ist das Recht an dieser Stelle wahlweise nicht viel wert oder falsch formuliert.« Der Aufregung war eine in zweiter Instanz verlorene Klage von drei Müttern gegen die Kommune Leipzig auf Schadenersatz wegen des Verdienstausfalles vorausgegangen, den sie zu beklagen hatten, weil sie keinen Kitaplatz für ihr Kind finden konnten. Das OLG Dresden hatte die Klagen noch mit dem Argument abgewehrt, dass nur die Kinder einen Anspruch auf einen Kitaplatz hätten, nicht aber die Eltern, die Arbeit und Kindererziehung vereinbaren müssen. Diese haarsträubende Begründung wurde jetzt vom Bundesgerichtshof aufgehoben, weil sie dem Geist des Gesetzes widerspreche. Nicht nur die Leipziger Initiative hatte das Kinderförderungsgesetz zum Ausbau der Kindertagesstätten bereits in dieser Richtung ausgelegt. Die meisten Eltern nahmen an, dass der Übergang von der einjährigen Elternzeit in den Beruf problemlos klappen würde. Doch sobald sie einen Kitaplatz suchen, wird ihnen klar, dass dem nicht so ist: Wenn man nicht viel Glück hat, müssen bei der Qualität große Abstriche gemacht werden. Die ist schon deshalb oft problematisch, weil es viel zu wenig Personal für die Kleinsten gibt. Die ostdeutschen Kitas schneiden hier deutlich schlechter ab, aber wenigstens gibt es hier noch relativ viele Kitas, während die westdeutschen Kommunen den gesetzlich geförderten Ausbau der Betreuungsplätze vielfach mit schlecht verdienenden Tagesmüttern und -vätern bewältigt haben, die oftmals ihre Zeiten noch schlechter an die Berufstätigkeit der Eltern anpassen können als die Kitas. Wenn das Kind dann noch nicht einmal zwischen Juli und Oktober geboren ist, ist es ohne beinahe ein Ding der Unmöglichkeiten, einen Platz zu finden, da das Gros der Plätze nur nach den Sommerferien angeboten wird. Aufgrund dieser Situation verbringen viele Mütter ihre Elternzeit unter Daueranspannung, denn sie sind darauf angewiesen, dass alles am Schnürchen läuft. Dass jetzt niemandem mehr eine Ruhepause gegönnt wird, liegt aber nicht daran, dass Frauen ihren Anspruch auf Emanzipation durchgesetzt haben. Vielmehr ist es selten geworden, dass ein Einzelner seine Familie allein ernähren kann. Wenigstens ein Zuverdienst ist notwendig. So treibt nicht die Selbstverwirklichung die Frauen zur Arbeit, sondern die blanke Not und der stumme Zwang der Verhältnisse, sie verdienen jedoch nicht so viel wie die Männer und haben zum Dank dafür auch noch die meiste Arbeit mit der Kindererziehung.