Porträt

Traumstudium

Porträt Von Nicole Tomasek

Die Thailänderin Kimlan Jinakul hat mit 91 Jahren ihr Studium abgeschlossen

Als sie gerade einmal ein Jahr alt war, durften Frauen in Thailand erstmals an einer Universität studieren, der Chulalongkorn University. Das war 1927. Es dauerte noch sehr, sehr lange, bis Kimlan Jinakul ihr Bachelor-Zeugnis in Händen halten durfte. Mit 91 Jahren hat die Thailänderin vorige Woche ihren Abschluss in Humanökologie an der Offenen Universität Sukhothai Thammathirat gemacht. Mit dem Studium begonnen hatte sie bereits mit 72 Jahren, nach dem Tod ihrer Tochter brauchte sie jedoch eine längere Pause und schrieb sich mit 85 Jahren erneut ein. Sie habe bereits als junge Frau davon geträumt zu studieren, doch Ehe und Kinder kamen dazwischen. »Es ist nie zu spät«, sagte sie nun der BBC.

In den meisten Medien, die über sie berichteten, wird die greise Hochschulabsolventin wohlwollend als Kuriosität behandelt, deren Durchhaltevermögen als Vorbild dienen soll. Tatsächlich ist es beeindruckend, dass sie es in ihrem Alter noch geschafft hat, sich ihren Traum vom Studienabschluss zu erfüllen. Die Gründe, die dem bislang entgegenstanden, werden hingegen kaum beachtet oder nur als Teil ihrer individuellen Biographie gewertet. Dabei könnte die Meldung auch Anlass zu einer Diskussion darüber geben, warum es vielen Frauen – nicht nur in Thailand – verwehrt bleibt, mit einem höheren Bildungsabschluss auch Karriere zu machen.

Kimlan Jinakul

Kimlan Jinakul

Wird ihnen nicht bereits als Kind eine längere Schulbildung vorenthalten, da der Aufwand viel zu groß wäre, wenn sie später sowieso nur Männer und Kinder zu versorgen haben, müssen sie sich spätestens als über 30jährige kinderlose Hochschulabsolventinnen beim Vorstellungsgespräch fragen lassen, wann sie denn Kinder bekommen wollen, und werden gegenüber männlichen oder jüngeren Gleichqualifizierten benachteiligt. Jüngst beschwerte sich über diesen Umstand etwa die neue neuseeländische Labour-Vorsitzende Jacinda Ardern. Thailand war eines der ersten Länder Asiens, in dem Frauen wählen durften – und zwar erstmals im Jahr 1932. Es studieren dort sogar mehr Frauen als Männer, der Anteil weiblicher Beschäftigter ist einer der höchsten weltweit. Doch in Leitungspositionen gelangen sie selten, seit der Machtübernahme des Militärs 2014 ist dies noch schwerer geworden. Jinakul will sich nach ihrem Abschluss nun vor allem als schlaue Oma um ihre Enkel und Urenkel kümmern.