Der niederländische Künstler Typex zeichnet eine Comic-Biographie von Andy Warhol

»Ein endloser Schwall an Gossip, Gejammer und Gequatsche«

Imprint Von Julia Oellingrath

<p><strong>Mit Deiner Graphic Novel »Andy Warhol – Factual Fairytale« ist Dir ein besonderes Gesamtkunstwerk geglückt. Wieso hast Du Dir Andy Warhol vorgenommen?</strong></p>

Mit Deiner Graphic Novel »Andy Warhol – Factual Fairytale« ist Dir ein besonderes Gesamtkunstwerk geglückt. Wieso hast Du Dir Andy Warhol vorgenommen?
Meine Graphic Novel über Rem­brandt, die 2013 erschienen ist, war eine Auftragsarbeit für das Rijksmuseum in Amsterdam und auch wenn mir die Arbeit daran große Freude bereitet hat, verspürte ich das Verlangen, ein ähnliches Projekt anzugehen, aber ganz nach meiner Fasson. Das Museum hatte mir zwar alle nötigen Freiheiten gegeben und meine Arbeit an »Typex Rembrandt« wunderbar unterstützt, aber das Thema bringt gewisse Einschränkungen mit sich. Es ergibt keinen Sinn, einen Comic über Rembrandt in leuchtendem Grün und fluoreszierendem Pink zu malen. Und obwohl ich eine Geschichte über einen Künstler in Amsterdam erzählen konnte (und viele meiner Freunde als Vorlagen für die Figuren in Rembrandt genommen habe), war mir doch nach einer Geschichte, die näher an meinem ei­genen Leben war. Für Rembrandt ha­be ich mich außerdem auf einen Stil beschränkt, passend zu seinen Arbeiten und der Atmosphäre seiner Zeit, aber ich wollte da etwas mehr ausprobieren.

Dein Buch ist ein Zeugnis des Lebens, der Kunst und der Exzentrik im 20. Jahrhundert. Was genau fasziniert Dich am meisten an Andy Warhol und seiner Zeit? Was aus seinem Leben und Werk war Dir am wichtigsten zu zeigen?
Ich bin mit Popkultur aufgewachsen und habe das regelrecht geliebt: ­Comics, Popmusik, Filme, Literatur, Kunst und Nonkonformismus haben im Kopf des kleinen Typex einen ­unauslöschlichen Stempel hinterlassen. Und alles, was mich inspirierte, hat in Andy Warhols Ära seinen Anfang genommen. Nicht nur, dass seine Arbeiten die gleichen Einflüsse haben, er hat außerdem in all diesen Kategorien selbst eine große Rolle gespielt und darüber hinaus scheint sein Einfluss auf unsere Kultur dieser Tage noch immer weiter zu wachsen. Mein Ziel war es, nicht bloß Andy, also sein privates und künstlerisches Leben zu porträtieren, sondern auch dem Aufstieg der Popkultur im zwanzigsten Jahrhundert ein Denkmal zu setzen.

Und wie lange hast Du an Deinem Werk gearbeitet und wie hast Du Dich eingearbeitet?
Anders als bei Rembrandt gab es schier endlos Material über Warhol. Es gab so viele Geschichten zu erzählen und so viele unterschiedliche Phasen in seinem Leben, dass ich das alles irgendwie ordnen musste, um meine Geschichte zu erzählen. Ich habe das Buch in zehn Teile geteilt und jeder davon konzentriert sich auf eine bestimmte Periode seines Lebens: zehn Geschichten, die man einzeln lesen kann (und vielleicht auch sollte), die zusammen die große Geschichte seines Lebens und der Zeit ergeben. Jeder Teil ist wie ein Magazin aus der Zeit gestaltet, in der die Geschichte spielt. Der Zeichenstil wechselt ebenfalls, um den Geist der Zeit möglichst gut zu erfassen. Die Arbeit an dem Buch hat fünf Jahre gedauert. Die Recherche, die Vorskizzen und das Schreiben haben dabei am meisten Zeit in Anspruch genommen. Ich bin nach Pittsburgh, Warhols Geburtsstadt, gereist und nach New York, und habe all die Orte abgeklappert und mit den Leuten dort gesprochen. 2016 hatte ich eine skizzierte Fassung des Buches fertig. Anfang dieses Sommers war die endgültige Version dann abgeschlossen.

Hat sich bei der Arbeit an Deinem Buch in Bezug auf Deine Sicht­weise auf das Werk und das Leben von Andy Warhol etwas verändert? Und wenn ja, was?
Warhols Biographien zu lesen, hat mich irgendwann runtergezogen: Ich begann mich über ihn zu ärgern und war nicht mehr allzu begeistert, so viel Zeit mit ihm zu verbringen. Bis ich seine Tagebücher gelesen habe. Ich empfehle diesen endlosen Schwall an Gossip, Gejammer und sinnlosem Gequatsche niemanden, aber er hat meine Perspektive ver­ändert. Zum ersten Mal sah ich ihn so, wie er war – und nicht das Bild, das seine Biographen und Zeitgenossen für mich entworfen hatten. Ich wollte nicht nur von Warhol als Künstler erzählen, sondern auch ein möglichst vollständiges Bild seines Charakters entwickeln und die Einordnung dann dem Leser überlassen.

Arbeitest Du bereits an einem neuen Projekt?
Da ich gerade erst mit dem Buch fertig geworden bin, bin ich noch sehr beschäftigt, das Ganze zu bewerben, Interviews zu geben und »Andy« in verschiedenen Ländern zu vorzustellen. Im Moment arbeite ich gerade an ein paar Ideen für ein neues Buch, aber sicher kann ich derzeit nur eines sagen: Es wird nicht wieder eine Biographie! Ich glaube, in dem Bereich habe ich alles gesagt, was ich sagen möchte, und nun ist es an der Zeit für neue Abenteuer.


Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Verlags aus: Typex: Andy – A Factual Fairytale. Leben und Werk von Andy Warhol. Carlsen-Verlag, Hamburg 2018, 568 S., 49 Euro