Die antiisraelische BDS-Bewegung erregt mit wenig Aufwand Aufmerksamkeit

Viel Lärm mit wenig Aufwand

Die BDS-Bewegung ist in Deutschland kleiner als in Großbritannien und den USA, aber nicht weniger aggressiv. Immer wieder macht sie mit antiisraelischen Aktivitäten Schlagzeilen.

Die Konfrontation begann ohne Vorwarnung. Als Malca Goldstein-Wolf an einem Samstagmittag im Oktober den Kölner Chlodwigplatz betrat, stürmte plötzlich eine ältere Frau frontal auf sie zu. Goldstein-Wolf hielt in der einen Hand ihr Smartphone, mit dem sie den Aufbau einer antiisraelischen Ausstellung dokumentieren wollte, und in der anderen einige israelische Papierfähnchen. Die ältere Frau griff immer wieder nach diesen Fähnchen und zerriss schließlich eines davon, sie war aggressiv und ließ nicht locker.

Freunde der Angegriffenen gingen dazwischen, doch erst die anwesende Polizei konnte die Attacke beenden.

Malca Goldstein-Wolf gehört der jüdischen Gemeinde in Köln an und erreichte vor einem Jahr mit einem viel beachteten offenen Brief an den WDR-Intendanten Tom Buhrow, dass der WDR von seinem Vorhaben abrückte, ein Konzert von Roger Waters in Köln zu übertragen. Der frühere Pink-Floyd-Sänger vertritt israelfeindliche Positionen und unterstützt die antisemitische BDS-Bewegung. Durch ihre Protestaktion hat sich Goldstein-Wolf bundesweit einen Namen gemacht, ihr Gesicht ist seither bekannt.

Auch die Angreiferin ist kein unbeschriebenes Blatt: Otla Pinnow hatte schon vor mehr als fünf Jahren als Mitglied der Piratenpartei deren Kölner Kreisverband mit antisemitischen Äußerungen in Misskredit gebracht. So schrieb sie beispielsweise, der Gaza-Streifen sei ein »Konzentrationslager« und die »Zionisten« strebten mit der »Begründung einer angeblichen rassischen Überlegenheit« nach der Weltherrschaft. Die »Israel-Lobby« behalte die USA durch die Wall Street im Griff, außerdem seien die Israelis antisemitisch, denn »sie besetzen und drangsalieren z.B. die Bevölkerung des Semitenstaates Palästina«. Bis heute fällt Pinnow in den sozialen Netzwerken immer wieder mit extrem israelfeindlichen Äußerungen auf.

Kein Wunder also, dass sie nun bei der Ausstellung »Frieden ist möglich – auch in Palästina« ebenfalls zugegen war. Die Schau ist das Werk einer Palästina-Aktivistin aus Nürnberg und dämonisiert auf 17 Tafeln die Gründung des jüdischen Staates im Jahr 1948 als Unrecht. Von »Landraub«, »zionistischem Siedlerkolonialismus« und einer »schleichenden Vertreibung« der Palästinenser ist dort die Rede, der Gaza-Streifen wird als »größtes Freiluft­gefängnis der Welt« bezeichnet. Historische Tatsachen werden völlig verzerrt wiedergegeben oder, wie der Angriff der arabischen Staaten auf Israel am Tag nach dessen Proklamation, einfach unterschlagen.

Schon die Aggressivität, mit der BDS-Aktivisten vorgehen und die immer wieder auch in Hand­greif­lichkeiten und Tumulten mündet, widerlegt deren Behauptung, BDS sei eine gewaltfreie Bewegung.

Dass diese Ausstellung Mitte Oktober für zwei Stunden auf dem Kölner Chlodwigplatz zu sehen war, liegt an Hans Mörtter. Er ist der Pfarrer der evangelischen Lutherkirchen-Gemeinde in der Kölner Südstadt und wollte die Tafeln ursprünglich in seiner Kirche zeigen. Doch das untersagte Superintendent Rolf Domning mit der Begründung, es seien »im Vorfeld nicht die entsprechenden Gremien der Gemeinde und des Kirchenkreises in die Entscheidungsfindung einbezogen worden«. Das passte Mörtter nicht, der von »Panik vor israelkritischen Tönen« und einer »antiisraelischen Keule« sprach. Gemeinsam mit dem Städtepartnerschaftsverein Köln-Bethlehem beschloss er, die Schau im Freien zu zeigen.

Es war nicht das erste Mal, dass Mörtter eine Ausstellung, mit der Israel verteufelt und delegitimiert wird, in seine Kirche holen wollte. Bereits im Jahr 2012 hätte er dort gerne die Schau »Die Nakba – Flucht und Vertreibung der Palästinenser« aufgebaut. Sie wurde vom Pfullinger Verein »Flüchtlingskinder im Libanon« konzipiert und gestaltet, tourt seit zehn Jahren durch die deutschsprachigen Länder und ist von einer ähnlichen Einseitigkeit und Geschichtsblindheit wie »Frieden ist möglich – auch in Palästina«. Aus diesem Grund wurde es Mörtter auch damals von den zuständigen Stellen der evangelischen Kirche untersagt, die Ausstellung in der Lutherkirche zu präsentieren. Sie war schließlich im Kölner Kulturzentrum »Allerweltshaus« zu sehen und rief erhebliche öffentliche Kritik hervor, unter anderem vom Oberbürgermeister, vom DGB und von den Kirchen.

Auch der Aufbau der Tafeln auf dem Chlodwigplatz im Oktober blieb nicht unwidersprochen: Das unlängst gegründete Rheinische Antifaschistische Bündnis gegen Antisemitismus (RABA) rief zu einer Protestkundgebung auf, an der rund 50 Menschen teilnahmen. Pfarrer Mörtter und der Städtepartnerschaftsverein Köln-Bethlehem hatten etwa 30 Personen mobilisiert, die von den Gegendemonstranten auch in Diskussionen deutliche Kritik zu hören bekamen. Malca Goldstein-Wolf stellte eine Strafanzeige gegen Otla Pinnow wegen Körperverletzung, Pinnow reagierte mit einer Gegenanzeige. Die Polizei hat Ermittlungsverfahren eingeleitet.

 

Mögen Hans Mörtter und der Städtepartnerschaftsverein auch nicht ex­plizit die BDS-Bewegung unterstützen, so machen sie sich doch mit deren Zielen gemein, die auch in der Ausstellung formuliert werden: Der jüdische Staat soll mit Boykotten, mit einem Kapitalabzug und mit Sanktionen überzogen werden – all dies im Namen der Menschenrechte und der Zivilgesellschaft, versteht sich.

Dass das nur eine Camouflage historischer Boykottaufrufe gegen Juden darstellt und die BDS-Bewegung antisemitisch ist, haben nicht nur die CDU, die Berliner SPD, die Grüne Jugend sowie die Städte München, Frankfurt und Berlin erklärt, sondern kürzlich auch der nordrhein-westfälische Landtag und der Berliner Verfassungsschutz.

Die Bewegung ist in Deutschland bislang deutlich kleiner als etwa in Großbritannien und in den USA, wo sie vor allem an den Universitäten stark präsent ist und immer wieder »Anti-Apartheid-Wochen« veranstaltet, Vorlesungen mit israelischen Wissenschaftlern sabotiert sowie jüdische und proisra­elische Studenten drangsaliert. Dass sie gleichwohl auch hierzulande immer öfter von sich reden macht, liegt unter anderem daran, dass sie für ihre Aktivitäten nicht viel Personal benötigt. Aufrufe an Musiker etwa, das Festival »Pop-Kultur« in Berlin zu boykottieren, weil die israelische Botschaft in Deutschland die Veranstaltung mit einem geringen Reisekostenzuschuss für israelische Künstler unterstützt, sind mit geringem Aufwand zu bewerkstelligen.

Wenn daraufhin mehrere Bands tatsächlich abspringen, wie in den vergangenen beiden Jahren geschehen, ist das Echo umso größer. Auch für das Niederbrüllen des Berliner Kultursenators Klaus Lederer (»Die Linke«), der sich der BDS-Bewegung widersetzt, und der israelischen Schriftstellerin Lizzie Doron auf der Eröffnungsveranstaltung der diesjährigen »Pop-Kultur« brauchte es nicht viele Aktivisten. Das Gleiche gilt für die Störung der Vorführung eines israelischen Films über die Shoa Anfang Oktober im Berliner Kino ­»Babylon«. Zwei BDS-Vertreter entrollten vor der Leinwand ein Transparent mit der Aufschrift »No culture in whitewashing Apartheid« und riefen anti­israelische Parolen. Einer davon war der hinlänglich bekannte Ronnie Barkan, ein antizionistischer Israeli, der bereits im Juni 2017 gemeinsam mit zwei ­Mitstreitern eine Veranstaltung an der Humboldt-Universität mit der Shoa-Überlebenden Dvorah Weinstein und der israelischen Parlamentsabgeord­neten Aliza Lavie erheblich gestört hatte.

Schon die Aggressivität, mit der BDS-Aktivisten vorgehen und die wie in Köln immer wieder auch in Handgreiflichkeiten und Tumulten mündet, ­widerlegt deren Behauptung, BDS sei eine gewaltfreie Bewegung. Doch einen Antisemitismus ohne Gewalt gibt es ohnehin schon per definitionem nicht. Viel zu oft wird BDS vor allem vorgeworfen, an einer Diskussion nicht interessiert zu sein, dabei sind die Ziele der Organisation indiskutabel.