Klassenkampf - In der Schule etwas gelernt

Lernen mit Sinn

Kolumne Von Liselotte Kreuz

KKManchmal, wenn ich da vorne stehe und den Kindern zu erklären versuche, warum »Subjekt« nicht die richtige Antwort sein kann auf die Frage, zu welcher Wortart das Wort »laufen« gehört, und dann diese ganze Bandbreite eigentlich sehr unterschiedlicher Gesichtsausdrücke sehe, die aber dennoch alle in die Kategorie »sehr, sehr gelangweilt« gehören, manchmal frage ich mich dann, ob das, was wir mit den Kindern machen, irgendeinen Sinn hat, außer eben den, dass sie bei uns sind und nicht auf der Straße herum­stehen, wo sie ja vermutlich nur den Verkehr behindern würden oder irgendwas verschmutzen oder Drogen nehmen oder so.
An schlechten Tagen überlege ich auch, wie das bei mir war, ob ich Momente hatte, in denen ich in der Schule saß und genau dort und dann etwas verstanden habe. Ich glaube, dass ich in 13 Jahren drei solcher Momente hatte. In der fünften Klasse hatten wir einmal eine Vertretungsstunde bei einem Lehrer, der einen unglaublichen Bauch hatte und uns erklärte, dass es substantivierte Verben gibt und die großgeschrieben werden müssen. Ich bin überzeugt, dass der Bauch des Lehrers schuld daran war, dass ich ­diesen mir bis dahin unbekannten Sachverhalt als ausgesprochen interessant empfunden und nie wieder vergessen habe. Dann hatte ich in der Oberstufe eine wenig autoritäre Pädagogiklehrerin, zu der wir so scheiße waren, dass sie in einer Stunde zum Thema »autoritärer Charakter« angefangen hat zu weinen und uns zu fragen, warum wir ausgerechnet zu ihr immer so grausam seien. Erkenntnis: eine unangenehme. Und ungefähr in der neunten Klasse hatte ich einmal eine Musikstunde, ganz oben unterm Dach, an einem ausgesprochen heißen Sommertag, die Luft im Klassenzimmer stand und alles fühlte sich klebrig an. Es war die letzte Stunde, Trinken im Unterricht war damals noch verboten, wir welkten einfach möglichst leise vor uns hin. Die schweißnasse Lehrerin dozierte über die Rolling Stones und wie die einmal LSD genommen hatten und daraufhin Musik sehen und anfassen konnten, und wirklich, ich konnte auf einmal Frau Straubes Sprache sehen und habe dann auch versucht, ihre Worte anzufassen, aber natürlich bin ich rausgeflogen, bevor mir das gelungen war. Das kann man vielleicht nicht als richtige Erkenntnis bezeichnen und es hängt vermutlich auch mehr mit Dehydrierung als mit Lernprozessen zusammen, aber die beeindruckendste Schulstunde von allen war diese dann insgesamt schon; traurig eigentlich.

So hintenrum wurden mir offenbar noch andere Sachen beigebracht, jedenfalls kann ich nicht nur substantivierte Verben großschreiben, sondern auch prozentrechnen, Völkerball spielen und sehr schlecht französisch sprechen. Allerdings kann ich mich wirklich nicht erinnern, wann und wie ich das alles gelernt haben soll. Vielleicht ist das auch besser so.