Die polarisierende Politik Donald Trumps verärgert das republikanische Establishment

Der Präsident und der Mob

US-Präsident Donald Trump muss sich auf seine verbleibenden Anhänger stützen, die viele Ressentiments der extremen Rechten teilen. Das führt zu einem schärferen Konflikt mit dem republikanischen Establishment.

Am Anfang der US-amerikanischen Geschichte stand ein schmutziger Kompromiss. Vermont schaffte die Sklaverei 1777 ab, die meisten Bundesstaaten des Nordens folgten noch während des Unabhängigkeitskrieges diesem Beispiel. Doch etwa die Hälfte der founding fathers, der Delegierten des Kontinentalkongresses, besaß Sklaven. Prinzipienfestigkeit der Abolitionisten hätte zur Spaltung und zur Niederlage im Krieg gegen Großbritannien geführt.

Der Bürgerkrieg (1861–1865) beendete die Sklaverei auch in den Südstaaten, doch die besiegten Konföderierten wurden ausgesprochen zuvorkommend behandelt – eigentlich keine Selbstverständlichkeit nach Kämpfen, in denen mehr US-Soldaten starben als in jedem anderen Krieg in der Geschichte des Landes. Doch der Reinte­gration der Weißen wurde größere Bedeutung beigemessen als dem Schutz und der Emanzipation der Schwarzen. In den Südstaaten herrschte ein gesetzlich sanktioniertes Apartheid-Regime, Terrororganisationen wie der Ku-Klux-Klan blieben fast unbehelligt. Das änderte sich in den sechziger Jahren. Doch bis heute weht die Flagge der rassistischen Separatisten auch vor öffentlichen Institutionen, noch heute erinnern mindestens 700 Denkmäler an den Kampf für die Sklaverei.

Die Frage ist, wie viel Unheil Trump noch anrichten wird, bis sich die Republikaner zur Amtsenthebung entschließen.

Vor diesem Hintergrund ist kaum misszuverstehen, was David Duke, ein ehemaliges Führungsmitglied des Ku-Klux-Klans, meinte, als er in Charlottesville sagte: »Wir sind entschlossen, uns unser Land zurückzuholen.« Und es ist keineswegs absurd, wenn er behauptet: »Wir werden Donald Trumps Versprechen erfüllen.« Trumps Slogan »America First« war in den dreißiger Jahren das Motto der Sympathisanten des Faschismus in den USA. Die rassistische Diskriminierung in seinem Unternehmen wurde oft kritisiert und war zweimal Gegenstand juristischer Untersuchungen, mehrmals entzog er in den USA Geborenen mit Migrationshintergrund verbal die Staatsbürgerschaft.

Wohl am deutlichsten wird die Haltung des Präsidenten, vergleicht man seine mit erfundenen Horrorgeschichten garnierten Reden im Juli, in denen er die Polizei zur Misshandlung von mutmaßlichen Latino-Gangmitgliedern aufforderte, mit der Reaktion auf den Mord in Charlottesville. Die Gewalt dort sei »von vielen Seiten« ausgegangen, sagte Trump am Samstag, überdies erging an die US-Amerikaner die Aufforderung, »unsere Geschichte wertzuschätzen«. Zum gegebenen Anlass kann dies nur als Unterstützung des Anliegens der Rechtsextremen gewertet werden, das Denkmal des Südstaaten-Generals Robert E. Lee zu erhalten.

Dass Trump sich am Montag doch noch zu einer Distanzierung von der extremen Rechten durchringen konnte – ohne allerdings den Mord in Charlottesville als terroristisch einzustufen –, ändert daran nichts. Das Spiel mit vagen Andeutungen und halbherzigen Distanzierungen gehört zum Repertoire der rechten Demagogie. Schließlich kann Trump sich nicht allein auf den harten Kern der extremen Rechten stützen. Aber er ist mehr und mehr auf jene angewiesen, die ihm weiterhin die Treue halten, obwohl schwerlich ein Kriterium vorstellbar ist, nach dem seine Amtsführung als erfolgreich gelten könnte. Es sei denn, man erfreut sich so sehr an seinen Hetzreden, dass Fragen der Regierungsführung nebensächlich werden, oder man betrachtet Trumps Scheitern als Folge der Intrigen seiner Feinde.

Die meisten der verbleibenden Anhänger des US-Präsidenten – ihr Anteil sank der Umfrage des Instituts Gallup zufolge am Wochenende von 37 auf immer noch erschreckende 34 Prozent – teilen viele Ressentiments der extremen Rechten, sie fühlen sich durch die Gleichberechtigung von Frauen und Angehörigen von Minderheiten diskriminiert und von Ausländern übervorteilt. Sie würden nicht selbst in den Kampf ziehen, um eine Statue Robert E. Lees zu verteidigen, aber die gewalttätigen und terroristischen Rechtsex­tremen betrachten sich – nicht anders als ihre europäischen Kameraden – als Vollstrecker dieses »Volkswillens«. Sie profitieren von der ambivalenten Haltung der US-amerikanischen Version des »besorgten Bürgers« und eines Präsidenten, der für Mitch McConnell, den republikanischen Mehrheitsführer im Senat, härtere Worte findet als für faschistischen Terror in Charlottesville.

Die gesellschaftliche Polarisierung nimmt immer weiter zu, und die Republikaner könnten als Partei von Weißen, die »ihr« Amerika der Apartheid zurückhaben wollen, keine Mehrheit gewinnen. Weil sich in den sechziger Jahren vor allem die Demokraten für die Bürgerrechte einsetzten, wählen Afroamerikaner ohnehin mit großer Mehrheit diese Partei. Doch Parteipräferenz ist eine Sache, Feindschaft eine andere. Fast alle Afroamerikaner teilen aufgrund der gemeinsamen Geschichte ihrer Vorfahren einige politische Grundsätze, die strikte Ablehnung der white supremacists gehört dazu. Das vergessen jene nicht, die es bis ganz nach oben geschafft haben. So war Kenneth Frazier, der CEO von Merck, der erste Manager, der Trumps manufacturing council aus Protest gegen dessen Äußerungen zu Charlottesville verließ. Andere folgten seinem Beispiel, Nähe zu Trump gilt nun offenbar als geschäftsschädigend.

Die Latinos verärgert Trump durch Hetzreden und eine rigorose Abschiebungspolitik. Es ist wohl kein Zufall, dass mit Marco Rubio und Ted Cruz zwei prominente Republikaner sehr schnell Trump kritisierten, weil er sich nicht explizit zu den white suprema­cists äußerte. Beide müssen aufgrund ihres Migrationshintergrunds davon ausgehen, dass Trump sie nicht als echte Amerikaner betrachtet, und wollen sich vermutlich für the day after profilieren. Dennoch dürften sich die Republikaner einmal mehr mit der vermeintlichen Klarstellung vom Montag zufriedengeben. Aussitzen können sie das Problem allerdings nicht, wohl nicht einmal, wie es vermutlich der ursprüngliche Plan der republikanischen Parteiführung war, bis zu den midterm elections Ende 2018. Die Frage ist, wie viel Unheil Trump noch anrichten wird, bis sich die Republikaner zu einem Amtsenthebungsverfahren entschließen, das allein aufgrund des unzweifelhaft »schweren Fehlverhaltens« (high misdemeanour) des Präsidenten jederzeit möglich wäre.