ქვეყნის შიგნით - In den Plänen Chinas für eine »Neue Seidenstraße« spielt Georgien eine große Rolle

Die Straße zum Glückskeks

Georgien sieht in den chinesischen Plänen für eine neue Seidenstraße eine historische Chance, sich als Verbindungsland zwischen Asien und Europa zu etablieren.

Das Städtchen Anaklia ist ein verschla­fener Badeort im Westen Georgiens am Schwarzen Meer. Schon zu Zeiten der Sowjetunion verbrachte man dort gerne die heißen Sommertage. Wenn Anaklia bislang aufgefallen war, dann wegen skurriler ­Attraktionen wie der längsten Holzhängebrücke der Welt. Diese wurde noch unter der Regierung von Präsident Micheil Saakaschwili errichtet, der Anaklia damals zum führenden Badeort am Schwarzen Meer entwickeln wollte.

Davon ist zwar längst nicht mehr die Rede, dafür sind nun andere Super­lative im Gespräch: In Anaklia soll das teuerste und vielleicht wichtigste Wirtschaftsprojekt der neueren georgischen Geschichte entstehen. Für rund 2,5 Milliarden US-Dollar plant die ­Regierung dort einen Tiefseehafen, der Georgien dauerhaft verändern soll. »Hier treffen sich Europa und Asien, und hier wird ein neues Georgien ­geboren«, verkündete der damalige Ministerpräsident Giorgi Kwirikaschwili im Dezember 2017 euphorisch, als er den Grundstein für den neuen Hafen legte. Demnach soll rund um den ­Hafen ein Handelszentrum entstehen, eine Sonderwirtschaftszone, die Zentralasien mit dem Kaukasus, dem Iran und Europa verbindet. Eine Art neues Dubai am Schwarzen Meer, nur wenige Kilometer entfernt von der hermetisch abgeriegelten Grenze zu Abchasien.

»Hier treffen sich Europa und Asien, und hier wird ein neues Georgien geboren.« Ministerpräsident Giorgi Kwirikaschwili im Dezember 2017

Der Plan fußt auf der chinesischen Initiative für eine »Neue Seidenstraße«. Rund eine Billion Dollar will China in den kommenden Jahren in Infrastrukturprojekte investieren, um Zentral­asien besser mit Europa zu verbinden. Zahlreiche neue Häfen, Eisenbahn­linien, Autobahnen und Flughäfen sollen entstehen. Die chinesische Regierung will sich mit diesen Investitionen den Zugang zu dringend benötigten Rohstoffen verschaffen und zugleich seinen Einfluss in Konfliktregionen ­erhöhen, durch die die Handelsrouten verlaufen.

China präsentiert damit einen Gegenentwurf zur von Russland initiierten Eurasischen Wirtschaftsunion, auch wenn es geflissentlich betont, wie eng man mit Russland kooperieren wolle. Gelingt es China, den zentralasiatischen Wirtschaftsraum für sich zu erschließen und die Handelswege von und nach Europa zu kontrollieren, würde es sich endgültig als dominierende Macht in Asien etablieren. Die Regierung in Peking käme ihrem Traum einer neuen Weltordnung, organisiert nach ihren Präfenzen, dadurch sehr nahe.

Georgien sieht in dem Jahrhundertprojekt eine große Chance, auch weil die bislang vorherrschende russische Konkurrenz deutlich schwächelt. Noch nutzt China beim Güterverkehr vor allem die Transsibirische Eisenbahn und die Baikal-Amur-Fernverkehrsstrecke. Doch die über 9 000 ­Kilometer lange Route von China über Moskau bis nach Westeuropa ist schon seit langem ein riesiger Sanierungsfall. Rund 18 Tage dauert die Fahrt, zeit­weise rumpeln die Züge nur im Schritt­tempo vor sich hin. Hinzu kommen mehrere Spurwechsel und langwierige Zollformalitäten an den jeweiligen Landesgrenzen. Vor allem aber sind die Transportkapazitäten der Bahn längst ausgeschöpft.

 

Geostrategischer Knotenpunkt

Russland plante deswegen bereits vor fünf Jahren ein umfangreiches Investi­tionsprogramm, das aber wenig später wegen der Wirtschaftsrezession zuerst gekürzt und dann verschoben wurde. »Russland hat es versäumt, China ­davon zu überzeugen, die Finanzierung seines Modernisierungsplans für die Transsibirische und Baikal-Amur-Fernverkehrsstrecke zu übernehmen«, kommentiert der wirtschaftsliberale Londoner Think Tank Global Risk ­Insights. Das russische Verkehrsministerium tendiere nun dazu, die Zusammenarbeit mit China einzustellen, sollte das Land den Finanzbedarf nicht ­decken. Weil auch die Route über den nördlichen Iran mit hohen politischen Risiken verbunden ist, sieht die geor­gische Regierung die Gelegenheit, eine dritte Route zwischen China und Europa zu etablieren.

Den Regierungsplänen zufolge ist das Land wegen seiner geostrategischen Lage geradezu prädestiniert dazu, als Transportknotenpunkt zwischen ­Europa und Asien zu dienen. Die georgischen Schwarzmeerhäfen und die neue Bahnstrecke von Baku über Tiflis in die osttürkische Stadt Kars könnten einen direkten Zugang zu europäischen Märkten und eine Alternative zu den nördlichen Routen über Russland bieten. Bis zu 100 Millionen Tonnen Fracht pro Jahr soll allein der Tiefseehafen in Anaklia nach seiner Fertig­­stellung 2020 umsetzen. Zum Vergleich: Im Hamburger Hafen wurden 2016 etwa 140 Millionen Tonnen Fracht umgeschlagen. Anaklia ist auch deshalb äußerst interessant, weil China zugleich in die Häfen von Constanţa in Rumänien und im griechischen Piräus viel Geld investiert hat. Die Transport­dauer könnte sich auf einer solchen Route um die Hälfte reduzieren.

Nicht zuletzt sieht die Regierung in Tiflis eine Möglichkeit, dem politischen Dilemma zu entkommen, in dem sie sich seit der Unabhängigkeit vor fast drei Jahrzehnten befindet. Georgien will sich zwar wirtschaftlich und politisch Europa anschließen, kann sich aber dem russischen Einfluss nicht entziehen, der notfalls auch mit militärischer Gewalt gesichert wird. Ob es jemals zu einem EU-Beitritt Georgiens kommen wird, ist nach wie vor sehr ungewiss. Die Europäische Union ­wolle zwar die Zusammenarbeit mit Georgien verstärken, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel bei ihrem Besuch in Tiflis Ende August. »Aber wir dürfen auch von europäischer Seite nicht zu viel zu schnell versprechen«, fügte sie hinzu.

Eine engere wirtschaftliche Zusammenarbeit mit China könnte dazu beitragen, russische Interventionen zukünftig zu verhindern. Die Regierung in Moskau werde sich schließlich ­hüten, chinesische Investitionen zu gefährden, glaubt die politische Führung in Tiflis. Außerdem könnten die neuen Handelsverbindungen helfen, mögliche russische Sanktionen gegen georgische Waren zu umgehen, die es in der Vergangenheit immer wieder gegeben hat.

Hinzu kommt, dass sich die georgische Wirtschaft erst langsam erholt. Georgien galt als eine der wohlhabendsten Sowjetrepubliken, erlebte aber nach der Unabhängigkeit einen fast vollständigen Wirtschaftskollaps. Noch vor einem Jahrzehnt lebten fast 40 Prozent der Bevölkerung in Armut, das Produktionsniveau erreichte lange Zeit nicht den Stand aus Sowjetzeiten. Mittlerweile hat das Land zwar erhebliche ökonomische Fortschritte gemacht, ein dauerhaftes Wachstumsmodell war aber lange Zeit nicht in Sicht.

Als zentrale Voraussetzung dafür wurde Anfang des Jahres das Freihandelsabkommen mit China gefeiert. ­Georgien ist das einzige Land überhaupt, das gleichzeitig Freihandelsabkommen mit China, der EU, vielen GUS-Staaten, der Ukraine und der Türkei abgeschlossen hat. Die wirtschaftlichen Beziehungen vor allem mit China hatten sich bereits in den vergangenen Jahren deutlich intensiviert. Betrug der Export georgischer Produkte nach China im Jahr 2000 gerade mal eine Million Dollar, waren es im vergangenen Jahr bereits über 200 Millionen. Umgekehrt lieferte China Waren im Wert von 732 Millionen Dollar. Auffällig ist dabei allerdings, wie sehr sich die jeweiligen Exportwaren unterscheiden. Während China eine breite Palette an industriellen ­Erzeugnissen und Konsumgütern liefert, exportierte Georgien im ver­gangenen Jahr mehr als sieben Millionen Flaschen Wein.

Ähnlich einseitig wie die Exportstruktur sind auch die Bedingungen für die umfangreichen Investitionen. China knüpft seine Kreditzusagen oft an die Bedingung, dass chinesische Firmen bei Bauprojekten den Zuschlag erhalten. »Diese Firmen sollen dann auch Chinesen beschäftigen und, soweit möglich, chinesische Komponenten und Rohstoffe einkaufen«, sagt Thomas Eder vom Berliner Mercator Institute for China Studies. Bei den von chinesischen ­Firmen verwirklichten Projekten kamen viele der Spezialisten, aber auch der Arbeiter, aus China. Gut möglich also, dass am Ende vor allem ein Land von der Neuen Seidenstraße profitiert. Die rasante Entwicklung wie die von Anaklia vom Badeort zum internationalen Tiefseehafen zeigt aber auch, dass auch in Georgien die Welt gerade neu geordnet wird.