Kira Sanbonmatsu, Professorin am Center for American Women and Politics der Rutgers University, im Gespräch über den Einfluß von Frauen in der US-amerikanischen Politik

»Das Machtpotential von Frauen in den USA ist nicht ausgeschöpft«

Interview Von Julia Hoffmann

Kira Sanbonmatsu ist Politologin an der Rutgers University in New Jersey. Ihr neuestes Buch »A Seat at the Table: Congresswomen’s Perspectives on Why Their Presence Matters« widmet sich Frauen im US-amerikanischen Kongress. Mit der »Jungle World« sprach sie über den Einfluss von Frauen in der Politik und die Kontroversen innerhalb der Bewegung.

Kira Sanbonmatsu

Kira Sanbonmatsu

Zum ersten Mal in der Geschichte der USA gibt es einen Frauenanteil von 23 Prozent im Kongress. Viele der neu gewählten Frauen sind mit explizit progressiven Themen an­getreten. Wie könnte das in Zukunft die Arbeit des Kongresses beein­flussen?
In der Tat sind viele der neuen Politikerinnen Mitglieder der Demokraten. Für diese Partei war es eine historische Wahl. Die Zahl der Republikanerinnen im Kongress ist indes gleich geblieben. Aber mit der Machtverschiebung im Repräsentantenhaus und der Wahl Nancy Pelosis zur Sprecherin sieht man schon, dass sich die US-amerikanische Politik in diesem Jahr sehr verändern wird. Noch nie wurden so viele neue Frauen zugleich in den Kongress gewählt. Sie haben nun großen Einfluss. Vor allem aber wird es sehr konflikt­reich werden. Das sieht man derzeit auch am Shutdown.

»Die Anzahl von Frauen und deren Diversität sind für den Kongress wichtig.«

Machen Frauen denn eine derart andere Politik als ihre männlichen Kollegen?
Unseren Untersuchungen nach ist das tatsächlich der Fall. Frauen im Kongress unterscheiden sich von ihren Kollegen, indem sie andere Perspektiven in die Institution einbringen. Sie sind in einem männerdominierten Bereich erfolgreich und bringen ganz andere Lebenserfahrungen mit. Thematisch haben die Frauen im Kongress auch ein stärkeres Interesse an Themen wie Care-Arbeit.

Können all diese unerfahrenen ­Politikerinnen die hohen Erwartungen denn erfüllen?
Das kommt darauf an, wie sie Erfolge messen. Aber allein ihre Anzahl und Diversität sind für den Kongress wichtig. Die Art und Weise, wie die amerikanische Öffentlichkeit den Kongress wahrnimmt, wird von diesen Frauen beeinflusst und verändert. Es geht um die Teilhabe von Frauen an unserer Demokratie. Das Machtpotential von Frauen in den USA ist noch nicht ausgeschöpft. Sie werden auch in den USA mehr Ämter übernehmen und sich ­politisch über die Abgabe ihrer Stimme hinaus politisch betätigen.

Ist die veränderte Zusammensetzung der beiden Parlamentskammern auch ein Resultat der #metoo-Debatte und der Frauenmärsche?
Das spielte sicherlich eine Rolle. Aber es gibt verschiedene Faktoren, die uns an diesen Punkt gebracht haben. Der vergangene Präsidentschaftswahlkampf und der unerwartete Sieg ­Do­nald Trumps waren ein Auslöser für die Organisierung von Frauen. Und mit der #metoo-­Bewe­gung wurde deutlich, dass sich auch am gesellschaftlichen Status quo etwas ändern muss. All das hat im vergangenen Jahr etwas sehr Wichtiges in Bewegung gesetzt. Viele demokratische Kongressabgeordnete, die in Rente gegangen sind, wurden durch Frauen ersetzt. Der Gewinn der Demokraten bei den Midterm-Wahlen ist allerdings damit nicht zu erklären. Es ist üblich, dass die regierende Partei die Zwischenwahlen verliert.

Der dritte landesweite Frauenmarsch soll am 19. Januar stattfinden. Einige Veranstaltungen wurden ­bereits abgesagt.
Ja. Es war immer schwierig für Frauen, ihre Differenzen in der Frauenbewegung beizulegen. Themen wie race und class führten zu Verwerfungen und ­haben die Zusammenarbeit behindert. Die derzeitige Kontroverse ist dem ähnlich. Dennoch war der Einfluss, den diese Demonstrationen auf die US-amerikanische Politik hatten, tiefgreifend.
In der Kontroverse geht es konkret um Antisemitismus in der Bewegung. Wie wird damit umgegangen?
Das ist von Ort zu Ort unterschiedlich. Aber was genau geschehen wird, ist noch nicht abzusehen.

Und gibt es denn eine inhaltliche Debatte?
Die gibt es. Und das ist auch wichtig, denn diese interne Auseinandersetzung ist die größte Herausforderung für die Bewegung.