Sally Potters Kinofilm "The Party"

Der diskrete Charme des linksliberalen Milieus

In ihrem Kinofilm »The Party« demaskiert die britische Regisseurin Sally Potter die kultivierte Londoner Gesellschaft.

»Sie ist in der Küche und macht einen auf Thatcher«, berichtet eine wohlfrisierte blonde Frau im perfekt sitzenden kleinen Schwarzen an der Haustür den beiden hereinkommenden, miteinander verheirateten Frauen. »Sie will zeigen, dass sie auch als erfolgreiche Politikerin noch Häppchen machen kann.« April (Pa­tricia Clarkson), die Frau in Schwarz, spricht ebenso geschliffen wie zynisch. Die Gastgeberin Janet (Kristin Scott Thomas) ist ihre beste Freundin. Die ältere der beiden neu angekommenen Frauen, Martha (Cherry Jones), geht in die Küche, um ihr zu gratulieren.

In ihrem Londoner Stadthaus steht die ehrgeizige Politikerin Janet derweil am Herd und bereitet Blätterteigpastete vor. Alle paar Minuten greift sie zum Smartphone, um einen Anruf entgegenzunehmen. Man gratuliert ihr, aber nicht zum Geburtstag, nein, es geht um Wichtigeres: Die Führung der Partei, der sie angehört, hat sie zur Gesundheitsministerin ihres Schattenkabinetts ernannt.

Unter der kultivierten linksliberalen Oberfläche brodelt es, und schließlich werden schwere Geschütze aufgefahren.

Das soll standesgemäß mit Champagner im kleinen Kreis gefeiert werden. Ihr Ehemann Bill (Timothy Spall) wirkt auffällig derangiert und uninteressiert. Als Janet am Telefon erzählt, wie wunderbar das alles sei, wiederholt er nur leise »marvellous«. Dabei sitzt er mitten im Wohnzimmer breitbeinig in einem Stuhl, ein Glas Rotwein in der Hand, die Flasche neben sich stehend, und hört Bo Diddley zu, wie er »I’m a Man« singt. Die Schallplatte hat er zuvor aus einer recht umfangreichen Sammlung gezogen, die Nadel des Tonarms gewissenhaft aufgesetzt. Als Janet ihn bittet, die Musik leiser zu drehen, erhebt er sich in seinem zerknitterten, aber edlen Leinenanzug und kommt der Aufforderung widerwillig nach.

In einer herrlich symbolkräftigen Szene sitzen sich der Wein trinkende Bill im Stuhl und der Begleiter von April im Schneidersitz auf dem Teppich gegenüber. Gottfried heiße er, Alkohol trinke er keinen, verkündet er mit dem milde gütigen Lächeln ­eines spirituell sowieso über dem profanen Materiellen Schwebenden. »Jetzt sag nicht, dass du hier meditierst«, mahnt April, als sie kurz aus der Küche ins Wohnzimmer schaut: »This is our last supper!«, verkündet sie entschieden: Sie werde sich von Gottfried trennen.

Erfreulicherweise kommt »The Party« als englische Originalfassung mit deutschen Untertiteln ins Kino. Sechs der Anwesenden sind the party verbunden, unschwer ist zu erkennen, dass es um Labour geht, wenn von Postenjägerei, Heuchelei und mit einer ambivalenten Mischung von Stolz und Verdruss vom staatlichen National Health Service die Rede ist.

Nur Gottfried passt nicht so recht in diesen Kreis. Mit seinem Akzent und seiner Esoterik gibt er den deutschen Trottel. Er wird von Bruno Ganz so gespielt, als sei Ganz es selbst, der da in seinem Trachtenjacken­imitat die westliche Medizin zu Voodoo-Quatsch erklärt.

Marthas schwangere Ehefrau Jinny findet zwischen ihren Übelkeitsanfällen Zeit, um zu entgegnen, dass sie ohne die westliche Medizin nicht hätte schwanger werden können: In-vitro-Fertilisation sei doch etwas Wunderbares. Nur sei es leider sehr teuer gewesen, weil sie sich privat behandeln ließ. April meint, nach dem, was die Nazis mit esoterischer Medizin veranstaltet hätten, solle Gottfried als Deutscher lieber schweigen. Als Gottfried im Zorn die Hand gegen sie erhebt – ohne zuzuschlagen –, konstatiert April: »In jedem Aromatherapeuten steckt ein Faschist.« Dass April, die sich so demonstrativ antideutsch äußerst, mit Gottfried verheiratet ist, ist noch ­einer der milderen Widersprüche, die sich im Laufe des Partyabends offenbaren.

Als der attraktive Tom (Cillian Murphy) eintrifft, verbündet sich die linksintellektuelle Gemeinschaft schnell gegen den neuen Gast. Tom ist Banker und arbeitet im Finanzwesen; über ihn rümpfen die anderen Gäste die Nase. Er ist mit Janets enger Mitarbeiterin Marianne verheiratet, deren Doktorvater wiederum Bill ist.

Langsam kippt die Stimmung. Zwar spricht April noch einen Toast auf Janets Aufnahme in das Schattenkabinett aus, aber anschließend werden Dinge gesagt, die die Beziehungen komplett in Frage stellen. Unter der kultivierten linksliberalen Oberfläche brodelt es, und schließlich werden schwere Geschütze aufgefahren.

In »The Party« seziert Sally Potter (Buch und Regie) das soziale Milieu, in dem sie sich selbst bewegt. Auch wenn der Film als tragisches Kammerspiel daherkommt – er wirkt wie eine Aufforderung, die Partei wieder von einer Mittelschichtsveranstaltung zu einer Partei für die sozial Benachteiligten zu machen. Gedreht wurde »The Party« mit einem knappen Budgetplan in nur 14 Tagen – eine kurze Zeit für einen Spielfilm. Unverkennbar, dass Potter auf ihre große Erfahrung als Regisseurin ­zurückgreift. In ihrem Debütfilm »The Gold Diggers« von 1983, ebenfalls in Schwarzweiß gedreht, buchstabierte sie ihr Konzept eines feministischen Gegenkinos bereits aus. Sie griff dabei auf die Debatten der siebziger Jahre zurück, auf ihre Zusammenarbeit etwa mit der kommunistisch-feministischen Avantgardemusikerin Lindsay Cooper. Bereits in »The Gold Diggers« stellte Potter die herrschenden Vorstellungen von Sexualität, Empire, Kolonialismus lesbischer Liebe, sowie die ­patriarchale Erinnerung und Repräsentanz in Frage.

In »The Party« sagt April über Janet, sie habe das Aussehen eines Mädchens, sei im Inneren aber ein Mann, genau wie sie selbst. Kein Zufall, dass April als blonde Schönheit die radikalsten Positionen im Film vertritt. Angenehm ist, dass es kein Jungsfilm geworden ist – die beiden stärksten Rollen werden von Frauen gespielt, die diese überzeugend ausfüllen. Eine Komödie ist es, anders als in einigen Filmkritiken behauptet, aber nicht. Eher eine Tragödie.

»The Party« (GB 2017). Buch und Regie: Sally Potter, Darsteller: Patricia Clarkson, Kristin Scott Thomas, Cherry Jones, Bruno Ganz, Emily Mortimer, Cillian Murphy, ­Timothy Spall. Start: 27. Juli