Die jüngsten Affären der Republikaner in rechten US-Medien

Hexenjagd und Kriegserklärung

Die Rhetorik in rechten US-Medien wird immer schriller, seit die Russland-Ermittlungen zu Verhaftungen führen und der erz­konservative Republikaner Roy Moore des sexuellen Miss­brauchs Minderjähriger verdächtig ist.

Einer Umfrage der Washington Post und ABC News zufolge glauben 49 Prozent aller Befragten, dass US-Präsident Donald Trump im Zusammenhang mit dem Russland-Skandal gegen geltendes Recht verstoßen habe. Aber immerhin 44 Prozent sind von seiner Unschuld überzeugt. Es sollte nicht weiter überraschen, dass die Umfrageergebnisse im relativen Einklang mit den politischen Überzeugungen der Befragten stehen, denn die Ansichten vieler Amerikaner fußen nicht mehr auf Fakten, sondern auf »alternativen Fakten«, wie es die Trump-Beraterin Kellyanne Conway im Januar dieses Jahres ausdrückte. In den Fieberträumen rechter Verschwörungsphantasten ist die Untersuchung des Sonderermittlers und ehemaligen FBI-Chefs Robert Mueller nicht mehr als eine von Hillary Clinton und ihren Lakaien inszenierte Farce, um dem Präsidenten zu schaden und seine »Agenda« zu unterminieren.

Das ist das Resultat einer bedenklichen Entwicklung. Seit 2012 unterstützen der exzentrische Wall-Street-Milliardär Robert Mercer und seine Tochter Rebekah mit Geldspenden bis zu 77 Millionen Dollar im Jahr die Republikanische Partei. Es ist der von den beiden geleitete »Mercer Fund«, der unter anderem das Trump-Propagandaorgan Breitbart News finanziert, und es ist das Geld der Familie Mercer, das Steve Bannon, den ehemaligen Chef­berater Trumps, noch immer relevant macht.

In Hinblick auf Roy Moore sprach Breitbart-Chef Stephen Bannon von einem »koordinierten Angriff der Demokraten, der Medien und des republikanischen Establishments« und fügte hinzu: »Ihr wollt Krieg? Dann kriegt ihr Krieg!«

Das vermeintlich prinzipientreue »republikanische Establishment«, wie es in der Rhetorik der Trump-Anhänger heißt, hat sich in den vergangenen zwölf Monaten ohne größeren Widerstand Trump und Konsorten gebeugt, trotz deren ethnonationalistischer Rhetorik. All das wäre nicht möglich gewesen ohne eine vom sogenannten Mainstream völlig entkoppelte rechte Medienlandschaft. Einer Umfrage des Meinungsinstituts Pew Research zufolge bezogen während der Präsidentschaftswahl nur acht Prozent aller Trump-Wähler ihre Informationen auch von CNN, nur drei Prozent hörten Lo­kalradio und die Anzahl derer, die auch mal eine Zeitung gelesen hatten, war statistisch irrelevant. In der gleichen Zeit erreichten die von der russischen Regierung finanzierten Fake News über Facebook bis zu 126 Millionen Amerikaner, also etwa ein Drittel der Bevölkerung.

So existieren in den USA zwei strikt getrennte Parallelwelten – da sind einerseits die vielgeschmähten »Mainstream-Medien«, wie etwa die New York Times, die Washington Post oder eben CNN. Auf der anderen Seite gibt es ein in sich geschlossenes System konservativer Medien: Fox News, Breitbart News, diverse Verschwörungswebsites und soziale Netzwerke, die eine hermetisch geschlossene Echokammer ergeben. Hier gilt die Wahrheit als flexibel und wird nach Bedarf ­justiert.

Zum Beispiel im Russland-Skandal. Dieser wird für Trump und seine engsten Berater immer ungemütlicher. Der Präsident tut sein Bestes, um sowohl die Untersuchung als auch den Sonderermittler Robert Mueller zu diskreditieren. In einem Tweet vom 15. Juni bezeichnete er die Ermittlung als die »größte Hexenjagd in der amerikanischen politischen Geschichte«. Diese vermeintliche Hexenjagd ging Anfang November in eine neue Phase, als gegen drei ehemalige Mitarbeiter der Trump-Kampagne offiziell Anklage erhoben wurde, unter anderem gegen Trumps früheren Wahlkampfleiter Paul Manafort und dessen langjährigen Geschäftspartner Rick Gates. Als die Anklagen bekanntgegeben wurden – wegen Verschwörung gegen die USA, Geldwäsche und Steuerhinterziehung –, meldete sich Trump erwartungsgemäß schnell über sein Lieblingsmedium Twitter zu Wort. »Sorry«, schrieb der Präsident, »aber das ist schon Jahre her, bevor Paul Manafort Teil des Trump-Wahlkampfteams war. Warum sind Crooked Hillary & die Dems nicht im Fokus?«

Trump schien merklich erleichtert, dass es hier offenbar um Geschäfte mit der Ukraine geht, die zumindest auf den ersten Blick nichts mit ihm selbst zu tun hatten. Dann wurde auch gegen einen dritten Mann in Trumps innerem Kreis ­Anklage erhoben. Sein früherer außenpolitischer ­Berater George Papadopoulos war bereits am 27. Juli am Dulles International Airport bei Washington von FBI-Beamten verhaftet worden, am 5. Oktober wurde ein versiegeltes Schuldbekenntnis vor Gericht eingereicht – wegen Meineid in Hinblick auf Kontakte zur russischen Regierung – und erst am 30. Oktober wurden die entsprechenden ­Dokumente der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Was ist in den dazwischenliegenden zwei Monaten geschehen? Die ganze Zeit über wusste fast niemand, dass es überhaupt eine Verhaftung gegeben hatte. Auch Trump und sein Team hatten keine Ahnung. Der Anklageschrift zufolge bot Papadopoulos im Austausch gegen ein vermindertes Strafmaß seine Zusammenarbeit an. War er in diesen zwei Monaten im Weißen Haus? Gab es Gespräche zwischen ihm und Trump? Empfing oder verschickte er E-Mails? Hatte er Zugriff auf Dokumente? Trump reagierte auf diese Enthüllung auf uncharakteristische Art und Weise: Er hüllte sich urplötzlich in Schweigen. Auf dem Twitter-Account des Präsidenten herrschte überraschend Ruhe.

Folgt man der Story in den konservativen Medien, zeigt sich ein verzerrtes Bild. Hier zieht noch immer Lieblingsfeind Nummer eins – Hillary – an den Strippen, hier sind Trump und seine Anhänger die Opfer linker Radikaler, die das Land ins Chaos stürzen wollen. Hier steht Amerika ganz kurz vor dem Dolchstoß. Als neuste und perfideste Attacke der Linken gelten die Vorwürfe gegen den erzkonservativen ehemaligen Richter Roy Moore, der sich in einem erbitterten Wahlkampf um den Senatssitz von Alabama befindet. Er wurde am 9. November bezichtigt, im Jahre 1979 als Staatsanwalt insgesamt vier Mädchen im Alter von 14 bis 18 Jahren sexuell belästigt zu haben. Die jüngste von ihnen, Leigh Corfman, gab an, dass sie sich damals nur gewünscht habe, dass es »möglichst bald wieder vorbei ist«. Am Montag trat eine weitere Frau an die Öffentlichkeit und bezichtigte Moore der versuchten Vergewaltigung. Auf einer Pressekonferenz gab Beverly Young Nelson an, dass sie im Alter von 16 Jahren von Moore in sein Auto gelockt worden sei. »Er hat mich am Hals gewürgt«, so Young Nelson bei der Pressekonferenz, »und hat meinen Kopf in Richtung seines Schritts gepresst«.

Die Vorwürfe der fünf Frauen sind zumindest glaubhaft. Doch die Republikaner sind gespalten. Manche Sena­toren, beispielsweise Mehrheitssprecher Mitch McConnell, distanzieren sich öffentlich von Moore, vermutlich weil sie nicht mit einem Mann, der des sexuellen Missbrauchs Minderjähriger verdächtig ist, in Zusammenhang gebracht werden wollen. Doch verblüffend viele andere nehmen Moore in Schutz – angefeuert durch die rechten Medien, in denen er als Märtyrer dargestellt wird. Dort wird nun der Ruf laut, man solle nicht vorschnell handeln, immerhin gelte die Unschuldsvermutung.

Die gilt in der Tat, allerdings nur vor Gericht. Bei Wahlkämpfen ist man wohl oder übel von der öffentlichen Meinung abhängig. Und im Wahlkampf von Alabama hat binnen weniger Tage der demokratische Kandidat Doug Jones in Umfragen zugelegt, nun ist es ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Moore selbst streitet die Vorwürfe ab, allerdings eher halbherzig. In einem Interview mit dem Fox-News-Kommentator Sean Hannity am 13. November sagte Moore, dass er »generell« keine sexuellen Beziehungen zu Minderjährigen gehabt habe, und drohte, die Washington Post zu verklagen. Doch der neuesten Umfrage zufolge halten immerhin noch 42 Prozent der Republikaner weiterhin zu ihm. Breitbart-Leiter Stephen Bannon sprach von einem »koordinierten Angriff der Demokraten, der Medien und des republikanischen Establishments«, und fügte hinzu: »Ihr wollt Krieg? Dann kriegt ihr Krieg!« Die Vertreter der Presse, so Stephen Bannon, seien schließlich »Volksfeinde«.

Moore gibt sich weiterhin mehr oder minder stand- und bibelfest. Seine Gegner, so sagte er in seinem Interview mit Hannity, seien »gegen Gott«. Man könnte meinen, dass gerade fromme Christen einen solchen Mann auf Distanz hielten, aber das ist nur bedingt der Fall. »Nehmen Sie zum Beispiel Joseph und Maria«, so Jim Zeigler, der Staatsrevisor von Alabama. »Maria war eine Teenagerin und Joseph war ein Erwachsener. Und sie wurden die Eltern von Jesus. Es liegt also nichts Unmoralisches vor.« Einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Brookings zufolge sind nur noch 28 Prozent aller befragten konservativen Christen der Meinung, dass moralisch korrektes Verhalten bei Politikern auch im Privatleben wichtig sei. Als Barack Obama im Amt war, waren es noch 70 Prozent. Offensichtlich geht man in der Ära Trump gerne einmal ethische Kompromisse ein.

Tatsächlich ist am rechten Rand der Treueeid auf Moore zu einer Art Gretchenfrage geworden: Nur wer immer noch zu Moore hält, kann sich als ein »wahrer« Konservativer sehen. Um das zu beweisen, fingen am Montag diverse wütende Moore-Anhänger an, ihre Kaffeemaschinen mit Hämmern und Golfschlägern zu zertrümmern, und Videos davon auf Youtube zu posten. Der Grund: Der amerikanische Kaffeemaschinenhersteller Keurig hatte nach Sean Hannitys peinlichem Interview mit Moore die Ausstrahlung seiner Werbespots auf Fox News eingestellt. Sofort riefen die Hassprediger zum Kulturkrieg gegen die Kaffeefirma auf.

Dabei verkennen sie, dass in Wirklichkeit Trump das Wasser bis zum Halse steht, nicht nur wegen Russland und nicht nur wegen Roy Moore: Bei der Gouverneurswahl im konservativ geprägten US-Bundesstaat Virginia am 7. November konnte der demokratische Kandidat Ralph Northam nicht nur die Wahl für sich entscheiden, er hatte auch einen Vorsprung von 22 Prozentpunkten – bei Frauen. Stundenlang standen sie im Regen, um der Trump-Regierung einen Denkzettel zu erteilen, wie viele von ihnen später sagten. Das »republikanische Establishment« blickt daher mit zunehmender Nervosität auf die Midterm-Wahlen im kommenden Jahr. Doch das interessiert die rechten Medien wenig. Sie interessieren sich nicht für die Leistungsschwäche der Trump-Regierung oder das Wachsen der Protestbewegung. Sie interessieren sich weiterhin nur für ihren gerechten Zorn.