In Burkina Faso verübten Islamisten Anschläge auf französische Einrichtungen

Terror in Burkina Faso

Jihadisten haben unter anderem das Hauptquartier der Armee in Ougadougou angegriffen. Spekulationen über Komplizen im Militär machen die Runde.

Es waren nur wenige Angreifer, aber sie sorgten für Tod und Verwüstung. Mindestens 28 Menschen kamen am Freitag voriger Woche bei jihadistischen Angriffen in Ougadougou, der Hauptstadt des westafrikanischen Staats Burkina Faso, zu Tode, unter ihnen sieben Armeeangehörige sowie acht Angreifer – manche Pressemitteilungen sprechen von neun –; 85 Menschen wurden verletzt.

Fast gleichzeitig attackierten Jihadisten die französische Botschaft, das dortige französische Kulturinstitut und das Hauptquartier der Armee Burkina Fasos. Dieses war erst vor kurzer Zeit stärker gesichert worden, Wachtürme aus Beton waren errichtet und die ­bisherigen improvisierten Barrieren durch solide Absperrgitter ersetzt worden. Doch die Angreifer trugen Militäruniformen, gelangten durch den Hintereingang in den Innenhof des Hauptquartiers und ließen dort eine Autobombe detonieren. Diese riss ein Loch in die Mauer, durch das sie ins Gebäudeinnere gelangten.

Drinnen sollte just zu diesem Zeitpunkt eine militärische Führungstagung der sogenannten G5-Sahel-Gruppe stattfinden. Doch dieses Treffen war kurz zuvor an einen anderen Ort verlegt worden. Sonst wäre die Zahl der Toten wohl wesentlich höher ausgefallen und es hätten sich ranghohe Militäroffiziere unter ihnen befunden. Nach derzeitigem Stand starben fünf der sieben getöteten Soldaten bei der Attacke auf den Sitz des Hauptquartiers. Französische Staatsangehörige kamen nicht zu Schaden, obwohl zwei der drei angegriffenen Ziele dieses Land repräsentieren.

Nunmehr stellen sich viele Beobachterinnen und Beobachter die Frage, ob die Angreifer bereits vor der Attacke wussten, wann genau das geheime Treffen von hochrangigen Armeeangehörigen der G5-Länder stattfindet. Diese Staatengruppe umfasst Mauretanien, Mali, Burkina Faso, Niger und Tschad. Sie koordiniert die militärischen Anstrengungen dieser Länder, um ­jihadistische Gruppen in der Sahel-Region zu bekämpfen. International trägt vor allem Frankreich zur Finanzierung der militärischen Aktivitäten der G5-Sahel-Gruppe bei, die vorläufig für ein Jahr gesichert ist.

Die 2017 unter dem Namen »Gruppe zur Unterstützung des Islam und der Muslime« (GSIM) gegründete bewaffnete Allianz hat sich am Wochenende zu den Attacken bekannt. Ihr Anführer ist Iyad Ag Ghali, ein Tuareg aus Mali, der Chef der dort operierenden islamistischen Truppe Ansar Dine. Bei der GSIM handelt es sich um eine neue Koalition jihadistischer Truppen in der Sahel-Zone, die sich um die vormalige Organisation al-Qaida im Land des is­lamischen Maghreb (AQMI) gruppiert.

Deren harter Kern bestand aus Algeriern, die nach dem Ende des Bürgerkriegs in Algerien und der Niederlage des bewaffneten politischen Islam ­gegen die Staatsmacht – die 1999 besiegelt wurde – in das südlich angrenzende Sahel-Gebiet auswichen. Mittlerweile haben sie sich dort mit weiteren Jihadisten aus den umliegenden Staaten vermischt.

Aufgeworfen wird auch die Frage, wie die attackierenden GSIM-Mitglieder an burkinische Armeeuniformen kamen. Möglicherweise stammen sie aus einem Geschäft für Armeebedarf in Ouagadougou, das im März 2017 geplündert wurde; dabei waren auch 400 Uniformen entwendet worden. Doch viele in Burkina Faso fragen in den Medien des Landes mittlerweile nach möglichen Komplizen innerhalb der Armee oder sogar ihrer Führung. Dass die Attacke im Hauptquartier zielgerichtet ausgeführt wurde, lässt detaillierte Ortskenntnisse der Angreifer vermuten, die zudem offenbar Informationen über das nicht öffentlich angekündigte G5-Sahel-Treffen hatten.

 

Eine 2017 unter dem Namen »Gruppe zur Unterstützung des Islam und der Muslime« (GSIM) gegründete bewaffnete Allianz hat sich zu den Attacken bekannt.

 

Viele verdächtigen Sympathisanten des alten, autoritären Regimes von Blaise Compaoré, den vor gut drei Jahren ein Aufstand aus dem Amt jagte, nachdem er 27 Jahre lang als Präsident amtiert hatte. Ende Oktober 2014 fackelten Protestierende das Parlamentsgebäude ab, als die Nationalversammlung über eine Verfassungsänderung abstimmen wollte, die Compaoré eine weitere Amtszeit ermöglicht hätte. Blaise Compaoré wurde in einem französischen Militärhubschrauber ins Exil befördert und lebt heute im Nachbarstaat Côte d’Ivoire, wo er auf die Stunde seiner Rückkehr wartet – bislang jedoch vergeblich. Im September 2015 versuchte eine Eliteeinheit der Armee, die Prätorianergarde Compaorés, zu putschen, scheiterte aber. Der Prozess gegen die Putschisten sollte Anfang vergangener Woche beginnen, wurde jedoch kurz nach seiner Eröffnung auf unbestimmte Zeit verschoben – am Dienstagnachmittag voriger Woche hatten alle Anwälte der Verteidigung ihr Mandat geschlossen niedergelegt. Unter den prominenten Angeklagten befinden sich der frühere Außenminister Djibril Bassolé und der ehemalige Generalstabschef Gilbert Diendéré. »In Ougadougou kursiert die These«, schrieb die Neue Zürcher Zeitung am Dienstag, dass der Angriff auf das Hauptquartier »von Kreisen um Diendéré in Auftrag gegeben wurde, um Druck auf den Staat in Hinblick auf seine Freilassung auszuüben«.

Compaoré war außenpolitisch eng mit der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich liiert und kam an die Macht, indem er am 15. Oktober 1987 an der Ermordung seines revolutionär orientierten Amtsvorgängers und politischen Ziehvaters Thomas Sankara teilnahm. Bislang wurde die parlamenta­rische Aufklärung zur Rolle Frankreichs dabei blockiert; bei seinem Besuch in Ougadougou vor gut einem Vierteljahr hat der französische Staatspräsident Emmanuel Macron aber zugesichert, die Aufklärung zu unterstützen. Während seiner 27 Jahre an der Macht hatte Compaoré sich gerne als Mittelsmann in allerlei Konflikten der Region auf­geführt, doch Opponenten hatten ihn in den letzten Jahren seiner Amtszeit bezichtigt, er habe zugelassen, dass sich Jihadisten an der nördlichen Landesgrenze einnisten. Einige Kritiker vermuten eine verdeckte Zusammenarbeit von Compaorés Anhängern mit Jihadisten zu dem Zweck, die demokratisch gewählte Regierung zu destabilisieren.

 

Jihadisten in Mali

 

Im nördlich und westlich angrenzenden Nachbarland Mali konnten sich jihadistische Gruppen vor allem im Zentrum des Landes um die Stadt Mopti und in Teilen des Nordens festsetzen, sie sind über die Staatsgrenze hinweg aktiv. Am 2. März zeigte sich ein im Auftrag der Vereinten Nationen erstellter Untersuchungsbericht »beunruhigt« über die »zunehmende Ausbreitung der Unsicherheit« vom Norden Malis in die Landesmitte durch das Vordringen jihadistischer Gruppen. Das Papier wurde den 15 Mitgliedern des UN-Sicherheitsrats zugestellt. Dem Bericht zufolge verlieren die Zentral­regierung, die früheren Tuareg-Separatisten der »Koordination der Bewegungen für Azawad« (CMA) und die Tuareg-Loyalisten der »Plattform« in einigen Zonen des Landes immer mehr an Einfluss und Kontrolle. Im Jahr 2015 hatten die Zentralregierung und die Tuareg-Organisationen das Abkommen von Algier abgeschlossen, das den bewaffneten Konflikt im Norden Malis beenden und die Tuareg-Organisationen von den Jihadisten trennen sollte, die im Norden die Macht übernommen hatten.

Aber die Lage hat sich kaum beruhigt. Am 25. Januar starben über 40 Menschen, gut die Hälfte davon Zivilisten, an einem Tag infolge jihadistischer ­Attacken, allein 26 von ihnen durch die Explosion einer Mine in einem Fahrzeug, das von Djibo in Burkina Faso nach Boni im Zentrum Malis unterwegs war. In der zweiten Februarhälfte unternahm die französische Sahel-Streitmacht »Barkhane«, begleitet von bewaffneten Tuareg-Einheiten, eine Offensive im Norden Malis. Macron zufolge wurden dabei rund 30 Kombattanten jihadistischer Gruppen getötet. Die Operationen richteten sich unter anderem gegen Ansar Dine.

Auch ein lokaler Ableger des »Islamischen Staats« geriet ins Visier. Am 22. Februar attackierten die Truppen ein Waldgebiet rund 60 Kilometer südwestlich der Stadt Ménaka, in dem sich nach Medienberichten der Anführer des »Islamischen Staats im Großraum Sahara« (EIGS), Abu Walid al-Sahraoui, aufhielt. Dieser entkam jedoch. Der EIGS ist derzeit in der Sahel-Region der große Konkurrent des GSIM und kooperiert mit den Überresten des »Islamischen Staats« im Nahen Osten. Der mit dem Netzwerk von al-Qaida zusammenarbeitende GSIM behauptet in dem Bekennerschreiben vom Samstag, seine Terrorangriffe in Ouagadougou seien eine Vergeltung für weitere französische Militäroperationen in Mali, bei denen am 14. Februar der hochrangige GSIM-Kader Hassan al-Ansari den Tod gefunden hat.