Rassismus und Gewalt im Fußballjahr 2017. Eine Bilanz

Es bleibt ungemütlich

Der Fußball kehrt aus der Winterpause zurück – und kaum etwas spricht dafür, dass Hass, Rassismus und Gewalt in den Stadien aufhören.

Große Überraschungen gab es aus den Kurven nicht zu vermelden. Gewalt­tätigkeiten und rechte Auswüchse prägten auch im vorigen Jahr immer wieder die Berichterstattung über Deutschlands Fußballfans. Zudem ernteten die Fußballverbände vielerorts Kritik.

Internationale Aufmerksamkeit erlangte das WM-Qualifikationsspiel des Titelverteidigers am 1. September in Prag. 200 deutsche Hooligans hatten sich Tickets besorgt. Bereits zu Spielbeginn störten sie eine Gedenkminute für zwei verstorbene Funktionäre des tschechischen Fußballverbands. Im weiteren Verlauf sollen aus der Gruppe unter anderem die Gesänge »Özil abschieben, Ausländer raus« und »Wir hassen die Türkei« angestimmt worden sein. Ihre »Sieg Heil«-Rufe waren ­sogar in der Fernsehübertragung zu vernehmen.

Immer wieder wird die Nationalmannschaft bei Spielen in Osteuropa wegen der weniger repressiven Kontrollmaßnahmen und der historisch-politischen Brisanz der Partien in großer Zahl von Personen aus dem extrem rechten Spektrum begleitet. Dem Blog »Naziwatch Dresden« zufolge waren beim Spiel in Prag auch Anhänger der neonazistischen Hooligan-Gruppe »Faust des Ostens« ­anwesend. Gegen Mitglieder der Gruppe ermittelt die Staatsanwaltschaft Dresden seit 2013 wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung. Auch Dortmunder Kader der Partei »Die Rechte« sollen an Ort und Stelle gewesen sein. Die Fifa sanktionierte den DFB mit einer Geldstrafe in Höhe von umgerechnet etwa 28 000 Euro.

Auch der Deutsche Fußball-Bund war häufig Hassobjekt der Fans. Es begann mit einer inszenierten Kriegserklärung der Dynamo-Dresden-Fans Mitte Mai, die in einheitlichen Camouflage-T-Shirts und -Hüten mit dem Aufdruck »Football Army« und mit Pyrotechnik zu ihrem ­Auswärtsspiel durch Karlsruhe marschierten. Viele Fanszenen griffen die markigen Worten auf, so dass die Parole »Krieg dem DFB« spätestens seit Beginn der laufenden Saison im ganzen Land zu sehen und zu hören war. Der martialische Spruch war insbesondere für Rechte einer Einladung: Von einigen Dresdner Fans im Outfit der selbsternannten »Football Army« kursiert bereits ein Video im Internet, auf dem diese ein Lied der Rechtsrockband Die Lunikoff ­Verschwörung singen. Anfang Dezember durchsuchten Polizeibeamte schließlich Wohnungen mutmaßlicher Organisatoren des Aufmarschs rechter Dresdner Fans in Karlsruhe, auch das Dresdner Fanprojekt war davon betroffen.

Auf große Ablehnung in deutschen Fanszenen traf ab Juni auch die umstrittene Ankündigung des DFB, die chinesische U20-Auswahl in die ­Regionalliga Südwest zu integrieren. Neben der in diesem Fall sicherlich treffenden Kritik an der fortschreitenden Kommerzialisierung des Sports konnte man es sich mancherorts offenbar nicht verkneifen, mit allzu billigen Witzeleien auf die Herkunft der zukünftigen Kontrahenten zu zielen. Fans von Rot-Weiß Erfurt zeigten ein Spruchband »Unsele Amateule, echte Plofis«, in Hannover ­forderte man »Unser Fußball bleibt glutamatfrei«. Beim ersten Auftritt des chinesischen Teams am 18. November in Mainz weigerten sich ­dessen Spieler dann, das Spiel fortzusetzen, nachdem Aktivisten tibe­tische Fahnen entrollt hatten. Der DFB hat das Projekt mittlerweile ausgesetzt.

In die Nesseln setzte sich auch der Nordostdeutsche Fußballverband (NOFV). Beim Regionalligaspiel des SV Babelsberg 03 gegen Energie ­Cottbus am 28. April kam es zu heftigen Ausschreitungen im Gästeblock. Rechte Energie-Fans versuchten, den Platz zu stürmen, zeigten den Hitlergruß, riefen »Arbeit macht frei« und besangen die Gegner als »Zecken, Zigeuner und Juden«. Die traditionell linke Fankurve des Potsdamer Stadtteilvereins reagierte mit »Nazischweine raus«-Rufen. Das Gericht des NOFV beschloss daraufhin, beide Vereine mit Geldstrafen zu belegen, und weigerte sich, die extrem rechten Umtriebe der Cottbuser Fanszene als den eindeutigen Auslöser für die Spielunterbrechungen zu benennen. Eine Berufung des SV Babelsberg dagegen wurde abgewiesen, woraufhin der Verein eine Kampagne mit dem Titel »Nazis raus aus den Stadien« initiierte.

Der ehemalige Bundesligist aus Cottbus hat seit Jahren ein gewaltiges Problem mit Neonazis unter seinen Fans. Beim Spiel in Babelsberg sollen nach Recherchen des Blogs »Inforiot« etwa auch der Sprecher der Identitären Bewegung Berlin/Brandenburg sowie ein führendes Mitglied der »Jungen ­Alternative« im Gästeblock anwesend gewesen sein. Hauptverantwortlich für die politische Ausrichtung der Cottbuser Fanszene zeichnete lange Jahre die Gruppe »Inferno Cottbus«, die tief in neonazistische Strukturen sowie ins kriminelle Milieu Südbrandenburgs verstrickt war. Als ihre Machenschaften in Folge des Skandalspiels von Babelsberg medial thematisiert wurden, löste sich die Gruppe am 10. Mai vorigen Jahres auf. Dass damit der Einfluss ihrer Mitglieder im Cottbuser Stadion schwindet, ist nicht anzunehmen, zumal auch weitere Beziehungen zur rechten Szene bestehen. Der Lausitzer Rundschau zufolge sollen Mitglieder der Neonazi-Band »Frontalkraft« im Oktober bei einer Feier der örtlichen Ultra-Gruppe »Collettivo Bianco Rosso« aufgetreten sein.

 

Dortmund hat noch immer ein Problem mit Neonazis

Aufgelöst hat sich Ende Juli auch »Riot 0231« in Dortmund. Der nordrhein-westfälische Innenminister hatte seit Monaten ein Vereinsverbotsverfahren gegen die Gruppe ­angestrengt, dem diese durch die Selbstabwicklung mutmaßlich entgehen wollte. »Riot 0231« bestand seit 2015 und hatte recht erfolgreich versucht, ein Gewaltmonopol in der Dortmunder Fanszene zu errichten. Noch im März war eine Morddrohung gegen den BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke neben ein Graffito der Gruppe gesprüht worden. Auch antirassistische BVB-Fans waren immer wieder Bedrohungen durch die sogenannten Riots ausgesetzt.

Dass es trotz aller Anstrengungen von Verein und Teilen der aktiven Fanszene in Dortmund noch immer ein Problem mit Neonazis gibt, zeigte sich nicht zuletzt Ende Oktober in den Tagen vor dem Revierderby, als Aufkleber der im KZ Bergen-Belsen ermordeten Anne Frank im Schalke-Trikot auftauchten. Die Aktion war extrem rechten Anhängern von Lazio Rom entlehnt, die damit wenige Tage zuvor Anhänger des AS Rom verunglimpft und international Empörung hervorgerufen halten. Etwa zur selben Zeit produzierten auch Fans des Regionalligisten Lokomotive Leipzig Sticker mit diesem Motiv zur ­Verunglimpfung des Stadtrivalen BSG Chemie. Zudem beteiligten sich ­offenbar auch Lok-Fans an einem Angriff auf den linken Fußballverein Roter Stern Leipzig am 15. Oktober im sächsischen Schildau. Fotos zeigen mindestens einen Teilnehmer des rechten Mobs in einem blaugelben T-Shirt mit dem antisemitischen Aufdruck »JDN CHM«.

Allerdings gab es auch Fanszenen, die 2017 durch ganz andere Aktivi­täten von sich reden gemacht haben. Fans von Darmstadt 98 thematisierten und kritisierten das Engagement ihres Spielers Änis Ben-Hatira für eine salafistische Hilfsorganisation und Anhänger von RB Leipzig die Pläne des Vereinsmäzens Dietrich Mateschitz, ein rechtes Medienportal zu launchen. In Dortmund wurde ein Aktionsspieltag gegen Homophobie veranstaltet, beim FC St. Pauli machte man Aktionen gegen den G20-Gipfel. Anhänger von TeBe Berlin setzten sich erfolgreich für eine offizielle Fahne ihres Vereins in Regen­bogenfarben ein und Teile der Karlsruher Fanszene mobilisierten gegen die Neonazi-Demonstration »Tag der deutschen Zukunft« in ihrer Stadt. Es steckt also durchaus Potential in den Fanszenen – vielleicht ­gelingt es ­diesen Fans ja, 2018 damit Schlagzeilen zu machen.