Rassismus und Antisemitismus waren im deutschen Fußball auch 2018 virulent

Rassismus hier, Judenhass da

Ein Rückblick auf die Zustände im deutschen Fußball zeigt: Rassismus und Antisemitismus waren auch 2018 weit verbreitet.

Das Fußballjahr 2018 wird für viele sicherlich in erster Linie mit der Weltmeisterschaft im Sommer verbunden bleiben. Neben dem ebenso unerwartet wie angenehm frühen Ausscheiden der deutschen National­auswahl in Russland bleibt dabei vor allem die Debatte über Mesut Özil in Erinnerung. Der Spieler vom Londoner Club Arsenal FC wurde vom kollektiven Volkszorn, vorgeblich wegen seines Fotos mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan, zum Sündenbock für die enttäuschenden Leistungen des seinerzeit noch amtierenden Weltmeisters erhoben und erlebte eine beispiellose, rassistisch gefärbte Hetzkampagne gegen seine Person, die ihn schließlich zum Rücktritt aus dem DFB-Team bewegte (Jungle World 30/2018).

Aber auch abseits des Nationalgekickes wurde 2018 wieder einmal deutlich, dass die Sportart Fußball immer noch schwerwiegende Probleme hat. Rassismus der übelsten Sorte war etwa bei mehreren Gelegenheiten in Cottbus zu beobachten. Nach dem Drittligaaufstieg des örtlichen FC Energie am 27. Mai feierten Anhänger mit Ku-Klux-Klan-Kapuzen und einem Transparent mit der Aufschrift »Aufstieg des Bösen« den Erfolg ihrer Mannschaft. Anwesende Beamte hätten die Masken nicht erkannt, sagte die Polizei im Nachhi­nein. In Cottbus hat sich über Jahre ein einflussreiches Netzwerk aus rechten Ultras und Hooligans, Neonazis und der örtlichen organisierten Kriminalität gebildet. Nach dem DFB-Pokalspiel von Cottbus gegen Freiburg kursierte ein Foto eines Fans im Netz, der ein Trikot mit dem Aufdruck »Siegheilson« trägt.

Am 21. Mai wurde beim Spiel des FC Gütersloh gegen die Hammer SpVg in der Oberliga Westfalen ein Solidaritätsbanner für die inhaftierte Holocaust­leugnerin Ursula Haverbeck gezeigt.

Für noch mehr Aufsehen sorgte die Gruppe »Kaotic Chemnitz«, die die rechtsextremen Aufmärsche in der sächsischen Stadt am 26. August mit einem Facebook-Post unter der Überschrift »Unsere Stadt – Unsere Regeln« initiierte. Sie gilt als Nachfolgegruppe des neonazistischen Chemnitzer Fanclubs »NS-Boys« und schaffte es, ein breites Bündnis aus Fußballfans, AfD, organisierten Neonazis und deutschen Wutbürgern auf die Straße zu bekommen (Jungle World 37/2018).

Nach dem Landespokalfinale in Württemberg am 21. Mai sollen bis zu 100 Fans des Regionalligisten SSV Ulm in einem Zug rechtsextreme Parolen gerufen und dem Hitlergruß gezeigt haben. Die Beteiligten riefen nach Informationen von Südwest-Presse online unter anderem »Juden vergasen«, »Homos an die Wand« und »Ausländer raus«. Am selben Tag wurde beim Spiel des FC Gütersloh gegen die Hammer SpVg in der Oberliga Westfalen ein großes Solidaritätsbanner für die inhaftierte Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck gezeigt. Nach Vereinsangaben handelte es sich bei den Tätern um »vereinsfremde Personen«.

Bereits am 4. Februar waren Mitglieder von »Zebras stehen auf«, einer Initiative von Fans des MSV Duisburg »für ein Stadion ohne Rassismus und Diskriminierung«, beim Auswärtsspiel in Darmstadt von rechten Hooligans des eigenen Vereins körperlich angegriffen worden. Das stellte den neuesten Höhepunkt einer langen Geschichte rechter Angriffe in der MSV-Kurve dar. »Zebras stehen auf« erklärte anschließend, die eigene Fahne mit antifaschistischem Inhalt vorläufig nicht mehr aufzuhängen. Stattdessen präsentierten rechte Anhänger am 13. Mai im Spiel gegen den FC St. Pauli ein großes Banner mit der Aufschrift »Zebras gegen Antifa«.

Im Juli machte der Verein »Hintertorperspektive e. V.« auf eine Vielzahl antisemitischer Sticker und Schmierereien in verschiedenen Orten Thüringens aufmerksam, die sich gegen Fans des FC Carl Zeiss Jena richten. Der Schlachtruf »Juden Jena« gehört insbesondere bei manchen Fans des Lokalrivalen Rot-Weiß Erfurt zum hergebrachten Inventar an Schmähungen. Im Folgemonat berichtete die antirassistische Fangruppe »High Society Höhenberg« des Regionalligisten Viktoria Köln von einem Vorfall beim DFB-Pokalspiel ihres Vereins gegen RB Leipzig am 19. August. Rechte Kölner Fans sollen Leipziger Spieler rassistisch beleidigt und nach Intervention der »High Society« deren Mitglieder teils brutal angegriffen haben.

Der Blog »Hannover rechtsaußen« kritisierte zu Saisonbeginn einen »rechten Konsens innerhalb der aktiven Fan- und Ultraszene von Hannover 96«. Jüngstes Beispiel sei der Ausschluss der Gruppe »Rising Boys« gewesen, deren Mitgliedern antirassistisches Engagement vorgeworfen werde. Zudem führt der Blog auf, dass einzelne Neonazis in der 96-Fanszene akzeptiert seien sowie dass Kontakte zu rechten Fangruppen bei anderen Vereinen bestünden. Am letzten Spieltag vor der Winterpause wurden Mitglieder von »Hannover rechtsaußen« beim Verteilen antifaschistischer Flyer im Stadion­umlauf von rechten 96-Fans angegriffen.

Der Fanclub »L.E. United« von RB Leipzig posierte im Herbst mit einem »Fuck Politics«-Spruchband in der Nähe des Stadions und wandte sich damit zum wiederholten Male gegen Antidiskriminierungsinitia­tiven in der Leipziger Fanszene. Die Rostocker Südtribüne protestierte am 25. August beim Spiel gegen die Würzburger Kickers mit einem Banner mit der Aufschrift »Gegen politische Bands im Ostseestadion« gegen den Auftritt der linken Band Feine Sahne Fischfilet im heimischen ­Stadion einige Tage später – obschon sich einige Mitglieder der Band sogar als Hansa-Fans verstehen.

Bei einem Altherren-Kreisliga-Spiel im brandenburgischen Kröbeln ­traten am 7. September die selbsternannten »Ultras Kröbeln« mit Pyrotechnik und einer Fahne auf, auf der ein SS-Totenkopf und ein Keltenkreuz abgebildet waren. In Aachen übermalte die berüchtigte rechte ­Ultragruppe »Karlsbande« Anfang September ein »Gegen Nazis«-Graf­fiti an einer prominenten Stelle in der Stadt mit ihrem Gruppennamen. Das Bild wurde mittlerweile erneut von Antifaschisten übermalt. In Mönchengladbach versuchten Rechtsextreme am 19. September, Proteste im Stil derer in Chemnitz erneut aufleben zu lassen, nachdem Marcel K., einer der Gründer von »Hooligans gegen Salafisten« (Hogesa), dort tot aufgefunden worden war. Sie kündigten an, den »Mörder« zu jagen, und riefen zu einem Trauermarsch auf, was allerdings nur auf wenig ­Resonanz stieß. Am darauffolgenden Tag bestätigte die örtliche Polizei, dass K., der auch als »Captain Flubber« bekannt war, sich selbst getötet habe.

Die Ruhrnachrichten berichteten Mitte November über eine »haarscharf am Strafgesetzbuch vorbeiführende Strategie aus subtiler Bedrohung und Einschüchterung«, ausgehend von der Dortmunder »North­side«. Mitglieder der rechten Hooligangruppe sollen im März die Mit­glieder von »The Unity«, der größten Ultragruppe bei Borussia Dortmund, unter Androhung von Gewalt dazu aufgefordert haben, ihr politisches Engagement zukünftig einzustellen. Eine der aktuellen Führungsfiguren der »Northside« ist dem Artikel zufolge Sven S., der bis zu seiner Heirat Sven Kahlin hieß und 2005 den Punk Thomas »Schmuddel« Schulz getötet und dafür sieben Jahre in Haft verbracht hatte. Weitere Mitglieder sollen lokale Neonazis und ehemalige Mitglieder der aufgelösten und durch zahlreiche Gewaltdelikte bekannt gewordenen Gruppe »Riot 0231« sein. Die Antifa-Union Dortmund stellte bereits Ende Oktober in einem Artikel ausführlich Verquickungen von ­Neonazi- und Hooligan-Milieu in der Stadt dar.

Am 4. Dezember veröffentlichte die Faninitiative »VfB für alle« ein langes Statement, in dem sie rechte Tendenzen bei Fans des Regionalligisten VfB Oldenburg beklagte. In der seit vielen Jahren gegen Diskriminierung aktiven Fanszene machen sich demnach immer mehr die Gruppen »Suburban« und »Ammerländer Jungs« breit, aus deren Umfeld unter anderem anlässlich des Auswärtsspiels beim SSV Jeddeloh am 17. November eine Person, die eine Regenbogenfahne trug, attackiert worden sein soll. Der Verein habe nicht Stellung nehmen wollen. Bereits im Sommer habe es einen rechten Überfall auf die Wohnung der ehemaligen Fanbeauftragten gegeben; zu diesem Vorfall äußerte sich der VfB Oldenburg ebenfalls nicht.