Kritische Astrologie - Die Feiertage und ihre Macht über unser Leben

Ein Ladenschlussgesetz fürs Internet

Kolumne Von Leo Fischer

<p>Der Affäre Relotius hat eine neue Debatte über journalistische Mindeststandards entfackelt, ja entfacht, der sich auch diese Zeitung, diese Kolumne nicht entziehen will oder gar nur kann.</p>

Der Affäre Relotius hat eine neue Debatte über journalistische Mindeststandards entfackelt, ja entfacht, der sich auch diese Zeitung, diese Kolumne nicht entziehen will oder gar nur kann. So zum Beispiel müssen wir uns die Frage stellen, ob sich nicht im Fall Claas Relotius (Revolver­journalist) wie im Fall Oskar Pistorius (Revolversportler) allein schon aufgrund des seltsamen Nachnamens ein gewisser Anfangsverdacht hätte einstellen müssen – oder ob man sich vom guten Ruf eines Michael Prae­torius (Komponist, 16. Jahrhundert) hier hat einlullen lassen. Wohlbe­raten ist, wer die -usse nun insgesamt unter stärkere Beobachtung stellt; Carolin Kebekus kann sich hiermit schon mal als vorgewarnt betrachten.

Wir müssen uns aber auch die Frage stellen, ob wir uns als Journalisten nicht von der Angst vorm mächtigen Klickfinger des Internetpublikums haben treiben lassen. Die Mechanismen der Skandalisierung sind doch mittlerweile dahingehend optimiert, die Journalisten immer da zu packen, wo sie es am wenigsten erwarten, wo sie am schwächsten sind – also an den Feiertagen und am Wochenende. Kaum ein Eklat, kaum eine Enthüllung, die nicht aufs Wochenende terminiert wird, wenn die Redaktionen unterbesetzt sind und in Panik jeden Mist ungeprüft rausgeben. Die Freizeit der Journalisten wird zur wichtigsten Ressource für Populisten und Demagogen – wahrscheinlich wird schon jetzt von irgendwem ausgerechnet, wann ­Heribert Prantl mit den Enkeln Ostereier suchen geht, um exakt dann die brandheißen News zu lancieren. Damit muss doch einfach mal Schluss sein! Wenn Weihnachten ist, ist ­Sendepause! Silvester wird das Internet zugemacht und das Telefon abgestellt, und wer einen Skandal anmelden möchte, soll bis nach Ostern warten. Es braucht mehr Beamtengeist, mehr Unbeweglichkeit in der Presse und für das Internet ein Ladenschlussgesetz mit klaren Feiertags­regelungen. Sonst ist ein zweiter Fall Kebekus nur mehr eine Frage der Zeit.