Platte Buch - Wolfgang Pohrt: Werke, Band 10.

Hart, aber heiter

Von Uli Krug

»Gesellschaft ist, wenn es weh tut.« Ein Satz, der in seiner von keiner Einschränkung verwässerten und damit offensichtlichen Richtigkeit ­typisch ist für Wolfgang Pohrt. Genau dieser Satz leitet einen jener kurzen Texte ein, die den jetzt in der Edition Tiamat erschienenen ersten Band der Werkausgabe von Wolfgang Pohrt – der tatsächlich den Band 10 darstellt –, ergänzen (getragen wird der Band von Pohrts Büchern »Kapitalismus Forever«, 2012, und »Das ­allerletzte Gefecht«, 2013).

Der einzige auto­biographische Text von Pohrt handelt vom Dilemma ­eines jungen Maschinenschlossers, der vor der Aussicht auf 50 Jahre ­Siemens in ein Soziologiestudium flieht, dessen »Langeweile hoch­konzentriert ist wie reine Schwefelsäure«. In der Bibliothek entdeckt er unter A wie ­Adorno die »Dialektik der Aufklärung«, spannend wie ein Krimi und unbestechlich: Denn Adorno und Max Horkheimer »erkannten in der frühen Protest­bewegung schon den ­konformistischen Schrott, als der sie sich viel später entpuppen sollte«.

Diese Unbestechlichkeit, anders gesagt die Verzweiflung ob der Dummheit und Korruptheit seiner ehemaligen Mitstreiter, trieb auch Pohrt jahrzehntelang an: Keiner erfasste die Wendungen jener Protestbewegung – deren Exponenten und Nacheiferer heute den Ton angeben – vom selbstgefälligen Pazifismus bis zum angebräunten Ökologismus so scharf wie Pohrt. Dass ihm dabei die Hoffnung auf Kommunismus und Revolution abhanden kam, verwundert kaum. Ein vergrätzter ­Eiferer ist Pohrt aber gerade nicht geworden. »Kein Mensch kann der einzige Vernünftige unter tausend Idioten sein, weil Vernunft nur da entsteht, wo vernünftige Leute miteinander streiten und debattieren«, schreibt er. Wer bittere Wahrheit in heiterem, lakonischen Ton vertragen kann, sollte sich auch die anderen Bände der Werkausgabe zulegen, die der Verlag keckerweise im Design der Blauen Bände gehalten hat.

 

Wolfgang Pohrt: Werke, Band 10. Hrsg. v. Klaus Bittermann. Edition Tiamat, Berlin 2018, 312 Seiten, 22 Euro