Nach den niederländischen Wahlen bleibt die konservativ-liberale Dominanz trotz einiger Überraschungen bestehen

Parzellen im Polder

Kommentar Von Tobias Müller

Nach den niederländischen Kommunalwahlen gibt es zwar einige grün-links geprägte Städte, doch die konservativ-liberale Dominanz bleibt insgesamt bestehen und nationalistische Strömungen werden stärker.


Es ist kein einfaches Bild, das sich nach den niederländischen Kommunalwahlen ergibt: In den Metropolen Amsterdam und Utrecht lag die Partei Groenlinks deutlich vorne. Doch etwa ein Drittel aller Stimmen holten all die kleinen Lokalparteien, die in 164 von 335 Kommunen stärkste politische Kraft wurden. Was nicht nur beweist, dass Kommunalwahlen besondere Themen und eine eigene Dynamik haben. Es zeigt sich auch ein weiteres Mal die Tendenz der Wählerinnen und Wähler, den etablierten Parteien den Rücken zu kehren. Ist da eine grüne Revolte der Lokalpolitik im Gang?

Keineswegs, wenn man auf das große Ganze blickt. Landesweit kommt noch immer niemand an der wirtschaftsliberalen Volkspartij voor Vrijheid en Democratie (VVD) sowie den Christdemokraten (CDA) vorbei, die seit den Parlamentswahlen 2017 erneut die Regierung in Den Haag stellen – gemeinsam mit der anderen liberalen Partei, den progressiven Democraten 66 (D66) sowie der kleinen calvinistischen Christen Unie (CU).
Die Wahlen bestätigen damit vor allem die konservativ-liberale Dominanz, die trotz aller hektischen politischen Wendungen der vergangenen Jahre stabil ist. Sie hat eine handfeste Wirtschafts- und Finanzkrise, eine gescheiterte Kooperation mit der rechtspopulistischen Partij voor de Vrijheid (PVV) (2010 bis 2012) und anschließend deren Angriffe überstanden – nicht zuletzt, weil vor allem VVD und CDA einige Inhalte und Parolen der Rechtspopulisten übernommen haben.

Vom Zerfall der einst so stolzen Sozialdemokratie profitiert Groenlinks, aber auch die neue, vor allem bei türkischstämmigen Niederländern beliebte Partei Denk. Deren Rhetorik gegen die Rechtswende und die »Verhärtung der Gesellschaft« klingt für Progressive zunächst ansprechend. Sie zeigt in einigen Fragen jedoch eine gewisse Nähe zur türkischen Regierungspartei AKP, etwa wenn es um die Leugnung des Genozids an den Armeniern oder die Abwehr von Kritik am türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan geht. Dass in Amsterdam Nachwahlbefragungen zufolge drei Viertel der befragten Nederturken Denk wählten, ist alarmierend.

Die Lage bei den rechten Parteien ist unübersichtlich. Die gemeldeten »Gewinne für den Rechtspopulisten Wilders« machen sich nach wie vor gut als Schlagzeile internationaler Medien. Tatsächlich ist die Sache vertrackter: Die PVV von Geert Wilders zieht zwar in alle 30 Kommunalparlamente ein, für die sie antrat, allerdings oft mit nur wenigen Sitzen. Das gilt überraschend auch in ihrer Hochburg Rotterdam, wo die nur lokal aktive Pim-Fortuyn-Partei »Leefbaar Rotterdam« mit Abstand die stärkste blieb. Landesweit sitzt Wilders das neue nationalistische Forum voor Democratie (FvD) im Nacken, das nur in Amsterdam antrat und künftig mit drei Sitzen im Stadtrat vertreten ist. Auch einige andere Lokalparteien haben einen rechten Einschlag, etwa die Den Haager Wahlsiegerin Groep de Mos, benannt nach Richard de Mos, einem ehemaligen Parlamentsmitglied der PVV, oder die Lijst Smolders Tilburg, die in der südniederländischen Stadt gewann.

Das Algemeen Dagblad nennt die Fragmentierung der Wählerschaft eine »neue Versäulung«, anspielend auf die niederländische Tradition katholischer, protestantischer und sozialistischer Parallelgesellschaften. Eher erinnert die Lage an die durch Wasserläufe getrennten Parzellen im Polder, die künftig sehr unterschiedlich bestellt werden.