Beim Lesben- und Schwulenverband wird über bessere Arbeitsbedingungen gestritten

Belastende Arbeit, befristete Verträge

Beschäftigte des Bildungswerks des Lesben- und Schwulenverbands Berlin-Brandenburg setzen sich für bessere Arbeitsbedingungen ein. Doch der Geschäftsführer spricht ihrer Gewerkschaft die Legitimation ab.

»Ich habe noch nie so wenig Wertschätzung erfahren für meine Arbeit wie beim Lesben- und Schwulenverband«, stand auf dem Schild, das sich Katrin Meinert* umgehängt hatte. Ihre Kollegin Sabine Stein* mahnte auf ihrem Schild den Respekt an, der auch das Ziel ihrer Vereinsarbeit sei. Der Kollege, der neben ihr stand, teilte auf seinem Schild mit: »Ich traue mich nicht wirklich, über die Missstände zu reden.«

Die drei arbeiten beim Bildungs- und Sozialwerk des Lesben- und Schwulenverbands Berlin-Brandenburg (BLSB). Seit Monaten setzen sie sich für bessere Arbeitsbedingungen ein. Zunächst hatten sie sich an die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi gewandt, wählten dann aber die Basis­gewerkschaft Freie Arbeiterinnen- und Arbeiterunion (FAU) als Interessenvertretung.

Am Donnerstag vergangener Woche haben sie mit einer Kundgebung vor dem Büro des BLSB in Berlin-Schöneberg den Arbeitskonflikt öffentlich gemacht und Flyer mit ihren vier zent­ralen Forderungen an die Passanten verteilt. Sie fordern einen Tarifvertrag, die Anerkennung der FAU-Betriebsgruppe als innerbetriebliches Mitbestimmungsorgan, die Entfristung ihrer Arbeitsverträge und die Einrichtung einer innerbetrieblichen Beschwerdestelle. »Es ist absurd, dass der BLSB, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, für Respekt und gegen Diskriminierung anzutreten, diesen Grundsätzen im eigenen Betrieb keine Beachtung schenkt«, kritisiert Meinert.

 

Keine Freizeit, Burn-out, Sorgen um die Zukunft

Die Beschäftigten im Bildungswerk haben ein großes Aufgabengebiet. Dazu gehört die Bekämpfung von Homophobie im Fußball ebenso wie die Arbeit an Schulen und in Jugendeinrichtungen. In den vergangenen Jahren ist die Arbeit mit Flüchtlingen in den Mittelpunkt gerückt. Vor allem aus Syrien, aber auch anderen Staaten der Region seien viele queere Menschen nach Deutschland gekommen. »Sie sind vor den repressiven Zuständen in ihren Heimatländern geflohen und dann in den Flüchtlingsunterkünften vielfach erneut Diskriminierung aus­gesetzt. In den vergangenen Monaten haben viele von ihnen bei uns Unterstützung gesucht«, erzählt Stein. Alle Beschäftigten betonen, wie sehr sie ihre Tätigkeit schätzten, aber auch, wie belastend sie sei. Ein Indiz ist die steigende Zahl der Erkrankungen in den vergangenen Monaten. Was die Beschäftigten des BSLB hier ansprechen, kennzeichnet viele Tätigkeiten im ­sozialen Bereich. Die Beschäftigten haben oft keine Freizeit mehr und kämpfen angesichts der Belastungen mit Burn-out und Überlastung. Da ist es besonders widrig, wenn sich engagierte Beschäftigte Sorgen um ihre Zukunft machen müssen.

»Stellen Sie sich vor: Jedes Jahr zu Weihnachten wissen Sie noch nicht, ob Sie im neuen Jahr Ihren Job noch haben werden.« Sabine Stein*, seit fünf Jahren Beschäftigte des BLBS

»Stellen Sie sich vor: Jedes Jahr zu Weihnachten wissen Sie noch nicht, ob Sie im neuen Jahr Ihren Job noch haben werden«, klagt Stein. Sie arbeitet seit fünf Jahren beim Bildungs- und Sozialwerk des BLSB. Wie bei den meisten Beschäftigten ist ihr Arbeitsvertrag befristet. »Jedes Jahr muss ich mich neu bewerben und immer wieder besteht die Unsicherheit, ob ich weiterbeschäftigt werde«, schildert auch Kerstin Kronert* die prekäre Situation der etwa 20 Beschäftigten des BLSB. »Entfristung jetzt«, lautete eine Parole, die sie bei der Kundgebung vor dem BLSB-Büro riefen.
Doch Geschäftsführer Jörg Steinert argumentiert mit Sachzwängen. Die Befristung sei der alljährlichen Mittelbewilligung für den Verein geschuldet.

»Es bleibt bislang bei einer Projektförderung, die eine Befristung von Arbeitsverträgen für die jeweilige Projektlaufzeit mit sich bringt«, sagte er dem queeren Magazin Blu. Steinert weist darauf hin, dass der Berliner Senat bisher nicht über einen Antrag auf institutionelle Förderung seines Vereins entschieden habe. Mit dieser Förderungsform würde größere Planungssicherheit gewährleistet.

Der FAU-Sekretär Valentin Dormann widerspricht diesen Argumenten. Es sei durchaus möglich und in vielen Vereinen mit Projektförderung übliche Praxis, die Beschäftigten mit unbefristeten Verträgen zu beschäftigen, sagte er der Jungle World. Daher akzeptiert Dormann auch Steinerts Begründung für die jüngsten Kündigungen von 16 ­BLSB-Beschäf­tigten nicht. Für Steinert handelt es sich um turnusmäßige Entlassungen zum Ende der Projektförderung und nicht um ein Druckmittel in den Verhandlungen zwischen der FAU und dem Verein. »Es gibt keine Verhandlungsbasis, wenn die Arbeitgeberseite sich weigert, den Beschäftigten eine Perspektive über das Jahresende hinaus zu gewährleisten«, sagte Dormann. Daher sei die Tarifkommission der FAU gezwungen gewesen, die Gespräche mit dem BLSB abzubrechen. Dormann weist auch darauf hin, dass mehrere Beschäftigte abgemahnt wurden.

 

»Die FAU besitzt die Legitimation, einen Tarifvertrag abzuschließen«

»Die FAU hat die Gespräche abgebrochen. Daher sehen wir keine Veranlassung, zu deren Forderungen oder Behauptungen Stellung zu nehmen«, sagte Steinert der Jungle World. Damit umging er die Frage, ob er sich eine Wiederaufnahme der Gespräche mit der Basisgewerkschaft vorstellen könne. In einer Stellungnahme für Blu sprach er der FAU die gewerkschaftliche Legitimation ab. »Gemäß Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts Berlin und des Kammergerichts ist die FAU nicht tariffähig. Sie ist damit im Gegensatz zu richtigen Gewerkschaften nicht zum Abschluss von verlässlichen Tarifverträgen berechtigt. Die Rechtmäßigkeit von Arbeitskampfmaßnahmen leitet sich nach ständiger Rechtsprechung aus der Tariffähigkeit ab. Daher sind Arbeitskampfmaßnahmen, die durch die FAU initiiert werden, rechtswidrig.«

Für die FAU ist das inakzeptabel. Hier spreche ausgerechnet der Geschäftsführer des BLSB, der sich den Kampf gegen Diskriminierung zur Aufgabe ­gemacht habe, den Beschäftigten das Grundrecht ab, sich in der Gewerkschaft ihrer Wahl zu organisieren, moniert Dormann. »Die FAU Berlin ist im BLSB die Mehrheitsgewerkschaft und besitzt somit die Legitimation, einen Tarifvertrag abzuschließen«, stellt Dormann klar.

In den nächsten Wochen wird sich zeigen, ob sie dafür stark genung ist. Bei der Kundgebung war die Entschlossenheit der Beschäftigten spürbar. Einige wurden nachdenklich, als ein Passant mit Blick auf die Parolen auf den Schildern zu Bedenken gab: »Viele derjenigen, die so viel von Respekt sprechen, haben nichts gegen kapitalistische Ausbeutung.«

 

* Name von der Redaktion geändert. Durch einen Übermittlungsfehler waren in einer früheren Fassung dieses Textes Namen verwechselt worden.