Antisemitismus-Vorwürfe gegen Jay-Z

Ein weiteres Problem

Kommentar Von Jan Stich

Jay-Z wird wegen seines Tracks »The Story of O. J.« Antisemitismus vorgeworfen.

Die Nummer »99 Problems« machte Jay-Z 2003 zum Superstar. Nun hat der Rapper und Unternehmer ein weiteres Problem. Kaum ist »4:44« erschienen, sein 13. Soloalbum, kritisiert die US-amerikanische Anti-Defamation League einen seiner Songtexte. In »The Story of O. J.« rappt er, Juden seien mit Kreditgeschäften reich geworden und besäßen deshalb alle Immobilien in den USA.

Das vermeintliche Lob des geschickten jüdischen Geschäftemachers ist so etwas wie die Einstiegsdroge für Anhänger judenfeindlicher Verschwörungstheorien. Ist Jay-Z deshalb ein Antisemit? Das wäre doch eine sehr überraschende Wandlung. Selbst die im Ton nicht immer zimperliche Anti-Defamation League kritisiert zwar den Inhalt der Zeile, nimmt den Künstler im selben Atemzug aber in Schutz. »Wir glauben nicht, dass es Jay-Zs Absicht gewesen ist, Antisemitismus zu verbreiten«, sagte ein Sprecher der Organisation dem Rolling Stone. »Im Gegenteil, wir wissen, dass Jay-Z seinen Status in der Vergangenheit dazu ­genutzt hat, sich deutlich gegen Rassismus und Antisemitismus auszusprechen.«

Der Rapper indes schweigt zu der Kritik. 2010 schrieb er in seiner Autobiographie »Decoded«: »Wenn ich solche Lines nutze, setze ich darauf, dass Menschen wissen, wer ich bin und was meine ­Absichten sind, dass sie wissen, dass ich weder Antisemit noch Rassist bin.« 2006 hatte er sich in ­einem Fernsehspot auf CNN explizit gegen Antisemitismus ausgesprochen.

Diese Solidarisierung ist nicht überraschend. Der Aufstieg von HipHop ist auch eine jüdische Erfolgsgeschichte. Erst der Musikmanager Jerry Heller, ein Jude, verhalf N.W.A Ende der achtziger Jahre zum Durchbruch. Jay-Z arbeitete lange mit Lyor Cohen zusammen und bei »99 Problems« saß Rick Rubin am Mischpult – beide jüdisch. Unter US-amerikanischen Rechtsradikalen ist die Annahme verbreitet, Rap-Musik sei nur eine List der Juden, die afroamerikanische Drogen- und Gewaltkultur fördere, um die arische Jugend vom rechten Pfad abzubringen.

Wer den gesamten Text von »The Story of O. J.« hört, erkennt schnell, dass das lyrische Ich nicht die Meinung des Rappers ausdrücken kann. Der Text spielt mit Vorurteilen. Das Musikvideo zitiert rassistische Cartoons, in denen faule Schwarze mit riesigen Tellerlippen Melonen essen und Baumwolle pflücken.
Niemand hält Jay-Z deshalb für einen Rassisten. Doch nun schreiben Fans das Internet voll, die dem Rapper dafür danken, die Wahrheit über die Juden ausgesprochen zu haben. Denn neben der jüdischen Tradition gibt es im US-Rap auch eine antisemitische. Zwischen diesen Stühlen sitzt Jay-Z jetzt. Schon als N.W.A Anfang der Neunziger auseinanderbrachen, wurde Jerry Heller als raffgieriger Geschäftemacher dargestellt. Etwa zur selben Zeit schockierte Professor Griff von Public Enemy mit einem Interview in der Washington Times. Dort lobte er den ugandischen Diktator Idi Amin dafür, dass er die Juden zusammengetrieben und getötet habe. Die Juden seien für die Mehrzahl der Schweinereien auf dieser Welt verantwortlich, behauptete der Rapper damals.

Der sonst so wortgewandte Jay-Z ist der Zauberlehrling, dem bei »The Story of O. J.« die eigenen Sprachbilder entglitten sind. Das fängt schon bei der Titelwahl an. O. J. Simpson wurde 1994 unter anderem wegen Mordes an dem Juden Ronald Goldman angeklagt. Spätestens seit dem kuriosen Doppelurteil – unschuldig im Strafprozess, schuldig im Zivilprozess – ranken sich auch judenfeindliche Mythen um diese Geschichte. Texte, in denen ein lyrisches Ich Dinge ausdrückt, die nicht der Meinung des Rappers entsprechen, sind im Rap immer noch ungewöhnlich. Sie müssen entschlüsselt werden, Missverständnisse sind programmiert. Das gefährliche Klischee des jüdischen Raffzahns sollte in dieses Spiel nicht einbezogen werden.