Nazis demonstrierten für die inhaftierte Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck

Notorisch hinter Gittern

Die zu zwei Jahren Gefängnis verurteilte Holocastleugnerin Ursula Haverbeck ist am Montag vergangener Woche verhaftet worden. Drei Tage später demonstrierten 400 Neonazis vor der Justizvollzugs­anstalt Bielefeld, in der sie einsitzt. Die Kundgebung war ein ­skurriler Szenetreff.

Donnerstag vergangener Woche – Christi Himmelfahrt, Vatertag oder, wie es das neonazistische Magazin Ein Fähnlein ausdrückt: »Herrentag ist jetzt Haverbecktag.« Vor der Justizvollzugsanstalt (JVA) Bielefeld-Senne stehen etwa 400 Neonazis und singen »Die Gedanken sind frei«, angeblich eines der Lieblingslieder von Ursula Haverbeck. Es ist der Abschluss einer Kundgebung, bei der von einem Redner zum nächsten immer deutlicher wurde, dass hier jeder gerne den Holocaust leugnet. Die Rechtsextremen vor der ostwestfälischen JVA äußern das allerdings vorsichtiger als ihre inhaftierte Kameradin.

Die Bezeichnung »notorische Holocaustleugnerin« trifft wohl auf kaum einen Menschen so sehr zu wie auf Ursula Haverbeck. Zahlreiche Verurteilungen hat die 89jährige in den vergangenen Jahren kassiert. Ob in eigenen Artikeln, Interviews oder Reden: Irgendwann leugnet Haverbeck den Holocaust und präsentiert sich selbst als Sucherin nach »der Wahrheit« . Auschwitz: für Haverbeck ein gewöhnliches Arbeitslager. Vernichtungen: habe es nie gegeben. Haverbeck geht dabei manchmal mehr, manchmal weniger clever vor. In den vergangenen Jahren bezog sie sich regelmäßig auf die von dem renommierten Historiker Norbert Frei herausgegebenen Standort- und Kommandanturbefehle des Lagers. Darin findet Haverbeck ausschließlich Hinweise, wie gut sich die SS um die Lagerinsassen gekümmert habe. Frei widersprach den Thesen der Holocaustleugnerin in mehreren Interviews, verwies auf verdeckte, aber leicht zu entschlüsselnde Hinweise, die belegen, dass Auschwitz ein Vernichtungslager war.

Ursula Haverbeck ist Antisemitin und spricht die komplette Palette der extrem rechten Ideologie offen aus. »Die Rechte« kürte sie kürzlich zu ihrer Spitzenkandidatin für die Europawahl im kommenden Jahr.

Haverbeck ist nicht nur wegen ihrer eigenen Äußerungen eine Kultfigur in der extremen Rechten. 1963 hatte sie Werner Georg Haverbeck geheiratet. Der war in den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts Mitglied in nationalsozialistischen Schüler- und Studentengruppen gewesen. Im Nationalsozialismus machte er Karriere im diplomatischen Dienst, war zeitweilig ein Protegé Heinrich Himmlers, Mitglied der SS und Mitarbeiter von Hitlers Stellvertreter Rudolf Heß. Seit den siebziger Jahren kämpfte das Ehepaar Haverbeck dann für eine »ökologische Rassen­hygiene«. Dabei schafften es die beiden, einen gewissen Einfluss auf den Mainstream der Ökobewegung zu erlangen. Später konzentrierten sie sich mit dem von ihnen gegründeten Verein »Collegium Huma­num« allerdings auf die Holocaustleugnung. 1999 starb Werner Georg Haverbeck. Das seit dem Tod ihres Manns von Ursula Haverbeck geführte »Collegium Humanum« wurde 2008 vom damaligen Bundes­innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) wegen »fortgesetzter Leugnung des Holocaust« verboten.

 

Die 1928 geborene Haverbeck gehört der Generation an, die den Nationalsozialismus noch miterlebt hat. Haverbeck ist Antisemitin und spricht die komplette Palette der extrem rechten Ideologie offen aus. Daher wundert es nicht, dass die neonazistische Kleinpartei »Die Rechte« Haverbeck wenige Wochen vor ihrer Inhaftierung zu ihrer Spitzenkandidatin für die Europawahl im kommenden Jahr kürte. Es ­waren auch Funktionäre von »Die Rechte«, die den Aufmarsch vor der Bielefelder JVA organisiert hatten. Technik und Anmeldung wurden, wie bei Nazikundgebungen in Nordrhein-Westfalen üblich, vom Dortmunder Kreisverband um Michael Brück gestellt. Auch versammelte sich großteils das für derartige Aufmärsche übliche Publikum. Dazu kamen allerdings viele Personen aus geschichtsrevisionis­tischen Kreisen und Anhänger von stramm völkischen Organisationen. Das sorgte für durchaus kuriose Bilder.

Frauen und Männer in Outfits, die eher an die dreißiger Jahre erinnerten, standen Seite an Seite mit Neonazis, die Glatze, Bomberjacke und martia­lische T-Shirts trugen. Vor Beginn des Marschs durch den ländlichen Vorort flocht ein junger Mann aus dem völkisch-traditionalistischen Lager in einer Wiese kniend einen kleinen Kranz. Der blonden Maid, der er den Kranz zugedacht hatte, war er dann allerdings zu klein.

In der ruralen Idylle vor der JVA lauschten die Haverbeck-Fans Reden des früheren NPD-Funktionärs Thomas »Steiner« Wulff, dem aus der Schweiz stammenden Holocaustleugner Bernhard Schaub und von Nikolai Nerling, der sich als selbsternannter »Volkslehrer« auf Youtube einen Namen gemacht hat. Wulff erzählte einen Schwank aus seiner Jugend, in der auch er »Fragen« gestellt habe. Welche Fragen? Das machte er mit seinem ­T-Shirt deutlich, auf dem die Silhouette des KZ Auschwitz und darunter die Aufschrift »Ich habe da eine Frage« zu sehen war, was Zweifel an der Existenz der Gaskammern andeuten soll. Deutlicher musste Wulff nicht werden, das Publikum verstand, was gemeint war.

Schaub griff auf die Thesen früher Holocaustleugner wie Paul Rassinier zurück und sprach über »Tatsachen«, die 1946 von den Allierten festgelegt worden seien. Nerling, der aus dem verschwörungsideologischen Milieu kommt, sprach darüber, wie hart der Kampf für »die Wahrheit« sei und wie wohl er sich unter den Nazis fühle. Nerling zeigte sich rhetorisch geschickter als die üblichen Naziredner. Er ­erzielt auch mit seinen Videos viel höhere Reichweiten als diese. Das scheinen auch die Nazis erkannt zu haben, sie beginnen, Nerling in ihre Strukturen einzubinden. Erste Erfolge hatten sie damit in Bielefeld. Einige Teilnehmer der Kundgebung kamen nur, um mit dem antisemitischen Youtuber zu sprechen.