Kurznachrichten

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Ilse Aichinger ist tot
Nachruf. Ilse Aichinger führte das damals tabuisierte Wort »Konzentrationslager« in die deutsche Literatur ein. Das war 1945, und die junge Frau, die aus einer jüdischen Familie stammte und die Nazizeit mit ihrer Mutter in einem Versteck in Wien überlebt hatte, begann gerade, ­Medizin zu studieren. 1948 wurde Aichinger mit dem Roman »Die größere Hoffnung« schlagartig bekannt und wandte sich endgültig der Literatur zu. In den fünfziger Jahren war sie häufig bei Treffen der männlich dominierten Gruppe 47 zu Gast, wo sie auch ihren späteren Ehemann, den Schriftsteller Günter Eich, kennenlernte. Früh wandte sie sich gegen Geschichtsverdrängung und forderte eine kritische Selbstanalyse der Autoren ein: Die Literatur müsse erst eine Sprache finden, die sich dem Sprachgebrauch des Nationalsozialismus verweigere. Zeitlebens blieb Aichinger eine literarische Einzelgängerin. Für ihre Gedichte, Erzählungen und Hörspiele wie »Knöpfe« wurde sie mit zahlreichen Auszeichnungen geehrt. Aichinger, die am 1. November 1921 in Wien geboren wurde, starb am 11. November im Alter von 95 Jahren ebenda. her
Die Hacks-Ordnung
Peter Hacks. Der Dichter und Dramatiker Peter Hacks war im Umgang mit Kollegen um deutliche Urteile selten verlegen. Gegen Heiner Müller ist beispielsweise folgender Satz gerichtet: »Müller kann nichts, weiß nichts, ist nichts.« Das allerdings war lange nach der Zeit, in der Hacks sich ein Triumvirat der sozialistischen Klassik erhoffte, dem eben jener Müller und auch Hartmut Lange angehören sollten. Unter dem Titel »Machen Sie nicht weiter so. Hacks in Dialog und Kontroverse mit Kollegen« lud am vergangenen Wochenende die Peter-Hacks-Gesellschaft zur Diskussion. Dass Hacks selbst am Austausch mit Kollegen viel gelegen war, zeigen die über Jahre von ihm geleiteten Akademiegespräche, die sich als Arbeitsgruppentreffen mit Ästhetik und Technik des dramatischen Schreibens beschäftigten. Hacks war zudem Verfasser ganz bezaubernder, witziger und geistreicher Briefe, wie der von Rainer Kirsch herausgegebene Band »Verehrter Kollege. Briefe an Schriftsteller« zeigt. Dort finden sich Briefe an Thomas Mann, Peter Weiss und Hans Magnus Enzensberger, dem Hacks 1958 bescheinigte, dass dessen »theoretische Einsichten leider bestenfalls zu einem Feuilletonisten der Süddeutschen Zeitung« passen würden. Mancher Brief blieb freilich auch ohne Erwiderung. Die Kontaktaufnahme mit Arno Schmidt, den Hacks für den größten Prosaschriftsteller der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hielt, blieb ergebnislos. Hacks war in späteren Jahren in Kontakt mit Robert Gernhardt, Peter Rühmkorf, Horst Tomayer und auch mit dem jung verstorbenen Dichter Ronald M. Schernikau. Am Ende der Tagung sprach der Schriftsteller und Essayist Dietmar Dath über ein »Arbeitstreffen im Jenseits« – was es angesichts der miserablen Lage der Welt und der Kunst bedeutet, sich mit Hacks an der Möglichkeit gelingender Gesellschaft und Kunstwerke zu orientieren. jch