Beim Streit um Metalldetektoren am Tempelberg kam Israel auch in Konflikt mit Jordanien und Saudi-Arabien

Der Konfliktdetektor

Bei den Unruhen am Tempelberg in Jerusalem geht es um mehr als nur um die Aufstellung von Metalldetektoren. Israel kam dadurch unter anderem in Konflikt mit Jordanien und Saudi-Arabien.

»Schön, Sie zu sehen!« Mit diesen Worten begrüßte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu in Jerusalem die am 25. Juli zurückgekehrte israelische Botschafterin in Jordanien, Einat ­Shlain, sowie einen Sicherheitsbediensteten namens »Ziv« in Jerusalem. »Schön, wieder zu Hause zu sein«, antwortete ­Shlain. Die Erleichterung war allen ins Gesicht geschrieben. Vorausgegangen war eine diplomatische Krise um die Ausreise des gesamten Personals der Botschaft Israels in der jodanischen Hauptstadt Amman. Denn am Abend des 23. Juli hatte besagter Sicherheitsmann in Notwehr den 17jährigen Mohammed al-Jawawdeh erschossen, der für Tischlerarbeiten auf das Gelände der Botschaft gelassen worden war und ­sofort mit einem Schraubenzieher auf »Ziv« einstach. Auch kam durch eine verirrte Kugel aus der Pistole des Sicherheitsbediensteten ein weiterer jordanischer Staatsbürger ums Leben. Daraufhin versammelten sich Angehörige der Familie Jawawdeh sowie weitere Demonstrierende vor der Botschaft und forderten, der israelische Sicherheitsmann solle vor ein jordanisches Gericht gestellt und zum Tode verurteilt werden.

Der Konflikt am Tempelberg drohte, Netanyahus außenpolitisches Projekt zu gefährden: eine Allianz der sunnitischen Staaten mit Israel, um den Iran in die Schranken zu weisen.

Normalerweise wären derartige Proteste vor der diplomatischen Vertretung Israels von der jordanischen Polizei sofort unterbunden worden. Denn ­Israel ist ein Garant für die Sicherheit des Landes sowie des haschemitischen Herrscherhauses, das aufgrund des Erstarkens der jordanischen Muslimbrüder und der Immigration Hunderttausender Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak vor gewaltigen Problemen steht. Die sicherheitspolitische Zusammenarbeit zwischen Israel und Jordanien ist überaus eng – selbst wenn die jordanische Regierung darüber ungern öffentlich redet.

Doch diesmal lief alles anders und der Zwischenfall führte zur schwersten ­diplomatischen Krise zwischen Israel und Jordanien seit 20 Jahren. Dem ­vorausgegangen war die Ermordung zweier Polizisten am 14. Juli am Tempelberg in Jerusalem durch drei arabische Israelis aus Umm al-Fahm, woraufhin diese erschossen wurden und Israel die Zugänge zum al-haram al-scharif – so die arabische Bezeichnung des Areals, auf dem sich der Felsendom sowie die al-Aqsa-Moschee befinden – und dessen westlicher Mauer, ­bekannt als Klagemauer, für drei Tage sperrte und anschließend Metalldetektoren installierte. Der Waqf, eine Art muslimische Stiftung, die die Gebetsstätten auf dem Gelände verwaltet, bezeichnete die neuen Sicherheitsmaßnahmen Israels als Verletzung des Status quo. Dieser gilt seit 1967, also seit Israel nach seinem Sieg im Sechstagekrieg die Kontrolle über ganz Jerusalem erlangte. Er besagt, dass Israel allein für die Sicherheit an den Zugängen zuständig sei; ansonsten habe der jüdische Staat keinerlei Befugnisse über das ­Gebiet auf dem Tempelberg.

Infolgedessen riefen der Waqf und Jerusalems Großmufti Scheich Mohammed Hussein die Gläubigen dazu auf, zum traditionellen Freitagsgebet nicht wie üblich auf dem Tempelberg selbst zu erscheinen, sondern als Zeichen ihres gewaltfreien Protests an den Eingängen zur Altstadt zusammenzukommen. Wie friedlich dieser Protest dann ausfiel, konnte man in den Medien sehen: Israelische Polizisten wurden mit ­Steinen beworfen, mehrfach kam es zu Übergriffen. Da der Waqf vom jordanischen Herrscherhaus finanziert wird, wurde nun auch das östliche Nach­barland in den Disput über die Metalldetektoren hineingezogen. In Jordanien war es ebenfalls zu Demonstrationen gegen Israel gekommen.

Offensichtlich stand auch Mohammed al-Jawawdehs Anschlagsversuch auf dem Botschaftsgelände in Zusammenhang mit jenen Geschehnissen. Nun aber forderte der jordanische König Abdullah persönlich, die Metalldetektoren sollten wieder verschwinden. Das geschah denn auch. Am Morgen des 25. Juli entfernten Arbeiter die Sicherheitsanlagen. Erst danach erhielten das Botschaftspersonal und Einat Shlain in Amman die Genehmigung, nach ­Israel zurückzureisen. Indirekt befanden sie sich also kurzzeitig in Geiselhaft der jordanischen Behörden – ein klarer Bruch der diplomatischen Konventionen.

Doch nicht nur Jordanien kritisierte die Aufstellung der Metalldetektoren als Verletzung des Status quo. Ungeachtet der Tatsache, dass bei Durchsuchungen auf dem Tempelberg unmittelbar nach der Ermordung der beiden israe­lischen Polizisten reichlich Gegenstände wie Pistolen, Munition und Steinschleudern gefunden wurden, die kaum religiösen Zwecken dienen dürften, und überall in der Welt muslimische Heiligtümer mit solchen Vorrichtungen gesichert werden, meldete sich auch Saudi-Arabien zu Wort. Über die US-Regierung ließen die Saudis Israel wissen, dass man mit ­dieser Maßnahme gar nicht einverstanden sei. Spätestens jetzt war klar, dass die Metalldetektoren mehr als nur eine lokale Bedeutung haben. »Wir wollen die Krise so leise wie möglich lösen und wieder Ruhe herstellen«, erklärte Ministerpräsident Netanyahu sofort. »Wir sprechen mit der arabischen Welt und erklären, warum unsere Maßnahmen keinesfalls eine Veränderung des Status quo bedeuten.«

Denn der Konflikt am Tempelberg drohte, Netanyahus großes außenpolitisches Projekt zu gefährden: Eine mehr oder minder offene Allianz der sunnitischen Staaten mit Israel, um den Iran in die Schranken zu weisen. Das funktioniert aber nur, wenn an einem so hochsensiblen Ort wie dem Tempelberg Ruhe herrscht – andernfalls machen die sunnitischen Potentaten oder Präsidenten nicht mit, weil ihnen ­Ungemach droht, wenn sie dennoch gute Beziehungen zu Israel pflegen. »Netanyahu sollte dem Sicherheitsmann ›Ziv‹ von der israelischen Botschaft in Amman Blumen schicken, um ihm für das zu danken, was auf dem Gelände der diplomatischen Vertretung geschah«, kommentierte der Kolumnisten Nahum Barnea in der israelischen ­Tageszeitung Yedioth Ahronoth. »Obwohl der Streit um die Metalldetek­toren auch das Leben von zwei jordanischen Staatsbürgern kostete, gab der Vorfall in Amman ihm eine wunderbare Gelegenheit, doch noch einen Weg aus dem Fiasko mit den Metalldetektoren zu finden.«

Noch konnten die autoritären sunnitischen Herrscher das Ganze deckeln. So übte der saudische Fernsehsender al-Arabiya kaum Kritik an dem israelischen Vorgehen in Jerusalem. Ganz anders al-Jazeera in Katar, dessen feind­selige Berichterstattung Netanyahu veranlasste, mit der Schließung des Büros des Senders in Jerusalem zu drohen. »Auch die Golfstaaten haben sich noch nicht richtig dazu geäußert«, sagte ­Jonathan Schanzer, der stellvertretende Leiter des konservativen Think Tanks Foundation for Defense of Democracies. »Bis jetzt handelt es sich also um einen begrenzten Konflikt – selbst wenn er für die Menschen dort mitunter größer erscheint als aus einer Jerusalemer Perspektive«, so Schanzer. »Man ist dort eher auf die unmittelbare Bedrohung durch die Muslimbruderschaft und ihre Unterstützer in Doha und im Iran ­fixiert.«

Mit anderen Worten: Was in Israel am Tempelberg geschieht, wird von den Regierungen der Golfstaaten nicht wirklich als Krise empfunden. Das kann sich aber schnell ändern, wenn andere ­Politiker das Thema aufgreifen, um es außenpolitisch für sich auszuschlachten. So wie der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan, der sagte: »Lasst uns alle Jerusalem beschützen!« Selbst der Abbau der Metalldetektoren reichte ihm nicht. »Wir weigern uns, über die Situation an der al-Aqsa-Moschee zu schweigen«, so der Autokrat.

Die palästinensische Autonomiebehörde in Ramallah sowie die Hamas in Gaza versuchten ebenfalls, aus den Vorfällen politisches Kapital zu schlagen. Sowohl Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas als auch Hamas-Führer Ismail Haniya riefen zu einem »Tag des Zorns« auf, stänkerten gegeneinander und heizten die Stimmung weiter an. Abbas setzte erstmals die Beziehungen mit Israel auf allen Ebenen aus und forderte die Hamas auf, »alle Differenzen zu überwinden und sich zum Wohle unsere Volkes mit uns zu vereinen«, ihre Institutionen in Gaza aufzulösen und sich allgemeinen Wahlen zu stellen.

Spätestens jetzt hätte jeder Beobachter erkennen können, dass es auch hier weniger um Metalldetektoren am Tempelberg geht als um interne Streitigkeiten der Palästinenser. Zwar ist der Status quo ante durch die Demontage der Detektoren wiederhergestellt, doch dass damit Ruhe am Tempelberg einkehrt, darf bezweifelt werden.