Die Demokratische Partei muss sich neu orientieren

Hoffnung aus dem Kernland

Während die Skandale Donald Trumps der US-amerikanischen Linken enormen Aufwind verschaffen, ringt die Demokratische Partei um die politische Linie für die Kongresswahlen.

Vor gut einem Jahr, am 20. Januar 2017, stand US-Präsident Donald Trump vor überschaubarem Publikum im Nieselregen Washingtons und verkündete knurrig den Beginn einer neuen Ära. Er sprach mit der für ihn typischen Bescheidenheit von »einer historischen Bewegung, wie sie die Welt noch nie gesehen hat«, und er prophezeite sonnige Zeiten: »Amerika wird wieder gewinnen«, sagte Trump, »gewinnen wie nie zuvor.«

Gewonnen hat im ersten Jahr seiner Amtszeit vor allem die US-amerikanische Linke. Nur einen Tag nach der Amtseinführung gingen in den USA Millionen von Menschen beim so genannten »Women’s March« auf die Straßen, um gegen die neue Regierung zu protestieren. Aus diesen Protesten ist eine ernstzunehmende Bewegung ent­standen.

Eine der daran beteiligten Organisationen ist »Indivisible« (Unteilbar), ein progressiver Zusammenschluss, der mehr als 6 000 Ortsgruppen besitzt. Im Winter 2016, kurz nach der Präsidentschaftswahl, saßen Ezra Levin und Leah Greenberg in einer Kneipe ihrer Heimatstadt Austin (Texas) und leckten ihre Wunden. Das Ehepaar kannte sich mit Politik aus, beide hatten in Washington eine Weile für den Kongress gearbeitet. Mit Freunden und Verwandten stellten sie ein 23seitiges Dokument zusammen, eine Anleitung für den Widerstand gegen Trump, und veröffentlichten es auf Google Docs. Das Dokument verbreitete sich über Twitter wie ein Lauf­feuer.

So entstand binnen weniger Wochen eine landesweite Bewegung. Ein knappes Jahr nach ihrer Gründung in einer texanischen Kneipe kann sich die Organisation Büros in Washington leisten, hat 40 Angestellte und sammelte im vorigen Jahr an die sechs Millionen Dollar Spendengelder. »Indivi­sible« veröffentlicht immer wieder politische Stellungnahmen und versucht, Einfluss auf die Demokratische Partei zu nehmen.

Doch der Widerstand gegen Trump ist zersplittert, nur merkt es noch kaum jemand. Für den Moment scheint die US-amerikanische Linke vereint zu sein – in ihrer Antipathie gegen den Präsidenten. »Fire and Fury«, der neue Skandal-Schmöker des Klatschjournalisten Michael Wolff, zeichnet ein vernichtendes Porträt des Präsidenten und bestätigt den gängigen Eindruck, den man von Trump hat. Dieser wird als ein infantiler, reizbarer, grenzdebiler Trottel beschrieben, der sich schon am Spätnachmittag mit einem Cheeseburger in der Hand in sein Schlafzimmer zurückzieht, um fernzusehen und zu twittern, und sich keinen Deut für Politik interessiert. Das Buch und seine Rezeption begünstigen einen problematischen Trend. Der Widerstand richtet sich in erster Linie gegen die Person Trump, nicht aber gegen die Politik seiner Regierung.

Diese wird weniger vom Präsidenten als von Mitgliedern des Kongresses und des Kabinetts betrieben. Unter anderem von Scott Pruitt, dem von Trump ernannten Leiter der Umweltschutz­behörde EPA, der seit seiner Zeit als Staatsanwalt in Oklahoma ein inniges Verhältnis zu Ölkonzernen pflegt und sich nun dem Kampf gegen Umweltauf­lagen widmet. Oder von Ryan Zinke, der als Innenminister eine Flächenreduzierung der US-Nationalparks um über 40 000 Hektar überwachen soll, darunter auch Stammesland der Ur­einwohner. Die Gebiete sollen der kommerziellen Nutzung zugänglich werden. Dagegen wehrt sich eine Koalition aus Umweltschützern und Ureinwohnern, die gemeinsam Klage eingereicht haben. Auch Großunternehmen wie der Outdoor-Bekleidungshersteller Patagonia, der ebenfalls vor Gericht zieht, haben sich dem Protest angeschlossen. Bislang ist der Rechtsweg die effektivste Form des Widerstands gegen Trump, denn viele Maßnahmen und Dekrete sind juristisch fragwürdig.

Deswegen ist es rechten Gruppierungen wie der »Federalist Society«, die für eine konservative Reform der Judikative eintritt, so wichtig, dass die Trump-Regierung möglichst viele Bundesrichter ernennt. Deren Urteile prägen die US-amerikanische Gesellschaft für Jahrzehnte. Hier kann sich Trump selbst übertreffen – er muss nichts tun, außer die Papiere zu unterschreiben, die von der »Federalist Society« vorbereitet und ans Weiße Haus geschickt werden.

So konnte die Regierung Trumps trotz interner Machtkämpfe dem Land im ersten Jahr durchaus Schaden zufügen. Der Rückzug der USA aus dem Frei­handelsabkommen Trans-Pacific Partnership (TPP) ist für die US-amerika­nische Landwirtschaft ein Rückschlag. Leidtragende findet man unter kalifornischen Weinbauern wie unter Schweinefleischexporteuren aus dem Mittleren Westen. Die dieses Jahr in Kraft tretende Steuerreform der Republikaner benachteiligt langfristig diejenigen mit dem geringsten Einkommen, gefährdet den Krankenversicherungsschutz und erlaubt zudem die Ölförderung in Naturschutzgebieten in Alaska. Am 8. Januar hat die Trump-Regierung ­bekanntgegeben, den vorübergehenden Schutzstatus von Flüchtlingen aus ­Krisengebieten ab dem 9. September 2019 zu beenden. Zwischen 200 000 und 320 000 Migranten sind dann von der Abschiebung bedroht.

 

Es wird nicht reichen, gegen Trump zu sein

Eigentlich, so könnte man meinen, sollte die Politik der Regierung mehr Angriffsfläche bieten als der Präsident selbst. Doch die Trump-Show übertönt alles. Zwar ist es für die Opposition ein Glücksfall, dass der Präsident sich ständig selbst diskreditiert und gemäßigte Konservative abschreckt. Doch hielt ihm ungeachtet alles Eskapaden laut Umfragen immer mindestens ein Drittel der Bevölkerung die Treue.

In der Demokratischen Partei ist umstritten, ob man mit einer dezidiert ­linken Politik gegen Trump antreten soll.

Cheri Bustos, Abgeordnete im Repräsentantenhaus, hat in Zusammenarbeit mit 72 demokratischen Kolleginnen und Kollegen sowie dem Monmouth College in Illinois dazu einen Bericht in Auftrag gegeben: »Hope from the ­Heartland« (Hoffnung aus dem Kernland). »Der Weg zur Mehrheit«, so ­Bustos, »führt durch das Kernland.«

Nicht nur Hillary Clinton habe 2016 die Staaten des Mittleren Westens wie ­beispielsweise Pennsylvania, Ohio, Michigan oder Wisconsin ignoriert – ein Großteil der Partei tue das heute noch. Im Jahr 2009, so der Bericht, hatten die Demokraten noch 57 Prozent der Sitze aus dem Mittleren Westen im US-­Repräsentantenhaus inne.

Derzeit sind es nur noch 39 Prozent. Bei der Land­bevölkerung, die nichts hören will von Einwanderern, Muslimen oder Schwulen, gilt die Demokratische Partei als eine Partei der Eliten. Gerade beim Thema Immigration tendiert der Mainstream nach rechts – während die ­demokratische Basis immer weiter nach links rückt.

Die verschiedenen Flügel in der Demokratischen Partei halten mehr schlecht als recht zusammen. Da ist einerseits die »klassische« Linke, die die wirtschaftliche Ungleichheit in den USA thematisiert. Zu ihnen gehören unter anderem die linken Hoffnungsträger Bernie Sanders und Elizabeth Warren. Ihre Kernthemen sind eine staatliche Krankenversicherung für alle und die Abschaffung aller Studien­gebühren – beide Positionen sind jedoch außerhalb der Demokratischen Partei nicht populär. Eine andere Fraktion bildet der erstarkte feministische Flügel. Im Zeitalter der »Me Too«-Bewegung sind Senatorinnen wie Kirsten Gillibrand aus New York und Kamala Harris aus Kalifornien zu Stars der Linken ­geworden. Beiden sagt man Ambitionen auf das Präsidentenamt nach. Und ­beide wissen, wie Machtpolitik funktioniert. Sie waren mitverantwortlich dafür, dass der demokratische US-Senator Al Franken nach Vorwürfen sexu­ellen Fehlverhaltens zum Rücktritt gezwungen wurde.

Moderate Demokraten im Senat, wie Joe Manchin aus West Virginia und Claire McCaskill aus Missouri, fürchten einen Ansturm der Linken. Ein vergleichbares Problem hatten die Republikaner 2010, als die rechtspopulistische Tea Party viele gemäßigte Konservative verdrängte. Kandidaten des ­Establishments der Partei wie Eric Cantor wurden von unseriösen Outsidern abgelöst. Jetzt zittert das Establishment der Demo­kraten. Zwar werden deren Chancen bei den midterm elections, den Kongresswahlen Ende 2018, allgemein als gut bewertet, doch es kann durchaus passieren, dass die Partei sich zuvor noch mit internen Machtkämpfen schwächt.

Zudem wird es langfristig für die Linke in den USA nicht reichen, gegen Trump zu sein. Man muss auch für etwas sein. Aber wofür? Darüber herrscht noch Unklarheit. Immerhin brummt das Geschäft, auch bei außerparlamen­tarischen Linken. Auf der gut gestaltete Website von »Indivisible« kann man den Widerstand nicht nur mit Spenden, sondern auch mit dem Kauf von Fan­artikeln unterstützen. Es gibt T-Shirts, Jogginghosen und Strampelanzüge für Babys. Wer seine eigene »Indivisible«-­Ortsgruppe gründen will, kann dies mit einem »Ortsgruppen-Kit« tun: 25 Buttons, 25 Aufkleber, fünf Sweatshirts und eine Einkaufstasche, das alles für den sagenhaften Preis von nur 395,00 Dollar. In der Ära Trump sind politische Überzeugungen vor allem eines: Konsumartikel.