Die Spieler im US-amerikanischen College-Basketball bleiben arm

Armut, Korruption und Basketball

Als Konsequenz aus FBI-Emittlungen sollte eine Kommission den US-amerikanischen College-Basketball reformieren. Ihr wichtigstes Ergebnis: Die Spieler bleiben arm.

»Das Ausmaß von Korruption und Betrug ist mittlerweile so groß, dass das Überleben der College-Sportart, wie wir sie derzeit kennen, gefährdet ist.« So lautet das Ergebnis der Untersuchungen einer Kommission unter Führung der früheren US-Außenministerin Condoleezza Rice, die als Folge von FBI-Ermittlungen im US-amerikanischen College-Basketball eingesetzt worden war. Konkret ging es um illegale Zahlungen an Spieler. Am 28. September 2017 hatte das FBI mehrere Razzien durchgeführt, nachdem zuvor monatelang in der Szene ermittelt worden war. Und unter anderem waren Telefonate abgehört worden.

Das Ergebnis dieser Ermittlungen sind Anklagen gegen zehn mit dem Collegesport assoziierte Personen wegen bribery and fraud, also Bestechung und Betrug. Ihnen drohen bis zu 80 Jahre Haft. Darunter befinden sich sowohl Assistenztrainer großer College-Programme als auch ein Topmanager von Adidas, James Gatto, der mehr als 20 Jahre für das Unternehmen gearbeitet hatte und verantwortlich für das globale Marketing der Basketball-Sparte gewesen war. Adidas beurlaubte ihn umgehend. Ein weiterer Beschuldigter, der Trainer Rick Pitino von der University of Louisville, wurde von seinem Arbeitgeber nach Bekanntwerden der Durchsuchung entlassen – insgesamt hatte der Coach jährlich neun Millionen Euro, inklusive einer Million von Adidas, verdient.

Die National Collegiate Athletic Association (NCAA), der verantwortliche Verband für die Regelung und Austragung der College-Wettbewerbe, hatte die Kommission nicht ohne Not einberufen: Für den College-Basketball bedeuten die FBI-Untersuchungen den größten Skandal seit mehr als 65 Jahren – damals war aufgedeckt worden, dass Gangster Spielergebnisse nach der Point-Shaving-Methode manipulierten, bei der nicht das Spielergebnis verschoben wird, sondern nur auf den spread, also den Punkteabstand zwischen beiden Teams, abgezielt wird. Später sind ähnliche, wenn auch nicht so weit­reichende Manipulationen bekannt geworden: Dem »Point Shaving Scandal« der Saison 1950/51 folgten in den nächsten drei Jahrzehnten drei weitere. Und im Jahr 2007 bekannte sich ein Schiedsrichter schuldig, auf Spiele gewettet und sie dann manipuliert zu haben.

Während die Colleges jährlich Millionen mit den Teams verdienen, erhalten die Sportler lediglich Stipendien.

Doch diesmal ist der Skandal anders gelagert, denn es geht nicht um einzelne manipulierte Ergebnisse, sondern um die grundsätzliche Organisation der College-Sportart. Sie fußt darauf, dass die jungen Athleten als Studenten und damit als Amateure gelten. Während die Bildungseinrichtungen Millionen mit ihren Football- und Basketballteams verdienen, unter anderem durch Fernsehgelder und Werbung, dürfen die Sportler lediglich Stipendien erhalten, die die Studiengebühren, ein­fache Unterbringung und Mensa­essen abdecken. Gleichwohl werden von ihnen sportliche Höchstleistung erwartet sowie wenigstens leidlich vorzeigbare schulische Erfolge.

Einen Nebenjob auszuüben, um sich ein bisschen Geld dazuzuverdienen, ist den Athleten verboten. Damit soll verhindert werden, dass Colleges ihnen sogenannte No-Show-Jobs anbieten, also nur auf dem Papier existierende Arbeitsplätze, mit denen Geldzahlungen verschleiert werden. Seit Jahrzehnten wird penibel kontrolliert, dass weder die Jugendlichen noch Familienangehörige Geld erhalten. Selbst die Stars unter den College-Athleten dürfen weder an Autogrammkarten noch an Jerseys mit dem eigenen Namenszug mitverdienen – die Lizenznehmer, die Sammelkarten mit den Konterfeis der Spieler veröffentlichen, bezahlen der NCAA und den Colleges sechsstellige Summen dafür. Die Begründung dafür lautet, dass die NCAA ja nicht nur beliebte Sportarten wie Basketball oder Football mit Stipendiaten versieht, sondern auch solche, die deutlich weniger populär sind, wie Leichtathletik, Schwimmen und Lacrosse.

 

Die Korruptions- und Betrugsvorwürfe beziehen sich nun gerade auf die Folgen dieser Regel. Denn nach wie vor versuchen Colleges, Spieler durch Bestechung in ihr Programm zu locken – selbst Assistenztrainer verdienen schließlich jährlich Millionen. Und tun entsprechend viel, um die Besten des Jahrgangs zu verpflichten und so die eigene lukrative Stellung zu sichern.

James Gatto spielte der Staatsanwaltschaft des Southern District of New York zufolge zusammen mit weiteren Personen, die mit Adidas in Verbindung stehen, »eine zentrale Rolle« bei der Bestechung von Spielerfamilien und College-Trainern. Mit in der Mitteilung nicht bezifferten Summen wurden die jungen Talente an von dem Sportartikelhersteller gesponserte Colleges wie Kansas, Louisville und Miami gelockt – auch mit dem Ziel, dass sie später Werbeverträge mit dem Unternehmen schließen.

Im Jahr 2006 hatte die NBA diese Situation noch einmal verschärft, indem sie das Mindestalter für den draft, also die Verpflichtung von Spielern, von 18 auf 19 Jahre erhöhte. Während zuvor die talentiertesten Spieler direkt nach der High School in die NBA gingen, müssen sie nun zumindest ein Jahr im College spielen. Das führt dazu, dass auch viele andere College-Spieler versucht sind, sich gleich mit 19 für den draft zu melden, nach nur einem Jahr Ausbildung. Werden sie nicht verpflichtet, ist ihre Spielberechtigung fürs College trotzdem futsch – und damit auch das Stipendium. Und so besteht dann für viele nicht einmal mehr die Chance, ihre Ausbildung zu beenden, weil sie sich die Studiengebühren aus eigener Tasche nicht leisten können. Die Geldnot unter den Sportlern ist schließlich groß, die meisten können an Feiertagen nicht nach Hause fahren – und bekommen, da die Mensen dann geschlossen sind, keine Gratismahlzeiten.

Die Empfehlungen der Kommission, die nun vorgestellt wurden, bleiben jedoch weit hinter den Erwartungen zurück. Sie beinhalten led­iglich, dass künftig limitierte Kontakte zwischen Spieleragenten und Athleten erlaubt sein sollen. Außerdem sollen Spieler, die sich zum draft gemeldet hatten, aber dabei keinen Verein fanden, das Recht haben, zum Collegesport zurückzukehren. Teams und Trainer, die gegen Regeln verstoßen, sollen außerdem härter bestraft werden: Teams können demnach bis zu fünf Jahre von den Playoffs ausgeschlossen und Trainer ­lebenslang gesperrt werden.

Die NCAA-Offiziellen sind begeistert und wollen die Empfehlungen bis zum Saisonbeginn am 9. November umsetzen. »Die Korruption, die wir festgestellt haben, hat ihre Wurzeln im Jugendbasketball«, sagte Condoleezza Rice. Drei Unternehmen, Adidas, Nike und Under Armour, veranstalten Summer Basketball Events. Dort können sich High-School-Spieler, deren Teams vom Organisator ausgestattet werden, Trainern von College-Teams vorstellen, die den gleichen Ausrüster haben. So sollen die Kontakte geknüpft werden, die Studenten und Trainer bei der Vergabe von Stipendien nutzen, um Spieler an den jeweiligen Ausrüster zu binden. Vergleichbare Empfehlungs- und Kontakt-Events sollen künftig nur noch von der NCAA selbst veranstaltet werden.

Einen »Eiertanz« nennt dagegen der Journalist Marc Tracy den Report – denn die Korruption resultiere daraus, dass die Spieler gewaltige Geldsummen generieren, von denen Teams, Agenten, Fernsehstationen, Trainer und Ausrüster profitieren, während sie selber nichts bekommen. Das erkenne der Bericht zwar an, konkrete Vorschläge, wie dies geändert werden könne, enthalte er allerdings nicht. Auf die Frage, ob die einzigen reinen Amateure im Millionengeschäft College-Basketball nicht vielleicht künftig doch finanziell von ihrem Sport profitieren sollten, antwortete Rice: »Ich selber finde, dass da durchaus etwas Spielraum ist.«

Im Bericht der Kommission findet sich aber nichts dazu. Vielleicht ­ändert jedoch ein Gerichtsurteil den erzwungenen Amateurstatus: Im als »Kessler Case« bekannten Fall klagten mehrere ehemalige College-Basketballspieler mit Hilfe des Anwalts Jeffrey Kessler gegen die NCAA-Regel, wonach den Athleten nur absolut Notwendiges wie Unterbringung, Lehrmittel und Mensaessen bezahlt werden darf. Im Februar 2017 er­zielten sie einen Teilerfolg, die NCAA schüttete nachträglich 208 Millionen Dollar an von 2009 bis 2016 aktive Spieler aus, da sie im Gegensatz zu anderen Stipendiaten unter anderem kein Fahr- und Taschengeld erhalten hatten.