In Griechenland könnte die neonazistische Partei Chrysi Avgi bald verboten werden

Langsam dämmert es

In Griechenland verliert die neonazistische Partei Chrysi Avgi an Mitgliedern, die Umfragewerte stagnieren. Dies ist unter anderem der Aktivität der antifaschistischen Bewegung zu verdanken.

Für Antifaschisten ist es eine erfreuliche Entwicklung: Die Bedrohung durch die neonazistische Partei Chrysi Avgi (Goldene Morgenröte) ist nicht mehr so groß wie noch vor wenigen Jahren, zudem droht zahlreichen griechischen Neonazis eine Haftstrafe und der Partei ein Verbot. Im April 2015 begann ein Prozess gegen Mitglieder von Chrysi Avgi. Im Prozess geht es auch darum, ob es sich bei Chrysi Avgi um eine kriminelle Organisation handelt. Die Angeklagten werden für zahlreiche, zum Teil tödliche Angriffe auf Migranten und Linke verantwortlich gemacht, darunter der Mord an dem Rapper Pavlos Fyssas im September 2013. 69 Angeklagte stehen nun vor Gericht. 18 von ihnen wurden 2012 als Abgeordnete für Chrysi Avgi ins Parlament gewählt. In jenem Jahr hatte die Wirtschaftskrise Griechenland längst voll getroffen und die neonazistische Partei konnte kräftig zulegen. Mit fast sieben Prozent der Stimmen gelang ihr damals der Einzug ins Parlament.

Seit einigen Jahren gibt es innerparteiliche Konflikte, hochrangige Parteimitglieder treten aus, Parteibüros schließen oder funktionieren nur zum Teil. Die finanzielle Unterstützung für die Partei hat der griechische Staat bereits 2013 eingestellt. Seit vergangener Woche ist ihr Twitter-Account gesperrt, da der Dienst stärker gegen hate speech vorgehen will. Facebook und Instagram ­haben die Konten der Partei bereits gelöscht. Eine wichtige Rolle für die juristische Verfolgung ihrer Verbrechen spielte die antifaschistische Bewegung. »Wenn es keinen antifaschistischen Aufstand gegeben hätte und auch nicht die Massenproteste nach der Ermordung von Pavlos Fyssas, hätte diese Strafverfolgung nicht beginnen können. In der Tat war es die öffentliche Empörung, die den Staat dazu brachte, die Straffreiheit, die Chrysi Avgi jahrelang genoss, zu beenden«, betont Thanasis ­Kabagiannis, ein Anwalt der Zivilkläger.

Es gibt innerparteiliche Konflikte, hochrangige Parteimitglieder treten aus, Parteibüros schließen oder funktionieren nur zum Teil.

Die großen Medien verfolgen den Prozess nicht ausreichend, wichtige Informationen finden jedoch dank der Initiative »Golden Dawn Watch« den Weg in die Öffentlichkeit. Deren akkreditierte Mitarbeiter protokollieren das Gerichtsverfahren und stellen die Mitschriften ins Netz. »Je mehr Öffentlichkeit dieser Prozess erfährt, desto klarer wird die Rolle von Chrysi Avgi«, sagt Elisavet, eine Anwältin, die ehrenamtlich bei der Initiative mitmacht. Zudem stärke das die antifaschistische Bewegung.

Die Zeugenbefragungen hätten einiges zutage gebracht, erzählt Kabagiannis. »Es wurde nicht nur belegt, dass die Verbrechen begangen worden sind. Es wurde auch bewiesen, dass es sich nicht um einzelne Initiativen oder spontane Aktionen einiger Mitglieder Chrysi Avgis handelte.« Vielmehr seien die Verbrechen im Rahmen eines koordinierten Vorgehens der Partei begangen worden. Die Brutalität der Neo­nazis verdeutlichte unter anderem die Aussage einer geschützten Zeugin von Anfang Dezember: Die Partei habe ihre Mitglieder darin geschult, bei der Schlachtung von Tieren die Schlagader zu finden, um diese Technik dann bei Menschen anzuwenden, so die Zeugin.

»Die Forschung zeigt, dass in Zeiten der Krise die Extreme gestärkt werden. Im Falle Griechenlands war es der Rechtsextremismus«, sagt Vassiliki Georgiadou, eine Politikprofessorin an der Athener Panteion-Universität. ­Obwohl die Wirtschaftskrise ungebrochen anhält, sind Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus in Griechenland nicht in dem Maße gewachsen wie befürchtet. Bei den Wahlen im September 2015 erhielt Chrysi Avgi zwar erneut knapp sieben Prozent der Stimmen und wurde drittstärkste ­Partei im Parlament, die Umfragewerte stagnieren aber seither. Der Rechts­extremismus konnte sich nicht so etablieren, wie es in anderen Ländern ­Europas in Krisenperioden der Fall war. Georgiadou erklärt dies mit der öffentlichen Debatte der vergangenen Jahre über den Rechtsextremismus in Griechenland: »Wir haben dieses Phänomen analysiert, diese Analyse wurde durch Artikel und Interventionen ­popularisiert. Ich denke, was wir gesagt haben, hat potentielle Wähler Chrysi Avgis erreicht. Es war nicht nur die antifaschistische Bewegung, sondern auch der Staat, die Parteien, die Justiz und auch Intellektuelle und Medien haben sich gegen den Rechtsextremismus ­gestellt.« Außerdem hätten viele Griechinnen und Griechen Verständnis für Flüchtlinge und Migranten. »Viele junge Griechen wandern selbst aus, daher denke ich, dass man sensibel mit dem Thema umgeht«, sagt Georgiadou.

 

Trotz Mitgliederschwund noch aktiv

 

Diejenigen, die noch für Chrysi Avgi stimmen, wissen von den gewalttätigen Aktionen, beteiligten sich aber nicht an diesen, so der Journalist und politische Schriftsteller Dimitris Psarras, der seit Jahren das Phänomen erforscht und vor Gericht als Zeuge aussagte. »Sie delegieren das an die schwarzgekleideten Neonazis«, sagt er. Würden diese für ihre Verbrechen konsequent verurteilt, schade dies der Partei. »Chrysi Avgi wird auch diese Wähler verlieren und abstürzen«, sagt Psarras zuversichtlich.

Trotz Mitgliederschwund ist die Partei noch aktiv, sie muss aber mit starker Gegenwehr rechnen. Im Oktober wollte sie in Piräus den Bezug eines Parteibüros feiern. Auf dem Korai-Platz protestierten Mitglieder der antifaschistischen Bewegung, darunter die Organisation des Kämpferischen Antifaschismus (Orma). Die Demonstrierenden trugen Helme in den Händen und schwarzrote Fahnen, aus den Lautsprechern tönten antifaschistische Lieder, unter anderem von Pavlos Fyssas. Dessen Mutter Magda beteiligte sich am Protest. Mit empörtem Blick auf das Hochhaus gegenüber, wo die Veranstaltung der Neonazis stattfand, sagte sie: »Es ist eindeutig eine Provokation, was sie heute tun. Angeblich eine Einweihung, so nennen sie es. Obwohl es sich um einen Umzug von einem Büro ins andere handelt.« Seit Beginn des Prozesses gegen Chrysi Avgi ist Magda Fyssa an fast jedem Ver­handlungstag im Gerichtssaal anwesend.

Mindestens einmal pro Woche gebe es eine Intervention der Orma in Piräus oder anderswo, sagt eine der Haupt­organisatorinnen der Demonstration, die anonym bleiben will. Zudem werde Informationsmaterial an Schulen und Universitäten verteilt. Und jedes Mal, wenn eine Aktion der Neonazis stattfinde, versuche man, mit einer Gegenaktion zu antworten, so die junge Frau. »Wir haben sie aus Nachbarschaften, dem öffentlichen Raum, aus Werktätigenzentren, aus den sogenannten ­Komitees der empörten Bürger, die sie gebildet haben, rausgeworfen. Wir machen ihnen mit unseren Aktionen klar, dass sie unerwünscht sind. Aus dem Parlament wurden sie noch nicht vertrieben, aber aus der Gesellschaft. Das Weitere wird noch folgen«, sagt sie selbstbewusst.

Dennoch gibt es weiterhin Angriffe. So wurden etwa im Oktober vergangenen Jahres in Aspropyrgos drei junge Männer wegen des Angriffs auf zwei pakistanische Feldarbeiter verhaftet. Die Polizei sieht keine Verbindungen zu Chrysi Avgi. Der antifaschistischen Organisation Keerfa zufolge gehören die Täter einer rassistischen Gang an, die in der Gegend für Angriffe auf mindestens 60 weitere ausländische ­Arbeiter verantwortlich sei. Zumindest ein Täter sei Keerfa zufolge zuvor auch an einem Angriff auf eine antirassistische Demonstration beteiligt gewesen, zu dem unter anderem ein prominentes Mitglied Chrysi Avgis aufgerufen habe.

Anfang November griffen Mitglieder Chrysi Avgis in der Nähe des Gerichtsgebäudes in Athen eine Anwältin der Nebenklage, Evgenia Kouniaki, ­sowie eine andere Frau an. Dass Abgeordnete und Anwälte von Chrysi Avgi die Verdächtigen danach kontaktierten, interpretiert Kabagiannis als Übernahme der politischen Verantwortung für den Angriff durch die Partei.