François Fillon hat die erste Runde der Vorwahlen der französichen Konservativen gewonnen

Der Superkonservative

In der ersten Runde der Vorwahlen der französischen Konservativen hat der ehemalige Premierminister François Fillon die meisten Stimmen erhalten. Er verspricht unter anderem eine an Margaret Thatcher angelehnte Wirtschaftspolitik.

Viele hatten eine Überraschung vorausgesagt, doch diese fiel, wie es so die Art von Überraschungen ist, anders aus als erwartet, als Konservative und Wirtschaftsliberale in Frankreich in der ersten Runde über die Nominierung ihres nächsten Präsidentschaftskandidaten abstimmten. Angesichts des katastrophalen Zustands des regierenden sozialdemokratischen Parti Socialiste (PS) ist es wahrscheinlich, dass der konservative Kandidat nach den Wahlen am 23. April und 7. Mai kommenden Jahres der nächste Präsident wird. Der Name des Kandidaten wird nach der Stichwahl der konservativen Basis am 27. November feststehen.
François Fillon, von 2007 bis 2012 Premierminister unter Präsident Nicolas Sarkozy, dürfte sich gegen Alain Juppé durchsetzen. Juppé war von 1995 bis 1997 Premierminister und zu Anfang dieses Jahrzehnts kurzzeitig Außenminister. Von einer Erneuerung des politischen Führungspersonals kann also kaum die Rede sein. Sarkozy, der sich erneut um die Kandidatur ­beworben hatte, und drei andere Bewerber sowie eine Bewerberin schieden nach der ersten Runde der Vorwahlen am Sonntag aus. Fillon erhielt über 44 Prozent der Stimmen, Juppé 28,6 Prozent und Sarkozy weniger als 21 Prozent.
Viele Prognosen stellten sich als falsch heraus. So war gemutmaßt worden, viele Anhängerinnen und Anhänger des PS und weiter links stehende Personen würden an den Vorwahlen der Konservativen teilnehmen, um eine Kandidatur des polarisierenden Sarkozy zu verhindern. Um bei den Vorwahlen abzustimmen, genügte es, zwei Euro zu bezahlen und einen all­gemein gehaltenen Text zu »Grundwerten« zu unterzeichnen. Im Frühherbst ergaben Umfragen, dass zehn Prozent der Wählerinnen und Wähler François Hollandes oder linker Kandidaten bei der Präsidentschaftswahl 2012 beabsichtigten, dies zu tun. Ihre Stimmen würden, so lautete eine Mutmaßung, überwiegend Juppé als dem moderatesten Kandidaten der Konservativen zukommen.
Andere Prognosen gingen davon aus, dass diese Wählerinnen und Wähler eher Sarkozys Kandidatur unterstützen würden, um bei den Sozialdemokraten größeren Widerstand hervorzurufen. Im September hieß es, dass auch 13 Prozent der Anhängerinnen und Anhänger des Front National (FN) beabsichtigten, bei den Vorwahlen abzustimmen. Ihre Stimmen, mutmaßten Demoskopen, würden vor allem Sarkozy zugutekommen.
In Wirklichkeit dürften sich solche taktischen Stimmen bei der konservativen Vorwahl kaum bemerkbar gemacht haben. Entweder hoben sich die Effekte – eine taktische Stimme für, eine andere gegen Sarkozy – gegenseitig auf, oder die Stimmen gingen in der Masse unter. Etwa vier Millionen Menschen beteiligten sich an der ersten Runde der Vorwahlen der bürgerlichen Rechten. Dies zeigt zumindest, dass diese über eine gesellschaftliche Basis verfügen.
In den beiden Wochen vor dem 20. November deutete sich Fillons Sieg in Umfragen bereits an. Dies hing auch damit zusammen, dass er in den drei Fernsehdebatten, die im Oktober und November von den insgesamt sieben Kandidaten ausgetragen wurden und über fünf Millionen Zuschauer erreichten, als der seriöseste Bewerber erschien. Während die anderen sich oft gegenseitig mit persönlichen Vorwürfen überschütteten, blieb Fillon gelassen und legte den Schwerpunkt auf sein politisches Programm.
Doch dieses Programm hat es in sich. Es verspricht abhängig Beschäftigten, selbst denen im Staatsdienst, aber auch Erwerbslosen und in Frankreich lebenden Migranten keine angenehme Zukunft. Fillon erklärte in jüngster Zeit die ehemalige britische Premierministerin Margaret Thatcher zu seinem Vorbild, für die französische Konservative bislang nicht schwärmten. Ökonomisch stellt er einen »Schock« im Sinne einer »Angebotspolitik« in Aussicht. Diese soll die Unternehmen von Belastungen aller Art befreien, ihre Profitrate drastisch steigern und dadurch eine wirtschaftliche Dynamik in Gang setzen. Fillon möchte zudem 500 000 Stellen im Staatsdienst einsparen und zugleich die Arbeitszeit der verbleibenden Staatsangestellten von 35 auf 39 Stunden pro Woche erhöhen, Überstunden nicht eingerechnet. Am Montagabend sagte Juppé dazu: »Das Programm François Fillons ist von großer sozialer Brutalität.« Er selbst möchte mit kleinerer sozialer Brutalität 300 000 Stellen im Staatsdienst einsparen.
Fillon will ferner die derzeit geltende Regelarbeitszeit abschaffen, nur die im EU-Recht festgeschriebene 48-Stunden-Woche will er zum Schutz der Lohnabhängigen beibehalten. Daneben wirkt das Programm Juppés, der die allgemeine Regelarbeitszeit von 35 auf 39 Stunden pro Woche erhöhen will, geradezu gemäßigt.
Daneben plant Fillon, das Ausländerrecht zu verschärfen, aber das kündigten ohnehin alle Bewerber bei der Vorwahl an. Während die meisten anderen Kandidaten und die Kandidatin in Aussicht stellten, sich mit der 2013 von der sozialdemokratischen Regierung eingeführten gleichgeschlechtlichen Ehe abzufinden – selbst Sarkozy sagte, man könne schwerlich dahinter zurückfallen –, will Fillon zumindest das damit einhergehende Adoptionsrecht in Frage stellen. Zur Beibehaltung des Abtreibungsrechts hat er sich ambivalent geäußert, was Juppé ihm am Dienstagmittag vorwarf. Außenpolitisch steht Fillon deutlich für eine ­Annäherung an Russland sowie für eine Unterstützung des syrischen Regimes »gegen die jihadistische Gefahr«.