In Togo gibt es erneut Proteste gegen die autoritäre Herrschaft des Präsidenten

Genug von der Familie

In Togo gehen die Proteste der Opposition gegen eine weitere Amtszeit des autoritären Präsidenten Faure Gnassingbé weiter. Sie erhebt gegen sein Regime Foltervorwürfe und kritisiert den Einsatz von Milizen.

Die einen kommen in Haft, die anderen aus ihr heraus: Am Abend des 6. November verkündete die Regierung im westafrikanischen Togo, 42 Personen würden freigelassen, die im Zusammenhang mit den vorangegangenen Protesten zwischen August und Oktober inhaftiert worden waren. Ihre Haftentlassung wurde als Geste der Deeskalation vor den am folgenden Tag beginnenden drei Protesttagen gedeutet.

Kurz zuvor war allerdings, am Freitag vorvergangenener Woche, Anklage gegen drei andere Oppositionelle erhoben worden. Hausdurchsuchungen bei ihnen hätten unter anderem »Hüllen für Tränengasgranaten« – die sie nach aller Logik mutmaßlich auf der Straße aufgesammelt hatten – und Ferngläser zu Tage gefördert. Dies wertet die Anklage als Hinweis darauf, dass sie Gewalttaten geplant oder verübt hätten. Es handelt sich um drei Mitglieder der »Bürgerbewegung Nubuéké«, die nicht als politische Partei, sondern als Verein firmiert und vor allem den Verletzten auf den Demonstrationen seit dem 19. August Hilfe leistet. Die drei Mitglieder der Vereinigung, darunter ihr Vizevorsitzender Joseph Eza Zorobabel sowie Messenth Kokodoko, waren im Oktober festgenommen sowie nach Angaben der Opposition, ihrer Anwälte und von Nichtregierungsorganisationen wie der »Vereinigung der Folteropfer in Togo« (ASVITTO) in Polizeihaft misshandelt worden. Schwere Foltervorwürfe wurden insbesondere angesichts der Behandlung des 39jährigen Kokodoko erhoben.

In Milizen zusammengefasste, in der Regel mit Knüppeln bewaffnete, teils vermummte Zivilisten spielen seit einigen Wochen bei der Repression eine größere Rolle.

Am Dienstag, Mittwoch und Donnerstag der vergangenen Woche kam es erneut zu Straßenprotesten, die von 14 Oppositionsparteien getragen wurden. Große Demonstrationen gab es unter anderem in der Hauptstadt Lomé sowie im Südosten des Landes, etwa in Vogan, Afagnan, Ahépé und Aného. Hingegen konnten keine Straßenproteste in nördlichen Städten wie Sokodé und Bafilo stattfinden, wo sie durch die staatlichen Kräfte sowie regimenahe »Milizen«, wie die Opposition sie nennt, unterbunden wurden.

Nach übereinstimmenden Angaben kamen in den vergangenen zwei Monaten mindestens 16 Menschen auf den Demonstrationen ums Leben. Außerdem wurde eine unbekannte Zahl von Soldaten mutmaßlich von aufgebrachten Zivilisten gelyncht – entsprechende Fotos zirkulieren seit über einem Monat –, das Regime räumt inzwischen den Tod zweier Soldaten ein. Präsident Faure Gnassingbé gab allerdings in einer Rede vor Militärangehörigen der Opposition die Schuld nicht nur am Tod der beiden Soldaten, sondern auch an dem zweier Kinder, die in Mango und Sokodé bei der Niederschlagung von Demonstrationen getötet worden waren.

Die Bedeutung von in Milizen zusammengefassten, in der Regel mit Knüppeln bewaffneten, teils vermummten Zivilisten – Angehörige des Lumpenproletariats sowie der Ethnie des Präsidenten aus dem Umland der Stadt Kara – bei der Repression ist in den vergangenen Wochen größer geworden. Offiziell bezeichnen diese sich als »Selbstverteidigungsgruppen«, die angeblich Eigentum vor Plünderungen schützten. Am 24. Oktober äußerte Heather Nauert, eine Sprecherin des US-Außenministeriums, Besorgnis über Nachrichten, dass »von der Regierung unterstützte Milizen Gewalt und Gewaltdrohungen einsetzen, um Demonstrationen zu beeinträchtigen und Zivilisten einzuschüchtern«.

Die Demonstrierenden fordern einen Rückzug der – die Amtszeit von Vater Eyadema Gnassingbé und Sohn Faure zusammengerechnet – seit 50 Jahren ununterbrochen regierenden Präsidentenfamilie. Die Proteste wurden heftiger, nachdem ein neuer Oppositionsführer, Tikpi Atchadam vom Ende 2014 gegründeten Parti National Panafricain (PNP), Teile der Bevölkerung im Norden Togos mobilisiert hatte. Bis dahin war der Norden eine Hochburg des Regimes, denn die Familie Gnassingbé stammt aus Kara und unterhielt dort seit Jahrzehnten klientelistische Verbindungen, während die Opposition stärker im Süden konzentriert war.

Das Regime versucht, Atchadam, der der stärker im Norden verankerten muslimischen Minderheit angehört, implizit als Islamisten darzustellen, wofür es der Pariser Abendzeitung Le Monde zufolge »keinerlei Anhaltspunkte« gibt. Der studierte Jurist Atchadam, dessen Partei laut dem französischen Sender TV5 Monde vor allem von togolesischen Migranten in Deutschland finanziert wird, zitiert in seinen Reden gerne Mahatma Gandhi. Aus Regimekreisen wurde auch das Gerücht lanciert, Atchadam habe »antisemitische Tendenzen«, weil die großen Straßenproteste und -kämpfe im September dazu geführt hatten, dass Gnassingbé den geplanten Afrika-Israel-Gipfel in Lomé auf unbestimmte Zeit verschob. Der Staat Israel ist Waffenlieferant mehrerer afrikanischer Diktaturen, etwa Togo und Kamerun. Antijüdische Beweggründe hat die Opposition keine, dieses Thema spielt in der togolesischen Politik keinerlei Rolle.

Zu den wichtigsten Verbündeten Togos zählen – neben deutschen Firmen – nach wie vor Frankreichs Wirtschaft und Regierung. Togo hat vor allem deswegen ökonomische Bedeutung, weil Lomé den einzigen Tiefseehafen Westafrikas aufweist. Die Konzession hält der französische transnationale Konzern Bolloré. Anfang November wurde publik, Frankreich könnte fünf Kampfhubschrauber vom Typ »Gazelle« aus Armeebeständen, deren Lieferung im Mai ausgesetzt worden war, in Kürze nun doch an Togo ausliefern.

In der Region versucht zwar die Mehrzahl der Nachbarstaaten, Gnassingbé zu einer Beschränkung seiner Amtszeiten und zumindest mittelfristig zur Aufgabe zu bewegen. Derzeitiger Präsident der Kommission der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ist jedoch Marcel de Souza, ein Staatsangehöriger des Nachbarlands Benin – und Schwager von Gnassingbé. Kurzfristig muss dieser sich um einen Mangel an Verbündeten wohl noch keine Sorgen machen.