Das Pop-Jahr 2017: Eine gemischte Bilanz

House of Charts: Alexa, besorg’ neue Männer

Helmut Kohl ist tot, Harvey Weinstein erledigt und Bushido hat’s im Rücken. Die Popkultur 2017 im Rückblick.

Die Pophits des Jahres sind zwei heterosexuelle Anbaggernummern wie aus dem Lehrbuch der Popakademie in Mann-Heim: »Shape of You« von Ed Sheeran und »Despacito« von Luis Fonsi, auch bekannt im ­Remix mit Justin Bieber.

An der Spitze der globalen Charts wird also weiter fleißig rumgebaggert mit Baccardi- und Ice-in-the-Sunshine-Feeling. Marimba!
Ed Sheeran bleibt trotzdem every­body’s darling als Star der Nullerjahre-Gitarren-Alleinunterhalter-Fraktion mit Loop-Pedal unterm Turnschuh und David Beckhams Nummer im Handy.

Im Herbst des Jahres wird Hollywood-Mogul Harvey Weinstein von seinem Produzententhron gestürzt. Jahrelang hatten zahlreiche von dem selbsterklärten Feministen belästigte und sogar vergewaltigte Schauspielerinnen geschwiegen – schließlich kannte er sogar den ehemaligen Präsidenten der Vereinigten Staaten persönlich und ist ein Freund Hillarys.

#Dabei war es für die meisten ­Menschen in seiner Umgebung ein offenes Geheimnis, dass er über­griffig und tyrannisch war. Nun musste er unter dem Druck der Öffentlichkeit seinen fleckigen Hut nehmen.

 

Nach Vinyl soll das Tape angeblich das nächste zukunftsträchtige Medium auf dem Nischenmarkt sein. Deutschland ist mit knapp 100 000 verkauften Kassetten der größte Markt weltweit.

Mediale Hexenjagden sind sicherlich abzulehnen, ein erster Hausputz bei den großen Filmstudios in aller Welt, allen voran im Schweinestall Hollywoods, war aber überfällig. Weitere Schauspieler und Filmemacher, unter ihnen der »House of Cards«-Bösewicht Kevin Spacey, werden öffentlichkeitswirksam angezeigt. Netflix beendet die Zusammenarbeit mit dem Darsteller des skrupellosen Wohnzimmerpräsidenten, Regisseur Ridley Scott entschließt sich zu einem in der Kinogeschichte bisher einmaligen Eingriff: Er schneidet alle Szenen mit Spacey aus seinem Geiseldrama »Alles Geld der Welt« heraus – Gutmenschentum oder Angst vor dem Flop?

 

Kevin Spacey

Ein weiterer Publikumsliebling stürzt vom Podest: Der Stand-up-Comedian Louis C.K. gesteht, Frauen sexuell belästigt zu haben, und darf die Krise des modernen Mannes künftig nur noch mit seinem Psychiater ausdiskutieren.

Mit Vergewaltigung und deren Folgen beschäftigen sich sowohl das ­iranische Drama »The Salesman«, das »Toni Erdmann« den Oscar für den besten fremdsprachigen Film wegschnappte, als auch Paul Verhoevens verstörender Rachethriller »Elle« – mit einer abgründigen Isabelle Huppert in der Hauptrolle.

Für Awareness in den Streaming-Playlisten und Musikfeuilletons sorgt auch dieses Jahr wieder Kendrick Lamar. Diesmal mit einem ­weniger von Jazz- und P-Funk durchtriebenen HipHop-Album, auf dem sogar Bono vertreten ist.

Das neue U2-Album pünktlich zum Weihnachtsfest will sich dann trotzdem keiner mehr anhören, auch weil Bono – so wie sein ewiger Benefizkumpan Bob Geldof – als Anleger in den »Paradise Papers« zu finden ist. Darum mussten Bono und The Edge am Nikolaustag in der Berliner ­U-Bahn spielen (U2). Dort konnte ihnen der treue, heimliche Fan un­bemerkt ein paar Euro in den Becher legen.

Mit Walkman und Mixtapes voller Songs aus den Siebzigern geht es weiter im herrlich bescheuerten »Guardians of the Galaxy«-Team. So können die Eltern der Money Boys & Girls ihnen weiterhin gute Musik ­unterjubeln. Der Soundtrack des ersten Teils heimste Platin ein. »Mr. Blue Sky« von Electric Light Orchestra eröffnet in diesem Jahr den wunderbaren Weltraumquatsch, bei dem es völlig nebensächlich ist, ob und wie die Galaxie nun gerettet wird.

Nach Vinyl soll das Tape angeblich das nächste zukunftsträchtige Medium auf dem Nischenmarkt sein. Deutschland ist mit knapp 100 000 verkauften Kassetten der größte Markt weltweit. Der Carmen-Nebel-Schau sei Dank.

Unter dem Hashtag #metoo wird nach Weinsteins Thronsturz ein ­virtueller Beichtstuhl eröffnet. Millionen von Frauen, aber auch Männer, twitterten von sexuellen Übergriffen – nicht nur im Filmgeschäft, sondern auch im Europaparlament, in der Schule, in Bars oder bei ihrem Zahnarzt. Einige Männer nutzen den Hashtag #Ihave, um sich als reuige Täter zu bekennen. Auf dem Jahresendtitel des Magazins Time 2017 landeten #metoo-Aktivistinnen wie Taylor Swift, Ashley Judd und Susan Fowler.

 

Hasch, Tags und Hustensaft

In der Volkswagenrepublik Deutschland gibt es unterdessen mit »Was du Liebe nennst« von Bausa die erfolgreichste deutschsprachige Hip­Hop / Rap-Single aller Zeiten. Das verkündet zumindest der Bundesverband der Musikindustrie. Wobei es strenggenommen doch eher ein Schlager mit Autotune als ein Hip-Hop-Stück ist.

Überhaupt Autotune: Die Trap-Generation dreht weiter kräftig auf!

Da kann man kulturpolitisch hineininterpretieren, was man will: Von der glatten Oberfläche in Digitalien bis hin zur Zwangsindividualisierung in der korrupten Leistungsgesellschaft mit Aussichten auf Hartz IV oder Arbeit 4.0. Die von Hasch oder Hustensaft berauschten Wolkenstimmen dominieren auch ohne feuille­tonistische Legitimation die Boomboxen der Minecraft-, Playstation- und Youtube-Jugend.

Für die Vinyl kaufende Generation X gibt es dafür wieder allerhand originalbesetzte Alben und Lieblingsband-Comeback-Tourneen: Von Ride über Godspeed You! Black Emperor bis Slowdive. Nur die Gallagher-Brüder warten mit ihrer Reunion noch ein paar Kontoauszüge, während Damon Albarn und seine Gorillaz wieder mal ein virtuelles Album für die ganze Familie veröffentlicht haben: »Alexa, spiel ›Humanz‹ ab.«
Das Flanellhemd kommt auch wieder zurück. Es wird in die hochtaillierte Hose gesteckt. Dazu werden Doc Martens und Bomberjacken in nahezu allen Lebenslagen getragen.

Die bei rechten Skins früher nicht unpopuläre Boxermarke Londsdale investiert weiter fleißig in die Antifa: Feine Sahne Fischfilet inklusive.
Mit Grant Hart von Hüsker Dü stirbt eine der wichtigsten Figuren der ­ursprünglichen Slacker-Generation tragischerweise arm wie eine Kirchenmaus.

Tape
Bild:
Wikipedia / Thegreenj / CC BY-SA 3.0

 

Schluss mit höflich

Tiger Girl aus dem gleichnamigen Film hat den richtigen Rat für alle bedrängten Frauen: »Höflichkeit ist eigentlich auch nur so ’ne Art Gewalt. Gegen dich!« stellt sie in dem von Timon Schaeppi brillant gefilmten Mumblecore-Actionfilm fest. Zu Deutsch: Eine Armlänge Abstand bringt es nicht!

Begehrte Männertrophäen einsacken und Kriegsszenarien eindrucksvoll in Szene setzen – das sind die Stärken der Oscargekrönten ­Regisseurin Kathryn Bigelow. Zur Erinnerung: Sie gewann 2010 als erste Frau den Regie-Oscar und setzte sich damals pikanterweise gegen ihren Ex-Mann James Cameron durch. Nun liefert sie mit dem Drama »Detroit« erneut einen adrenalinhaltigen, verstörenden Film ab, diesmal über die Unruhen 1967 in Detroit.

Sofia Coppola vollzog mit ihrer letzten Arbeit, dem atemberaubend ­fotografierten und ausgestatteten Südstaatendrama »Die Verführten«, einen feministischen Perspektivwechsel. Der zugrundeliegende Roman von Thomas P. Cullinan, »A Painted Devil«, wurde bereits von Dirty-Harry-Regisseur Don Siegel entsprechend machohaft verfilmt. Der Film brachte ihr auf den Filmfestspielen in Cannes als zweiter Frau des stets von Männern dominierten Festivals den Regiepreis ein. To be continued …

 

Die Progression der Geisterstunde

Mit Mark Fisher begeht zu Beginn des Jahres einer der bedeutendsten Geisterforscher und Poptheoretiker unserer Zeit Selbstmord. John Maus, Bruder im Geiste, kommt nach schwerer Depression mit einem neuen Album auf Tournee: »Screen ­Memories«.
Weiterhin scheint nur eines gewiss: Die Welt bleibt seltsam und gespenstisch.
Mit Helmut Kohl stirbt eine der wichtigsten Figuren der deutschen Fun-Punk-Bewegung. Ja, doch! Ohne Helmut Kohl sicher keine Toten Hosen, Ärzte, Goldenen Zitronen oder Studio Braun.

Apropos Studio Braun: Sie bringen Heinz Strunks Bestseller »Der goldene Handschuh« auf die Bühne des Hamburger Schauspielhauses. Die Spelunke als Zufluchts- und Sehnsuchtsort der einstigen Bonner ­Republik. Ein Land auf dem mühseligen Weg von der Kneipe in die Cloud.

Wo wir gerade in der alten Hansestadt sind: Der Golden Pudel Club nimmt im August seinen Betrieb wieder auf. Den Betreibern ist aber spätestens seit dem G20-Gipfel der Spaß daran, die Elbphilharmonie der Herzen zu sein, komplett vergangen. Die Gruppe Kettcar springt ein: »Ich vs. Wir!«
Der Musikkritiker Berthold Seliger veröffentlicht mit »Klassikkampf« ein kluges Buch über die Gegenwart im Klassikbetrieb. Über das Falsche des Begriffs der »Klassik«, über nation building mit Hilfe der Wohltem­perierung des Klaviers und über die Vereinfachung der Musik zu Gunsten der Sponsoren! Neoklassik inklusive.

Der Jazzbetrieb bewegt sich weiter in Richtung Popularität: Auf Konzerten von Kamasi Washington und Thundercat versammeln sich zahlreiche Leute, die man in der Woche zuvor noch bei Anna-Lena Schnabel hätte sehen können. Und womöglich eine Woche später bei Benjamin ­Clementine. Oder bei Arcade Fire: Everything Now!

»Everything Now« meint hoffentlich auch die Auseinandersetzung mit Chancenungleichheit in der Gegenwart. Die lebenslange Suche ­eines homosexuellen Afroamerikaners nach der eigenen Identität schnappte bei der pompösesten Preisverleihung des Jahres jedenfalls zu Recht dem aufregend inszenierten Hollywood-Musical »La La Land« im wahrsten Sinne des Wortes den Oscar vor der Nase weg: Berry Jenkins Meisterwerk »Moonlight« ist gemeint.

La-La-Lover Ryan Gosling, bei dem wir uns gelegentlich fragen, ob er schauspielert oder mit angeborenem Hundeblick durchs Bild läuft, darf im neuen »Blade Runner« die Hauptrolle des Replikantenjägers Officer K spielen. Harrison Fords schwitziger Weltschmerz aus dem Jahre 1982 packte uns mehr. Wir waren jung und hatten noch schmutzige Replikantinnenträume! Die einzige halbwegs ­interessante Frauenfigur in dem beeindruckend, aber seltsam steril ­fotografierten Sequel ist ausgerechnet eine Hologrammfrau, die somit eigentlich gar nicht existiert. Die Frage, was es bedeutet, ein Mensch zu sein, wurde auf jeden Fall von Rutger Hauer schon filmisch herzergreifender aufgeworfen.

 

Ed Sheeran

Der neue Mann trägt die alten Flanellhemden auf: Ed Sheeran

Bild:
picture alliance / empics / Ian West

Horror, Brexit, Bandscheibe

Viel Druck lastet nicht nur auf Replikantinnen, sondern auch auf den Schultern der deutschen Popstars! Teens und Twens als gierige, nimmersatte Shitstorm-Zombies auf der Konsumentenseite.

So verschiebt Rapper Casper sein Album »Lang lebe der Tod« um ein Jahr wegen eines Burnouts und triumphiert nach der Veröffentlichung im September revitalisiert in den Medien. Auch sein Rostocker Kollege Marteria, schon vor Casper gesundheitlich durch Drogenmissbrauch stark ­angeschlagen, regiert 2017 wieder die Festivalbühnen! Bushido hat Bandscheibe, kann nicht arbeiten und lässt sich krankschreiben.
Der Wille zur vorbildhaften alpha-mannhaften Hochleistung aber scheint ungebrochen. Der prokrastinierende Teenager zappt lieber gleich wieder rüber zu Trettmann und feiert dessen Album »#DIY«.

Mit Bilderbuch, Wanda und Yung Hurn bleibt Österreich in den Play­listen der Deutschpophörer ein zuverlässiges Partnerland. Sicher wünscht sich mindestens die CSU-Spitze auch in politischen Fragen mehr Einflussnahme aus dem Land der Käsekrainer.

In der »Brexit«-Zone versuchen The XX ihren Shoegaze- und Depro-Sound erfolgsorientiert in Richtung Hochglanz-pop auszubauen und klingen plötzlich wie eine neue Ausgabe von Everything but the Girl. Auch Feist kommt zurück, aber die Kritiker einigen sich auf St. Vincent. Die große Meisterin im Leistungskurs Pop 2017 ist allerdings ein Wunderkind mit ihrem Album »Melodrama«: summa cum Lorde! Man verzeihe uns den schlechten Wortwitz, aber die Karnevalszeit hat begonnen.

LCD Soundsystem zeigt mit »American Dream«, dass es heutzutage ge­rade mal sieben Jahre Pause braucht, um vom »Comeback des Jahres« zu sprechen. Klar, 2010, da war ja gerade mal iPhone4. Horror!

Grauenerregend sind in diesem Jahr zwei überaus intelligente Horrorfilme: Colm McCarthys »The Girl with All the Gifts«, in dem ein Zombiemädchen menschlichere Züge trägt als die meisten Menschen, und »Get Out«, der bereits zu den drei erfolgreichsten Horrorfilmen aller Zeiten zählt. Jordan Peeles Film zeichntet ein hässliches Bild der Menschheit. Der wahre Horror in diesem durchaus auch komischen Film ist nämlich der Rassismus.

Witz beweist auch Patty Jenkins, die Regie bei »Wonder Woman« geführt hat, dem besten DC-Film seit langem. Hauptdarstellerin Gal Gadot bewährt sich in der Comicverfilmung als verständnisvolle, feministische Blockbuster-Ikone auf den Schlacht­feldern des Ersten Weltkriegs.
Auch Regisseurin Gurinder Chadha zeigt, dass ein friedliches Miteinander längst nicht zu den Anliegen der meisten Menschen zählt. In ihrem Historiendrama »Der Stern von Indien« erfährt das Publikum, dass der letzte Vizekönig Indiens, Lord Mountbatten, lediglich eine Marionette der britischen Krone war. Churchill zog im Hintergrund aus eiskaltem, geopolitischem Kalkül die Fäden bei der schmerzhaften und verlustreichen Teilung Indiens. Was für eine erhellende filmische Geschichtsnachhilfestunde.

An Bollywood und Lollywood (aus Pakistan) interessierte Musiklieb­haber suchen weiter nach neuen Funden im Bereich »Outernational ­Music«. Endlich sind Begriffe gefunden, mit denen sich das ewig lästige popkoloniale Ungenre der »World Music« überschreiben lässt. Labels wie Habibi Funk, Finders Keepers oder Awesome Tapes From Africa bieten spannende Wiederveröffentlichungen von Mutter Erde und Outa Space.

Neil Young veröffentlicht unterdessen seinen kompletten Katalog im Internet auf seiner eigenen Web­site: The Neil Young Archives. 24-Bit-Filestream inklusive. Nach seinem gescheiterten Hochqualitätsportal namens Pono nun also das ultima­tive audiophile digitale Vermächtnis des 72jährigen Grunge-Großvaters, der immer noch am schönsten von uns allen auf seinem Instrument jaulen kann … Kann man sich das neue Album von The War on Drugs getrost sparen …

Sadomasochistische Foucault-Leser freuen sich indes über die Wiederveröffentlichung des vollständigen Katalogs von Throbbing Gristle als opulentes Boxset. Fans von Genesis Breyer P-Orridge crowdfunden für die Behandlung ihres an Leukämie erkrankten Meisters.

Auf ihrem Nachttisch liegt »Art, Sex, Music«, die frischgedruckte Auto­biographie von Cosey Fanni Tutti, in ihrem DVD-Player womöglich die beiden eigensinnigsten Liebesfilme des Jahres: Aisling Walshs phantastisches Biopic »Maudie« über die bereits als Kind schwer an Arthritis erkrankte irische Volkskünstlerin Maud Lewis, die von Sally Hawkins atemberaubend verkörpert wird, sowie der diesjährige Berlinale-Gewinner »Körper und Seele« der ungarischen Regisseurin Ildikó Enyedi. Nachts träumt das angehende Pärchen denselben Traum von sich sanft beschnuppernden Hirschen, tagsüber arbeiten sie im Schlachthaus. Ein fein abgeschmecktes Gefühlsgulasch.

 

Roskilde

Deutlich weniger tiefentspannt: Damon Alban

Bild:
Wikipedia / Bill Ebbesen / CC BY 3.0

Schwarze Listen auf dem »Planet der Affen«

Wie bei den Goldenen Zitronen in ihrem Song »Wir verlassen die Erde« muss die gewalttätige Zivilisation in Matt Reeves’ furiosem letztem Teil der Saga »Planet der Affen« als enttäuschte Herde untergehen. In einer mit Konflikten überzogenen Welt, in der durchgeknallte Machthaber wie Kim Jong-un, Erdoğan und Donald »Kukident« Trump das Sagen haben, erscheint die Geschichte um den letzten Kampf zwischen einem ­faschistischen Colonel – einem Wiedergänger des wahnsinnigen Colonel aus Francis Ford Coppolas »Apocalypse Now« – und dem intelligenten Affen Caesar, der mit furchtbaren Rachegelüsten ringt, erschreckend aktuell. Doch bevor wir untergehen, mögen die ignoranten Mitglieder der Filmakademie noch rasch Motion-Capture-König Andy Serkis endlich mit Oscars für sein geniales Spiel überhäufen.

Wir bleiben beim Superlativ der Effekte: »Baby Driver« von Edgar Right schlägt »La La Land« mit einer noch furioseren Eröffnungssequenz. Wenn der titelgebende blutjunge Fluchtfahrer zu den Klängen von »Bellbottoms« der Jon Spencer Blues Explosion aufs Gaspedal tritt, heißt es nur noch »Bitte anschnallen!« im Zuschauersessel. Wer den musiküberladenen Heist-Actionthriller verpasst hat, sollte sich mit dem Nachsitzen womöglich beeilen: Wer weiß, ob der Film mit Kevin Spacey in der Rolle des Gangsterbosses Doc nicht schon bald auf der schwarzen Liste landet.

Schwarze Listen auch auf den Popfestivals. Also known as BDS-Acts wie die Young Fathers oder Islam Chipsy boykottieren das vom Senat finanzierte Berliner Popkulturfestival wegen des Logos der israelischen Botschaft auf dem Plakat. Der neue ­Intendant der Volksbühne, Chris Dercon, gerät schon wieder in die Schlagzeilen, weil Kate Tempest – auch BDS-Sympathisantin – ein Er­öffnungskonzert für die Volksbühne im Tempelhofer Flughafen absagt.

Die ARD beendet die Kooperation mit dem BDS-Wortführer ­Roger ­Waters. Nick Cave und Radiohead beziehen explizit Stellung ­gegen BDS und treten in Israel auf!

Neues von Asterix. Der Asterix der deutschen Fernsehunterhaltung (Jan Böhmermann) nimmt mit seinem Redaktionsteam pünktlich zur Echo-Verleihung die Deutschpopmusikindustrie aufs Korn.

Max Giesinger nimmt es gelassen und die Band, der man mit »Still« die Blaupause für den Emo-Deutsch­rockpop-Song der letzten Jahre überhaupt erst zu verdanken hat, löst sich endgültig auf!

Aber vor dem Deutschpop-Schlager graust es längst niemanden mehr. Dafür reüssieren die zweite Staffel von »Stranger Things« und die Neuverfilmung von Stephen Kings »Es«. Gerne hätte man gehört, was Mark Fisher dazu gesagt hätte. Zu Horror und Retromanie auf der Leinwand.